Entscheidungsstichwort (Thema)

Einstweiliger Rechtsschutz gegen Kürzung des Regelbedarfs

 

Orientierungssatz

1. Bei der Kürzung des Regelbedarfs nach § 28 SGB 12 hat der Leistungsträger Ermessen auszuüben. Bei seiner Ermessensentscheidung muss die Begründung diejenigen Gesichtspunkte erkennen lassen, von denen die Behörde bei der Ausübung ihres Ermessens ausgegangen ist. Deren Fehlen führt zur Rechtswidrigkeit des ergangenen Kürzungsbescheides.

2. Der für die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes erforderliche Anordnungsgrund ist zu verneinen, solange zumindest 80 % des Regelsatzes gewährt werden. Es fehlt dann an der notwendigen Eilbedürftigkeit. Die Klärung muss einem etwaigen Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben.

 

Tenor

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Münster vom 10.07.2007 wird zurückgewiesen. Kosten sind auch im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.

 

Gründe

Die zulässige Beschwerde des Antragstellers vom 11.07.2007, der das Sozialgericht nicht abgeholfen hat (Nichtabhilfebeschluss vom 12.07.2007), ist unbegründet.

Das Sozialgericht hat es mit dem angefochtenen Beschluss zu Recht abgelehnt, die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, dem Antragsteller Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII) ausgehend vom (ungekürzten) Regelsatz in Höhe von 345 EUR und ohne (weiteren) Abzug von 18 % des Regelsatzes für Warmwasserkosten für den Monat Juni 2007 zu gewähren.

Das Sozialgericht hat zunächst zutreffend darauf abgestellt, dass das Begehren des Antragstellers als Antrag auf Erlass einer Regelungsanordnung gemäß § 86b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zu behandeln ist. Wegen der auf § 66 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I) gestützten Leistungskürzung wird ausgehend von einem reinem Anfechtungsbegehren eine Feststellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers gemäß § 86a Abs. 1 Satz 1 SGG seinem Begehren nicht gerecht, da eine positive Leistungsverpflichtung allein daraus nicht erwächst.

Ein Anordnungsanspruch ist durch den Antragsteller nicht glaubhaft (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung) gemacht worden. Zunächst ist zwar festzustellen, dass es dem Bescheid vom 22.05.2007 (und ebenso den Bescheiden vom 21.06.2007 betreffend den Monat Juli 2007 und vom 24.07.2007 betreffend den Monat August 2007) an einer hinreichenden Begründung im Sinne des § 35 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) fehlen dürfte. Es ist nicht einmal eine Rechtsgrundlage für die "Kürzung des Regelsatzes um individuellen Prozentsatz" benannt. Gemäß § 41 Abs. 2 i.V.m. § 41 Abs. 1 Nr. 2 SGB X kann die erforderliche Begründung aber bis zur letzten Tatsacheninstanz des sozialgerichtlichen Verfahrens nachgeholt werden. Insoweit lässt der Senat zunächst dahinstehen, ob die nach Widerspruchseinlegung mit Schreiben vom 01.06.2007 nachgeschobenen Erläuterungen den verfahrensrechtlichen Anforderungen genügen.

Darüber hinaus dürften die Kürzungsbescheide den Anforderungen an die im Rahmen des § 66 SGB I zwingende Ermessensausübung nicht genügen. Auch insoweit finden sich erstmals im Schreiben vom 01.06.2007 Ausführungen, die aber bereits eine hinreichende Befassung mit den Umständen des Einzelfalles zweifelhaft erscheinen lassen. Bei Ermessensentscheidungen muss gemäß § 35 Abs. 1 Satz 3 SGB X die Begründung auch die Gesichtspunkte erkennen lassen, von denen die Behörde bei der Ausübung ihres Ermessens ausgegangen ist. Vorliegend lassen die "Kürzungsbescheide" mangels jedweder Begründung nicht einmal erkennen, dass die Behörde von einem ihr eingeräumten Ermessen ausgegangen ist. Der Zeitpunkt der möglichen Heilung bestimmt sich in diesem Fall nicht nach § 41 Abs. 2 SGB X (vgl. Wiesner in von Wulffen, SGB X, 5. Auflage, § 41 RdNr. 7); vielmehr ist maßgeblich insoweit der Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheides, da gemäß § 95 SGG Gegenstand der in der Hauptsache ggf. zu erhebenden Klage der ursprüngliche Leistungsbescheid in der Gestalt ist, die er durch den Widerspruchsbescheid gefunden hat. Somit ist es der Antragsgegnerin auch insoweit möglich, verfahrensrechtlich ihr Vorgehen den rechtlichen Erfordernissen entsprechend zu gestalten.

Der Senat weist im Übrigen darauf hin, dass keinerlei Bedenken daran bestehen, dass die Antragsgegnerin den Antragsteller aufgefordert hat, den Kontoauszug des für ihn bestehenden Bausparvertrages auch für das Jahr 2006 vorzulegen.

Denn wer Sozialleistungen beantragt oder erhält, hat nicht nur alle Tatsachen anzugeben, die für die Leistung erheblich sind, und auf Verlangen des zuständigen Leistungsträgers der Erteilung der erforderlichen Auskünfte durch Dritte zuzustimmen, vielmehr sind auch Beweismittel zu bezeichnen und auf Verlangen des zuständigen Leistungsträgers Beweisurkunden vorzulegen oder ihrer Vorlage zuzustimmen § 60 Abs. 1 Nr. 3 SGB I. Dass insoweit den Sozialhilfebehörden nicht nur das Recht, sondern auch die Verpflichtung zukommt, wie hier regelmäßig die V...

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