Entscheidungsstichwort (Thema)

Glaubhaftmachung von Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund zur Bewilligung von Leistungen der Grundsicherung durch einstweiligen Rechtsschutz

 

Orientierungssatz

1. Im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens kann nicht abschließend entschieden werden, ob der Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB 2 mit europäischem Recht in Einklang steht, BSG, Beschluss vom 12. Dezember 2013 - B 4 AS 9/13 R.

2. Bei der infolgedessen anzustellenden Folgenabwägung überwiegt regelmäßig das Interesse des Antragstellers auf Gewährung des Regelbedarfs nach dem SGB 2. Zur Bestreitung des Unterhalts ist der Antragsteller auf die vorläufige Leistungsbewilligung angewiesen, um in Menschenwürde leben zu können. Die finanzielle Belastung des Grundsicherungsträgers muss demgegenüber zurücktreten.

3. Ein Anordnungsgrund hinsichtlich der Kosten für Unterkunft und Heizung ist regelmäßig erst dann gegeben, wenn unmittelbar Obdachlosigkeit droht. Hierzu ist erforderlich, dass eine entsprechende Räumungsklage bereits anhängig ist. Die Kündigung des bestehenden Mietverhältnisses reicht hierzu nicht aus.

 

Tenor

Auf die Beschwerde der Beigeladenen zu 1) und die Anschlussbeschwerde der Antragsteller wird der Beschluss des Sozialgerichts Köln vom 13.12.2013 geändert: Der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung vorläufig verpflichtet, den Antragstellern ab 01.02.2014 bis zum 31.03.2014 Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem SGB II nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren. Die Verpflichtung der Beigeladenen zu 1) zur Gewährung von Hilfe bei Krankheit wird bis 31.01.2014 befristet. Im Übrigen werden Beschwerde und Anschlussbeschwerde zurückgewiesen.

Der Antragsgegner trägt die außergerichtlichen Kosten der Antragsteller für das Beschwerdeverfahren zu ½. Weitere Kosten sind nicht zu erstatten.

Den Antragstellern wird für das Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Frau Rechtsanwältin U, L, ab 05.03.2014 bewilligt.

 

Gründe

I.

Die Antragsteller sind bulgarische Staatsangehörige. Sie erhielten im Rahmen einer vorläufigen Regelung von der Beigeladenen zu 1) zurückliegend Leistungen zur Sicherung ihres Lebensunterhalts und zur Deckung ihrer Bedarfe für Unterkunft und Heizung nach dem SGB XII. Die Absicherung im Krankheitsfall erfolgte zunächst über eine bulgarische Versicherung. Abgerechnet wurde über die Beigeladene zu 2). Zumindest ab Herbst letzten Jahres konnten die Antragsteller einen Krankenversicherungsschutz über die bulgarische Versicherung nicht mehr in Anspruch nehmen, da sich ihr Aufenthalt in der Bundesrepublik verfestigt hatte. Daher war eine ausreichende Absicherung insbesondere der Antragstellerin zu 3), die wegen einer schweren Erkrankung dauerhafter Behandlung bedarf, nicht mehr gegeben.

Dies nahmen die Antragsteller im Oktober 2013 zum Anlass, bei dem Sozialgericht erneut einstweiligen Rechtsschutz zu begehren, mit dem Ziel, den Antragsgegner zu verpflichten, ihnen vorläufig Leistungen nach dem SGB II zu gewähren.

Den Antrag hat das Sozialgericht Köln mit Beschluss vom 13.12.2013 im Wesentlichen abgelehnt. Aktuell gebe es keinen Anlass, eine einstweilige Regelung bezüglich des Begehrens der Antragsteller zu treffen. Sie seien durch die Leistungsgewährung der Beigeladenen zu 1) ausreichend abgesichert. Über die tatsächliche Leistungsgewährung hinaus sei die Beigeladene zu 1) lediglich zu verpflichten, der Antragstellerin zu 3) vorläufig Hilfe bei Krankheit zu gewähren.

Gegen den Beschluss hat die Beigeladene zu 1) am 10.01.2014 Beschwerde eingereicht und schließlich ihre Leistungsbewilligung zum 31.01.2014 vollumfänglich eingestellt.

Die Antragsteller haben am 05.03.2014 Anschlussbeschwerde eingelegt. Sie begehren den Antragsgegner zu verpflichten, ihnen vorläufig Leistungen nach dem SGB II einschließlich Leistungen zur Deckung ihrer Bedarfe für Unterkunft und Heizung zu gewähren. Die vorläufige Leistungsgewährung sei notwendig, da den Antragstellern seit Einstellung der Leistungen durch die Beigeladene zu 1) abgesehen von Kindergeld keine Mittel mehr zuflössen. Sie könnten auch die Miete der von ihnen bewohnten Wohnung nicht mehr zahlen. Aktuell bestehe ein Mietrückstand i.H.v. 678,20 EUR. Sie seien bereits angemahnt worden.

II.

Die zulässige Beschwerde der Beigeladenen zu 1) und die Anschlussbeschwerde der Antragsteller sind in dem tenorierten Umfang begründet, im Übrigen unbegründet.

Die Voraussetzungen des § 86b Abs. 2 S. 2 SGG liegen vor, soweit die Antragsteller begehren, den Antragsgegner zu verpflichten, ihnen Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren.

Gemäß § 86b Abs. 2 S. 1 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Dies ist dann der Fall, wen...

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