Entscheidungsstichwort (Thema)

Zurückverweisung des Rechtstreits an das Sozialgericht bei Verletzung des rechtlichen Gehörs

 

Orientierungssatz

1. § 62 SGG i. V. m. Art. 103 Abs. 1 GG garantieren den Verfahrensbeteiligten, dass sie Gelegenheit erhalten, sich zu dem einer Entscheidung zugrundeliegenden Sachverhalt vor Erlass der Entscheidung zu äußern.

2. Dem Gericht ist es nicht gestattet, unzumutbare Fristen zu setzen, die bei Anwendung der gebotenen Sorgfalt nicht sicher ausreichend sind.

3. Damit verletzt das Gericht zugleich die Pflicht zur Aufklärung des Sachverhalts. Erst bei Nichtaufklärbarkeit des Sachverhalts hat das Gericht im einstweiligen Rechtschutz im Wege der Folgenabwägung zu entscheiden.

4. Ist eine umfangreiche und aufwändige Beweisaufnahme i. S. des § 159 Abs. 1 Nr. 2 SGG notwendig, so kann das Landessozialgericht den Rechtstreit an das Sozialgericht zurückverweisen.

 

Tenor

Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des Sozialgerichts Düsseldorf vom 23.05.2019 aufgehoben. Das Verfahren wird an das Sozialgericht zurückverwiesen.

 

Gründe

I.

Die Antragsteller begehren im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die Verpflichtung der Antragsgegnerin zur Zahlung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II.

Der Antragsteller ist am 00.00.1956 geboren. Er beantragte am 21.02.2019 beim Antragsgegner Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Er gab an, bis Juni 2012 in Deutschland selbständig gewesen zu sein. In der Folge habe er bis Ende Dezember 2018 in den USA gelebt. Dort habe er ein Liquidationseinkommen aus seiner früheren GmbH bezogen und seine Ersparnisse aufgebraucht. Nebenbei habe er als freier Journalist gearbeitet, aber hieraus keine Einkünfte erzielt. Der Antragsteller fügte seinem Antrag einen am 20.11.2018 geschlossenen Mietvertrag über seine Wohnung in E bei. Vermieterin ist Frau T, gemäß den Angaben des Antragstellers eine frühere Angestellte. Der Antragsteller übergab dem Antragsgegner in der Folge ein Schreiben von Frau T vom 30.03.2019, in dem diese sich bereiterklärte, die Verpflichtung des Antragstellers zur Zahlung von Miete bis Ende März 2019 auszusetzen und die monatlichen Beiträge des Antragstellers zur privaten Krankenversicherung zu übernehmen. Beides könne für die Zukunft nicht mehr erfolgen, der Mietvertrag werde fristlos gekündigt. Eine Kontenabfrage des Antragsgegners beim Bundeszentralamt für Steuern ergab über die vom Antragsteller angegebenen Konten hinaus ein unbekanntes aktives Konto sowie eine Verfügungsberechtigung der Frau T über mehrere frühere und aktive Konten des Antragstellers. Aus einem vom Antragsteller eingereichten Schreiben der Schufa Holding AG geht hervor, dass dort neben der E Adresse des Antragstellers seit dem 20.03.2019 als Wohnadresse auch die E-Str. 00 in N gespeichert ist. Zudem wurde die Anschrift von Frau T in der I-Str. 00 in I 2011 auch als Adresse des Antragstellers gespeichert. Bei Ermittlungen des Außendienstes des Antragsgegners konnte der Antragsteller zwischen dem 24.04.2019 und dem 30.04.2019 an fünf Tagen zu unterschiedlichen Uhrzeiten nicht unter seiner E Adresse angetroffen werden.

Im Laufe des Verwaltungsverfahrens forderte der Antragsgegner den Antragsteller mehrfach, zuletzt mit Schreiben vom 16.04.2019, unter Fristsetzung bis zum 30.04.2019 und Verweis auf die Rechtsfolgen der Vorschrift des § 66 SGB I zu diversen Angaben und zur Einreichung von Unterlagen auf. Der Antragsteller beantragte mit Schreiben vom 30.04.2019 zunächst eine Fristverlängerung bis zum 15.05.2019. Mit Schreiben vom 06.05.2019 beantwortete der Antragsteller einige vom Antragsgegner gestellte Fragen. Zu Fragen des Antragsgegners zur Finanzierung seines Lebensunterhalts ab 2012 und zu seiner Finanzierung durch Freunde bzw Verwandte teilte der Antragsteller mit, dass entsprechende Fragestellungen rechtswidrig seien.

Am 20.05.2019 hat der Antragsteller beim Sozialgericht Düsseldorf eine Verpflichtung des Antragsgegners zur Zahlung von Leistungen im Wege der einstweiligen Anordnung beantragt. Das Sozialgericht hat mit der Eingangsverfügung vom 20.05.2019 den Antragsteller mit Fristsetzung bis zum 23.05.2019, 10 Uhr, aufgefordert, dazu Stellung zu nehmen, wovon er seit Januar 2019 lebe, und eine eidesstattliche Versicherung zu seinen Vermögensverhältnissen zu übersenden. Zudem habe er eine ladungsfähige Adresse anzugeben. Das Sozialgericht hat den Antragsgegner mit der Eingangsverfügung unter Hinweis auf § 104 Abs. 4 SGG zur Antragserwiderung und Aktenübersendung ebenfalls bis zum 23.05.2019, 10 Uhr, aufgefordert. Der Antrag ist dem Antragsgegner gemäß Sendebericht um 13.55 Uhr per Fax übermittelt worden. Einem am 22.05.2019 übermittelten Original des Antrags waren das Schreiben der Frau T vom 30.03.2019 und ein Kontoauszug des Antragstellers beigefügt. Der Antragsteller hat mit am 23.05.2019, 9.44 Uhr beim Sozialgericht eingegangenen Fax eidesstattlich versichert, über kein Vermögen zu verfügen. Die Sicherstellung seines Lebensunterh...

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