Entscheidungsstichwort (Thema)
Anforderungen an die Rechtsfolgenbelehrung bei Erlass eines Sanktionsbescheides. Absenkung. Eingliederungsvereinbarung. Prozesskostenhilfe
Leitsatz (redaktionell)
1. Bestehen bei einem einheitlichen Streitgegenstand teilweise Erfolgsaussichten, ist Prozesskostenhilfe vollständig für das gesamte Verfahren zu bewilligen.
2. Eine Absenkung von Leistungen gemäß § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB II setzt eine konkrete, verständliche, richtige und vollständige Rechtsfolgenbelehrung voraus. Daran fehlt es, wenn der Hilfebedürftige nicht erkennen kann, ob eine ungenehmigte Ortsabwesenheit nur für deren Dauer Konsequenzen hat oder ob sie zusätzlich zu einer Sanktion nach § 31 SGB II führt.
Orientierungssatz
1. Die aufschiebende Wirkung der Klage gegen einen nach § 31 SGB 2 ergangenen Sanktionsbescheid ist anzuordnen, wenn mehr gegen als für die Rechtmäßigkeit der Eingriffsentscheidung spricht. Ist die Belehrung nach § 31 Abs. 1 SGB 2 nicht ausreichend konkret, verständlich, richtig und vollständig gewesen, so ist einstweiliger Rechtsschutz gegen den Sanktionsbescheid zu gewähren.
2. Auch eine nur teilweise Erfolgsaussicht führt bei einem einheitlichen Streitgegenstand zur vollständigen Bewilligung der Prozesskostenhilfe.
Normenkette
SGB II § 31 Abs. 1; SGG § 73a Abs. 1, § 86a Abs. 1 S. 1 Nr. 2, Abs. 2 S. 2; ZPO § 114
Tenor
Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Dortmund vom 19.01.2009 geändert. Der Antragstellerin wird für das sozialgerichtliche Verfahren Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt H ratenfrei bewilligt.
Gründe
Die Antragsgegnerin bewilligte der Antragstellerin in Bedarfsgemeinschaft mit ihrem Ehemann und den gemeinsamen Kindern Grundsicherungsleistungen für Erwerbsfähige nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für die Zeit vom 01.05. bis 31.10.2008 (Bescheid vom 18.04.2008, Änderungsbescheid vom 21.05.2008). Nachdem die Antragstellerin nach einer bis zum 27.07.2008 genehmigten Ortsabwesenheit (Aufenthalt im Heimatland Türkei) sich nicht am 28.07.2008 trotz entsprechender Eingliederungsvereinbarung zurückgemeldet hatte, senkte die Antragsgegnerin die bewilligten Leistungen für die Zeit vom 01.10. bis 31.12.2008 um monatlich 30 v.H. (insgesamt 95,00 EUR) ab.
Das hiergegen mit dem Antrag, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen diesen Bescheid anzuordnen, angerufene Sozialgericht (SG) Dortmund hat einstweiligen Rechtsschutz abgelehnt, weil die Antragstellerin gegen ihre Pflicht aus der Eingliederungsvereinbarung verstoßen habe und nicht ausgeschlossen sei, dass ihr die Einhaltung ihrer Obliegenheit zur rechtzeitigen Rückmeldung möglich gewesen sei.
Die gegen die gleichzeitige Ablehnung von Prozesskostenhilfe durch das SG gerichtete Beschwerde ist zulässig und begründet.
Entgegen der Ansicht des SG hat das Begehren der Antragstellerin auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs gegen den Sanktionsbescheid hinreichende Aussicht auf Erfolg i.S. der §§ 73a Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG), 114 Zivilprozessordnung (ZPO) geboten.
Die aufschiebende Wirkung wäre gemäß § 86b Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGG anzuordnen gewesen, weil mehr gegen als für die Rechtmäßigkeit der Eingriffsentscheidung der Antragsgegnerin spricht. Aufgrund der der Antragstellerin am 03.07.2008 erteilten Rechtsfolgenbelehrung im Zusammenhang mit der Ergänzung der Eingliederungsvereinbarung vom 17.04.2008 ergeben sich entsprechende Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Herabsetzungsentscheidung der Antragsgegnerin. Die Belehrung nach § 31 Abs. 1 SGB II muss konkret, verständlich, richtig und vollständig sein (BSG Urt. v. 16.12.2008 - B 4 AS 60/07 R - Rn 36). Daran bestehen hier erhebliche Zweifel, weil die Antragstellerin zum einen darauf hingewiesen wurde, dass ab dem 22. Tag nach der Ortsabwesenheit der Anspruch auf Arbeitslosengeld II entfalle. Gleichzeitig war der Vereinbarung der Gesetzeswortlaut des § 31 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB II beigefügt. Damit war für die Antragstellerin aber schon nicht mehr zweifelsfrei erkennbar, ob die Überschreitung der genehmigten Ortsabwesenheit nur für deren Dauer Konsequenzen nach sich ziehen sollte oder zusätzlich der Sanktionstatbestand im genannten Sinne des § 31 Abs. 1 S. 1 SGB II infolge einer Verletzung der aus der Eingliederungsvereinbarung folgenden Pflichten verwirklicht werde.
Ob darüber hinaus wichtige Gründe für das Verhalten der Antragstellerin vorgelegen haben - insoweit haben die Antragsgegnerin und das SG auch unter Berücksichtigung des Verdachts einer "Urlaubsverlängerung" nicht berücksichtigt, dass die Antragstellerin nicht allein über die Nutzung eines PKW entscheiden und die Rückreise mit anderen Verkehrsmitteln u.U. erhebliche Kosten verursacht hätte -, kann daher dahin stehen.
Ob auch die Voraussetzungen für den Erlass einer Regelungsanordnung i.S. des § 86 Abs. 2 S. 2 SGG, die mangels Eingriffs in eine bereits erfolgte Leistungsbewilligung für die Zeit ab 01.11.2008 zusätzlich hätte beantragt werden müs...