Entscheidungsstichwort (Thema)
Vertragsärztliche Versorgung. Nachfolgezulassung. Besetzung eines Vertragsarztsitzes im Nachbesetzungsverfahren durch einstweiligen Rechtsschutz
Orientierungssatz
1. Bei Entscheidungen im einstweiligen Rechtsschutz über die Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung müssen bei Eingriffen in die Berufsfreiheit die Gründe für den Sofortvollzug in einem angemessenen Verhältnis zur Schwere des Eingriffs stehen und ein Zuwarten bis zum rechtskräftigen Abschluss des Hauptsacheverfahrens ausschließen (vgl BVerfG vom 28.8.2007 - 1 BvR 2157/07, vom 11.2.2005 - 1 BvR 276/05 = NJW 2005, 1418 und vom 24.10.2003 - 1 BvR 1594/03 = NJW 2003, 3618, LSG Essen vom 20.5.2009 - L 11 B 5/09 KA ER und vom 19.3.2009 - L 11 B 20/08 KA ER).
2. Voraussetzung für den Sofortvollzug der Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung ist, dass das Individualinteresse des Antragstellers am sofortigen Vollzug dem Interesse des Zulassungsausschusses vorgeht. Das ist ua dann der Fall, wenn das Nachbesetzungsverfahren rechtmäßig durchgeführt worden ist, die Auswahlentscheidung des Zulassungsausschusses rechtmäßig ist und das gegenläufige Suspensivinteresse betroffener Vertragsärzte nachrangig ist.
3. Das Nachbesetzungsverfahren setzt ein formell ordnungsgemäß durchgeführtes Ausschreibungsverfahren voraus, das Ende der Zulassung, die beabsichtigte Fortführung der Praxis durch einen Nachfolger sowie das Bestehen eines nachbesetzungsfähigen Vertragsarztsitzes in Kombination mit einer hierauf gerichteten Zulassung.
Tenor
Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Sozialgerichts Detmold vom 03.12.2009 abgeändert. Die sofortige Vollziehung des Beschlusses des Antragsgegners vom 24.06.2009 wird mit der Maßgabe angeordnet, dass der Antragsteller bis zum rechtskräftigen Abschluss der Verfahren S 5 KA 3/09, S 5 KA 4/09 und S 5 KA 11/07 (jeweils SG Detmold) als Facharzt für Diagnostische Radiologie, Zusatzbezeichnung Rettungsmedizin, für den Vertragsarztsitz C, G-straße 0, zugelassen wird. Der Antragsgegner sowie die Beigeladenen zu 8) und 9) tragen die Kosten des Verfahrens zu je einem Drittel als Gesamtschuldner. Der Streitwert wird auf 72.441,60 EUR festgesetzt.
Gründe
I.
Zwischen den Beteiligten ist die Besetzung eines Vertragsarztsitzes für Radiologie im Planungsbereich der kreisfreien Stadt C streitig.
Der Antragsteller begehrt die Beseitigung der aufschiebenden Wirkung der Klagen der Beigeladenen zu 8) und 9) gegen den Beschluss des Antragsgegners vom 31.08.2009 (Sitzung vom 24.06.2009).
Mit Beschluss vom 07.07.2006 stellte der Landesausschuss der Ärzte und Krankenkassen fest, dass in C die Zulassungsbeschränkungen für Radiologen mit der Maßgabe aufzuheben sind, dass Zulassungen nur bis zum erneuten Eintreten einer Überversorgung erfolgen dürfen. Der Beschluss lautet:
"Der Landesausschuss der Ärzte und Krankenkassen hat am 07.07.2006 das nach §§ 101 ff. SGB V und § 16b Ärzte-ZV in Verbindung mit den Bedarfsplanungs-Richtlinien-Ärzte in der Fassung vom 09.03.1993, zuletzt geändert am 21.02.2006, in Kraft getreten am 07.04.2006, vorgesehene Verfahren zur Feststellung der Überversorgung in der vertragsärztlichen Versorgung in Westfalen-Lippe durchgeführt. Der Landesausschuss beschließt wie folgt:
Der Landesausschuss stellt fest, dass in den nachstehend aufgeführten Bereichen / Arztgruppen / Psychologische Psychotherapeuten Zulassungsbeschränkungen aufzuheben sind:
Regierungsbezirk E
kreisfreie Stadt C
Radiologen
Anträgen auf Zulassung für die Bereiche/Arztgruppe/Psychologische Psychotherapeuten kann - sofern die zulassungsrechtlichen Voraussetzungen erfüllt sind - entsprochen werden; allerdings dürfen Zulassungen nur bis zum erneuten Eintreten einer Überversorgung erfolgen. Der Zulassungsausschuss hat unter denjenigen Antragstellern eine Auswahl zu treffen, deren Zulassungsanträge innerhalb einer Frist von zwei Monaten nach Veröffentlichung eingegangen sind. Anträge sind zu richten an den jeweiligen Zulassungsausschuss oder an eine Dienststelle der KVWL ..."
Der Beschluss ist in Ausgabe 8/2006 des Westfälischen Ärzteblattes vom 04.08.2006 bekanntgegeben worden.
Der 1959 geborene Antragsteller ist seit 1996 Facharzt für Diagnostische Radiologie. Er ist seit dem 01.07.2007 als genehmigter Assistent zur Weiterbildung auf dem Gebiet der Kernspintomographie in der Gemeinschaftspraxis u.a. des Beigeladenen zu 10) tätig. Am 10.09.2008 beantragte er die Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung auf den Vertragsarztsitz des Beigeladenen zu 10) im Medizinischen Versorgungszentrum (MVZ) E nach C, G-straße 0.
Der 1941 geborene Beigeladene zu 10) ist seit dem 01.07.1976 als Facharzt für Radiologie und ab 01.01.2003 als Facharzt für Nuklearmedizin niedergelassen und zur vertragsärztlichen Versorgung in C zugelassen. Im Juli 2006 stellte er einen Antrag auf einen Fachgebietswechsel von Nuklearmedizin in Radiologie (Schreiben vom 10.07.2006), hilfsweise auf Zulassung als Facharzt für Radiologie (Schreiben vom 09.08.2006). Mi...