Entscheidungsstichwort (Thema)
Aussetzung der sofortigen Vollziehung eines Beitragsbescheides. Aufschiebende Wirkung. Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit. Erfolgsaussicht. Unbillige Härte. Höhe der Beitragsforderung
Orientierungssatz
1. Bei der Entscheidung über Beitragspflichten entfällt die aufschiebende Wirkung von Widerspruch und Klage. Die aufschiebende Wirkung ist anzuordnen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen.
2. Ernsthafte Zweifel bestehen, wenn bei summarischer Prüfung ein Erfolg der Klage im Hauptsacheverfahren wahrscheinlicher ist als ein Misserfolg. Ein offener Ausgang des Rechtsstreits genügt nicht.
3. Die aufschiebende Wirkung ist auch dann anzuordnen, wenn die Vollziehung des Beitragsbescheides eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte darstellt. Allein die Höhe der Beitragsforderung führt nicht zur Annahme einer besonderen Härte.
Normenkette
SGG § 86a Abs. 1 S. 1, Abs. 2 Nr. 1, Abs. 3 S. 2, § 86b Abs. 1 S. 1 Nr. 2
Tenor
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Münster vom 27. Juni 2006 wird zurückgewiesen. Die Antragstellerin trägt auch die Kosten des Beschwerdeverfahrens. Der Streitwert wird auf 117.339 EUR festgesetzt.
Gründe
I.
Streitig ist die Vollziehbarkeit einer Betragsnachforderung der Antragsgegnerin (AG in).
Die Antragstellerin (ASt in), die im Bereich Industriemontagen und Anlagenbau tätig wird, ist eine Zweigniederlassung der jugoslawischen Fa. T D. O. O. mit Sitz in E, Serbien. Die Niederlassung in Münster wurde am 16.10.1992 in das vom Bundeshandelsministerium der Bundesrepublik Jugoslawien geführte Register der Geschäftseinheiten im Ausland eingetragen. 1994 erfolgte eine Umwandlung des privaten Unternehmens in eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung (D. O. O.) mit entsprechender Eintragung der Statusänderung in das Register. Die Niederlassung in Münster wird unter der Bezeichnung "T D. O. O. E" geführt. Seit 1992 sei die ASt in auch im Handelsregister des Amtsgerichts Münster sowie in die Handwerksrolle der Handwerkskammer Münster eingetragen, und zwar zunächst mit dem Installateur- und Heizungsbauer-Handwerk, seit 1997 mit dem Metallbauer-Handwerk. Alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer sowie Betriebsleiter ist N E.
Im Jahre 2001 führte die AG’in in der Zweigniederlassung Münster, betreffend den Zeitraum vom 01.12.1995 bis zum 31.12.2000, eine Betriebsprüfung durch. Mit Bescheid vom 04.02.2002 stellte sie eine Beitragsnachforderung in Höhe von 469.354,55 EUR fest. Dabei ging die AG in von einer Versicherungs- und Beitragspflicht bei insgesamt fünfzehn Beschäftigten in der deutschen Sozialversicherung aus. Die Voraussetzungen einer Entsendung im Sinne einer Einstrahlung nach § 5 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV) sah die AG in nicht verwirklicht; denn die Arbeitnehmer würden konzernintern tätig und die inländische Tochtergesellschaft sei eine juristische Person, die das Arbeitsentgelt für die in ihren Betrieb eingegliederten Arbeitnehmer gezahlt habe. Des Weiteren stützte die AG in ihre Entscheidung auf die ihrer Auffassung nach bestehende Beitragspflicht zur deutschen Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung sowie zur Umlage der Arbeitgeber aus steuerpflichtig gezahlten Reisekosten für die Jahre 1995 bis 1999. Den Antrag auf Aussetzung der sofortigen Vollziehung des Beitragsbescheides, den die ASt in parallel zur Einlegung des Widerspruchs gestellt hatte, lehnte die AG in mit Bescheid vom 06.03.2002 ab.
Daraufhin setzte das Sozialgericht mit Beschluss vom 04.11.2002 die sofortige Vollziehung des Bescheides vom 04.02.2002 aus. Zur Begründung führte das Sozialgericht aus, die Vollziehung des durch Einlegung des Widerspruchs angefochtenen Bescheides stelle eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen zu rechtfertigende Härte für die ASt in dar. Bei summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage könne eine offensichtliche Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides nicht festgestellt werden. Die Erfolgsaussichten des Widerspruchs ließen sich derzeit nicht absehen. Es bedürfe dazu weiterer umfangreicher Ermittlungen. Auch habe die ASt in unwidersprochen vorgetragen, dass die AG in den Status als Entsandte der betroffenen Arbeitnehmer seit Jahren anerkannt und Ersatzausweise nach § 109 Abs. 2 SGB IV ausgestellt habe. Zudem sei der Nachzahlungsbetrag nach dem vorläufigen Jahresabschluss der Zweigniederlassung Münster für das Jahr 2001 nicht gedeckt. Die Zahlung des geltend gemachten Betrages habe mit hoher Wahrscheinlichkeit die Insolvenz der ASt in zur Folge. Diese Nachteile seien nicht wieder gutzumachen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 11.08.2005 wies die AG in den Widerspruch der ASt in gegen den Beitragsbescheid als unbegründet zurück. Während des Vorverfahrens wertete die AG in zahlreiche weitere Unterlagen aus, u. a. der Bearbeitungsstelle zur Bekämpfung der illegalen Beschäftigung bei der Arbeitsagentur Münster, d...