Entscheidungsstichwort (Thema)
Einstweiliger Rechtsschutz gegen eine Beitragsnachforderung
Orientierungssatz
1. Bei der Entscheidung über Beitragspflichten im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes entfällt regelmäßig die aufschiebende Wirkung von Widerspruch und Klage. Nur wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen oder wenn die Vollziehung eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte, ist ausnahmsweise die aufschiebende Wirkung anzuordnen.
2. Im Zweifel sind Beiträge zunächst zu erbringen. Das Risiko, im Ergebnis in Vorleistung treten zu müssen, trifft den Zahlungspflichtigen. Erscheint die Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Beitragsforderung offen, so ist einstweiliger Rechtsschutz zu versagen.
3. Allein die Höhe der Beitragsforderung und die mit der Zahlung verbundenen wirtschaftlichen Konsequenzen führen zu keiner unbilligen Härte, weil es sich lediglich um die Erfüllung gesetzlich auferlegter Pflichten handelt.
Tenor
Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Aachen vom 09.03.2006 geändert. Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 08.08.2005 in der Gestalt des Änderungsbescheides vom 10.11.2005 wird abgelehnt. Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.
Gründe
I. Streitig ist die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers (ASt.) gegen eine Beitragsnachforderung der Antragsgegnerin (AG in).
Der 1950 geborene ASt. und seine Ehefrau waren in der Zeit vom 23.05.1980 bis zum 30.09.2005 Pächter einer landwirtschaftlichen Fläche von 16,95 ha Größe in B. Seit dem 01.10.1991 waren 4,5 ha unterverpachtet. Auf dem Grundstück betrieben der ASt. und seine Ehefrau eine Pferdepension. Sie betreuten ca. 25 Fremdpferde, die tagsüber auf der ca. 2,5 ha großen Hausweide grasten. Die Restfläche diente der Erwirtschaftung von Heu für die Grasfütterung. Zusätzlich musste Kraftfutter zugekauft werden. Seit 2001 half der heute 23-jährige Sohn N des ASt. in der Pferdepension mit, ab Juli 2003 leitete er den Betrieb kommissarisch, ab 2004 flossen ihm die Gewinne der Pferdepension zu. Der Pachtvertrag wurde zum 01.10.2005 auf ihn umgeschrieben.
Bis zum 21.03.2003 war der ASt. als kaufmännischer Angestellter gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) kranken- und pflegeversichert.
Mit Bescheid vom 08.08.2005 stellte die AG in ab dem 22.03.2003 die Mitgliedschaft des ASt. in der landwirtschaftlichen Kranken- und Pflegeversicherung fest. Gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 des Zweiten Gesetzes über die Krankenversicherung der Landwirte (KVLG 1989) bestehe für landwirtschaftliche Unternehmer, deren Unternehmen die Mindestgröße in Sinne des Gesetzes über die Alterssicherung der Landwirte (ALG) erreiche, Versicherungspflicht in der Krankenversicherung der Landwirte. Diese Voraussetzungen erfülle der ASt. seit dem 22.03.2003. Seit diesem Zeitpunkt bestehe keine gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 1 KVLG 1989 vorrangige Pflichtversicherung gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V mehr; die Pflichtversicherung als Rentenantragsteller - der ASt. hatte einen Antrag auf Bewilligung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung gestellt, die auch bewilligt wurde - gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 12 SGB V sei im Verhältnis zur Pflichtversicherung gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 KVLG 1989 subsidiär. Der Beitragsrückstand betrage bis zum 31.07.2005 6.302,04 EUR. Ab dem 1.08.2005 seien monatlich 173 EUR Kranken- und 21,52 EUR Pflegeversicherungsbeitrag zu entrichten.
Der ASt. machte mit dem dagegen gerichteten Widerspruch (Schreiben vom 11.08.2005) geltend, es bestehe keine Pflichtversicherung in der landwirtschaftlichen Krankenversicherung; denn er sei kein landwirtschaftlicher Unternehmer, sondern Hobby-Landwirt gewesen. Zugleich hat er bei dem Sozialgericht Aachen im Rahmen des am 28.09.2005 eingeleiteten einstweiligen Rechtsschutzverfahrens ergänzend vorgetragen, Weidung und Grasfütterung seinen nicht unbedingt erforderlich gewesen. Er habe die Pensionspferde auch ausschließlich mit gekauftem Kraftfutter ernähren können. Deshalb fehle es an dem Status eines landwirtschaftlichen Unternehmers. Hilfsweise hat der ASt. vorgetragen, seine wirtschaftlichen Verhältnisse erlaubten keine Zahlung der Beiträge. Er beziehe monatlich 494,22 EUR netto Rente wegen Erwerbsminderung. Für 2003 sei ein zu versteuerndes Einkommen von 9.455 EUR festgestellt worden.
Der ASt. hat sinngemäß schriftsätzlich beantragt,
die aufschiebende Wirkung seines Widerspruchs gegen den Bescheid der AG in vom 08.08.2005 in der Gestalt des Änderungsbescheides vom 10.11.2005 anzuordnen.
Die AG in hat schriftsätzlich beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Zur Begründung hat sie auf den ihrer Auffassung nach rechtmäßigen Beitragsbescheid Bezug genommen. Die Voraussetzungen des § 86b Abs. 1 S. 1 Nr. 2, S. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) seien nicht erfüllt. Der ASt. werde seit Jahren aufg...