Entscheidungsstichwort (Thema)

Beschwerderecht im sozialgerichtlichen Verfahren. Anwendbarkeit der Wertgrenzen für Beschwerdeverfahren ab dem 1.4.2008. Zulässigkeit einer Nichtzulassungsbeschwerde bei Unterschreitung des Beschwerdewertes

 

Orientierungssatz

1. Für die Beurteilung der Frage, ob ein Rechtsmittel zulässig ist, ist auf das im Zeitpunkt seiner Einlegung geltende Recht abzustellen, soweit sich im Falle einer Gesetzesänderung aus dem Änderungsgesetz nichts anderes ergibt. Die durch das Gesetz zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes und des Arbeitsgerichtsgesetzes vom 26.03.2008 eingeführten Einschränkungen des Beschwerderechts für solche Streitverfahren, die einen bestimmten Mindestwert nicht überschreiten, sind auf alle ab dem 1.4.2008 eingelegten Beschwerden anwendbar.

2. Bei Unterschreitung des für die Berufung maßgeblichen Berufungsstreitwerts ist auch im sozialgerichtlichen Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes eine Nichtzulassungsbeschwerde nicht gegeben.

 

Tenor

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Düsseldorf vom 18.03.2008 wird als unzulässig verworfen. Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

Die am 21.04.2008 eingelegte Beschwerde der Antragstellerin ist nicht statthaft und damit unzulässig.

Gemäß § 172 Abs. 3 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in der ab dem 01.04.2008 geltenden Fassung (Gesetz zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes und des Arbeitsgerichtsgesetzes vom 26.03.2008 - BGBl. I, S. 417), der ohne Übergangsvorschrift ab diesem Zeitpunkt in Kraft getreten ist, ist die Beschwerde in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ausgeschlossen, wenn in der Hauptsache die Berufung nicht zulässig wäre. Die Beschwerde ist somit nur dann statthaft, wenn ihr Wert den für die Berufung maßgebenden Betrag von mindestens 750,01 Euro (§ 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG in der seit dem 01.04.2008 geltenden Fassung) erreicht.

Dies ist nicht der Fall. Streitgegenstand ist die mit Teilaufhebungsbescheid vom 05.11. 2007 verfügte Absenkung der Regelleistung um 30 v. H. monatlich für die Zeit vom 01.12. 2007 bis zum 29.02.2008, woraus sich eine Absenkung i.H.v. 104,- Euro monatlich ergibt. Streitig ist damit die Rechtmäßigkeit der Absenkung i.H.v. 104,- Euro für drei Monate, was einen Beschwerdestreitwert von 312,- Euro ergibt. Damit ist der Beschwerdewert nicht erreicht, weshalb die Beschwerde unstatthaft ist.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass der Beschluss des Sozialgerichts vom 18.03.2008 datiert. Dies folgt daraus, dass das Gesetz zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes und des Arbeitsgerichtsgesetzes vom 26.03.2008 gemäß dessen Artikel 4 am 01.04.2008 in Kraft getreten ist, so dass ab diesem Tag eingelegte Beschwerden unstatthaft sind. Sowohl dafür nämlich, ob ein Rechtsmittel form- und fristgerecht eingelegt worden ist, als auch für die Frage, ob und welches Rechtsmittel gegeben ist, muss auf das im Zeitpunkt von dessen Einlegung, hier also auf das am 21.04.2008 geltende Recht abge-stellt werden, soweit sich weder aus dem Änderungsgesetz noch aus allgemeinen Grund-sätzen des Prozessrechts etwas anderes ergibt (Meyer-Ladewig in Meyer-Ladewig u.a., 8. Auflage, 2005, Rn. 10 d und 10 e vor § 143 SGG). Aus Artikel 4 des genannten Änderungsgesetzes ergibt sich gerade nichts anderes, da dieses - und damit auch § 172 Abs. 3 Nr. 1 SGG - ohne Übergangsvorschrift am 01.04.2008 in Kraft getreten ist.

Eine Fortgeltung der bis zum 31.03.2008 geltenden Rechtslage, nach der Beschwerden gegen sozialgerichtliche Entscheidungen in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ohne Beschränkung auf den Berufungsstreitwert statthaft waren, ergibt sich auch nicht aus den Grundsätzen des intertemporalen Prozessrechts. Nach diesen Grundsätzen sind geänderte Verfahrensvorschriften grundsätzlich vom Zeitpunkt ihres Inkrafttretens an in noch nicht abgeschlossenen Verfahren anzuwenden, wenn Übergangsvorschriften fehlen und die Beteiligten nach bisherigem Verfahrensrecht noch keine schutzwürdige Position erlangt haben, die es nach dem neuen Verfahrensrecht nicht mehr gibt. Abgeschlossene Prozesshandlungen, z.B. die Einlegung eines Rechtsbehelfs, werden von später in Kraft tretenden Gesetzen nur erfasst, wenn das ausdrücklich gesagt ist. Im Übrigen müssen die Beteiligten grundsätzlich mit einer Änderung des Prozessrechts in einem noch anhängigen Verfahren rechnen, zumal das Vertrauen eines Beteiligten in den Fortbestand verfahrensrechtlicher Regelungen von der Verfassung weniger geschützt ist als das Vertrauen in die Aufrechterhaltung materieller Rechtspositionen (Meyer-Ladewig, a.a.0., Rn. 10 e vor § 143 SGG; Straßfeld in Jansen, SGG, 2. Auflage, 2005, Rn. 7 für Artikel 17 6. SGGÄndG).

Damit garantieren auch die Grundsätze des intertemporalen Prozessrechts unter weiteren Voraussetzungen in der Regel allenfalls die Fortgeltung bisherigen Prozessrechts in bereits unter der Geltung des alten Prozessrechts in der jeweiligen Instanz anhängig gemachten Verfahren (vgl. dazu BSG, Urteil vom 21.04....

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