Entscheidungsstichwort (Thema)

Einstweiliger Rechtsschutz. Arbeitslosengeld II. Unterkunft und Heizung. darlehensweise Übernahme von Energieschulden. Stromsperrung

 

Orientierungssatz

1. Auch Energieschulden können im Rahmen des § 22 Abs 8 SGB 2 vom Grundsicherungsträger darlehensweise übernommen werden. Die Sperrung der Energieversorgung ist eine Notlage, welche die Bewohnbarkeit der Wohnung beeinträchtigt und die Notwendigkeit von Maßnahmen zur Sicherung der Unterkunft iS von § 22 Abs 8 SGB 2 indiziert. Ist die Sperrung bereits durchgeführt, so entspricht dies drohender Wohnungslosigkeit.

2. Die Schuldenübernahme kommt nur in Betracht, wenn diese objektiv geeignet ist, die Energieversorgung dauerhaft zu sichern und der Leistungsberechtigte die zumutbaren Selbsthilfemöglichkeiten ausgeschöpft hat.

3. Hinsichtlich der rückständigen Energiekosten kann der Hilfebedürftige regelmäßig nicht auf zivilrechtlichen Eilrechtsschutz verwiesen werden. Denn der Energieversorgungsträger ist zu einer Wiederaufnahme der unterbrochenen Energieversorgung erst dann verpflichtet, wenn zuvor die gesamten rückständigen Energiekosten getilgt worden sind.

4. Allein die Tatsache, dass der Hilfebedürftige die Entstehung der Rückstände möglicherweise zu einem nicht unerheblichen Teil selbst verursacht hat, steht einer Schuldenübernahme nicht entgegen.

 

Tenor

Auf die Beschwerden der Antragsteller wird der Beschluss des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 03.06.2013 geändert. Der Antragsgegner wird verpflichtet, den Antragstellern für die Forderung aus Energieschulden in Höhe von 8551,23 EUR vorläufig ein Darlehen zu gewähren. Die Zahlung von 8551,23 EUR ist unmittelbar an die F zu leisten. Zudem wird der Antragsgegner verpflichtet, vorläufig ein Darlehen für die Kosten für den Wiederanschluss an die Stromversorgung zu gewähren. Den Antragstellern wird Prozesskostenhilfe für das erstinstanzliche Verfahren sowie für das Beschwerdeverfahren unter Beiordnung von Rechtsanwalt T aus I bewilligt. Der Antragsgegner trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Antragsteller in beiden Rechtszügen.

 

Gründe

Die Beteiligten streiten über die darlehensweise Übernahme von Heiz- und Stromschulden der Antragsteller bei der F Energie GmbH (F) in Höhe von 8551,23 EUR durch den Antragsgegner.

Der Antragsteller und die Antragstellerin sind miteinander verheiratet und waren bis 2012 Eigentümer eines Mehrfamilienhauses in der D-straße 00 in H. Sie bewohnten mit ihren drei Kindern E (geb. 1992), E (geb. 1999) und T (geb. 2006) eine Wohnung in dieser Immobilie, die anderen Wohnungen waren vermietet. Derzeit wohnen sie in der D-straße 00 und stehen im Leistungsbezug bei dem Beklagten.

Am 07.05.2013 stellten die Antragsteller beim Antragsgegner einen Antrag auf Übernahme rückständiger Stromschulden zur Beseitigung einer Stromsperre. Nach Aktenlage liegt keine Entscheidung des Antragsgegners vor.

Nach der vom Senat angeforderten Auskunft der F vom 08.08.2013 bestehen Strom- und Heizkostenrückstände, die das frühere Eigentum der Antragsteller betreffen und tituliert sind. Die Forderungen betreffen Rückstände der Antragsteller und der Mieter, wobei bei den rückständigen Heizkosten die Antragsteller als damalige Eigentümer eine vertraglich vereinbarte Haftung bei Nichtzahlung der Mieter trifft. Ergänzend betont die F, dass vorliegend eine Ratenzahlung nicht akzeptiert wird, Prepaid-Karten nicht angeboten werden und dass die Stromzufuhr in der derzeit bewohnten Unterkunft seit dem 24.04.2013 unterbrochen ist.

Am 10.05.2013 haben die Antragsteller einen Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes gestellt und die Übernahme der Stromrückstände in Höhe von 8551,23 EUR sowie die der Kosten für den Wiederanschluss an die Stromversorgung als Darlehen begehrt. Zur Begründung haben die Antragsteller darauf hingewiesen, dass die Antragstellerin wegen einer Lungenerkrankung, die mit einem Attest vom 12.04.2013 nachgewiesen wurde, u.a. eine Therapie mittels eines elektrisch betriebenen Inhalationsgerätes benötige. Zudem könne weder auf eine finanzielle Hilfe von Verwandten noch - wegen eines Schufa-Eintrages - auf einen Kredit zurückgegriffen werden.

Die Antragsgegnerin hat eingewandt, eine Übernahme komme nicht in Betracht, da die Stromschulden nicht Folge der Nichtzahlung für den Eigenverbrauch sei. Ein Einstehen der Allgemeinheit komme daher nicht in Betracht. Es könne nur um Schulden aus dem Eigenverbrauch gehen. Zudem sei die Antragstellerin wegen ihrer gesundheitlichen Situation im Hinblick auf § 19 Abs. 2 S. 2 der Verordnung über die allgemeinen Bedingungen für die Grundversorgung von Haushaltskunden und die Ersatzversorgung mit Elektrizität aus dem Niederspannungsnetz gehalten, die Unzulässigkeit der Unterbrechung der Stromzufuhr in einem zivilrechtlichen Eilverfahren gegenüber der F geltend zu machen.

Das Sozialgericht Gelsenkirchen hat den Antrag mit Beschluss vom 03.06.2013 zurückgewiesen und zur Begründung ausgeführt, dass eine Übernahme nach § 22 Abs. 8 Sozialgesetzbuch...

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