Entscheidungsstichwort (Thema)
Kostenentscheidung des Gerichts bei Beendigung des Verfahrens anders als durch Urteil oder Beschluss
Orientierungssatz
1. Endet das gerichtliche Verfahren anders als durch Urteil oder Beschluss, so ist die Kostenentscheidung nach § 193 SGG nach sachgemäßem Ermessen zu treffen. Dabei sind alle Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen. Wesentlich sind die Erfolgsaussichten einer Klage und die Frage, wer Anlass für die Klageerhebung gegeben hat.
2. Waren zum Zeitpunkt der Erhebung einer Untätigkeitsklage deren gesetzliche Voraussetzungen erfüllt, so sind dem Beklagten die außergerichtlichen Kosten des Klägers aufzuerlegen. Dies ist dann der Fall, wenn der Beklagte ohne zureichenden Grund innerhalb von sechs Monaten seit Antrag bzw.seit drei Monaten nach Widerspruchseinlegung keinen Bescheid erlassen hat.
Tenor
Die Beklagte trägt die erstattungsfähigen außergerichtlichen Kosten des Klägers in beiden Rechtszügen.
Gründe
I.
Am 31.12.2007 hat der Kläger gegen die Beklagte Untätigkeitsklage mit dem Ziel erhoben, eine Entscheidung der Beklagten über einen von ihm geltend gemachten Anspruch auf Zahlung von Krankengeld über den 07.03.2004 hinaus zu erlangen. Der Rechtsstreit endete im August 2010 durch Teilanerkenntnis der Beklagten, dessen Annahme durch den Kläger und dessen Erklärung, der Rechtsstreit sei in der Hauptsache erledigt. In der Sache haben sich die Beteiligten darauf verständigt, dass die Beklagte über den Widerspruch des Klägers gegen die Bescheide der Beklagten vom 03.03.2004 und 30.03.2004 entscheidet.
Der Kläger stellt Kostenantrag.
II.
Nach Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache ist, wenn das Verfahren "anders", d.h. nicht durch Urteil oder Beschluss, beendet wurde, die Kostenentscheidung gem. § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG) nach sachgerechtem Ermessen zu treffen. Zu berücksichtigen sind dabei alle Umstände des Einzelfalls. Wesentlich sind grundsätzlich die Erfolgsaussichten der Klage und die Frage, wer Anlass für die Klageerhebung gegeben hat (u.a. Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen (LSG NRW) vom 17.01.2003 - L 10 B 20/02 KA -, vom 26.10.2005 - L 10 B 10/05 SB -, vom 22.03. 2006 - L 10 B 17/05 SB -, vom 18.08.2006 - L 10 B 5/06 SB -). Hierzu rechnet die falsche Sachbehandlung, eine fehlende oder fehlerhafte Begründung des Bescheides, unrichtige Beratung oder unzutreffende Rechtsmittelbelehrung (LSG NRW vom 18.01.1999 - L 10 B 9/98 - und vom 28.05.1999 - L 10 B 6/99 P -). Gleichermaßen ist das Verhalten des Klägers zu würdigen (z.B. verspätete Vorlage einer Vollmacht oder unzureichender Sachvortrag). Abweichend vom Zivil- und vom Verwaltungsgerichtsprozess sind die Gründe für die Klageerhebung und für die Erledigung des Rechtsstreits auch dann im Rahmen der Kostengrundentscheidung zu berücksichtigen, wenn der Kläger letztlich mit seinem Begehren nicht durchgedrungen ist (Zeihe, SGG, § 193 Rdn. 7h; LSG NRW vom 13.09.1999 - L 10 B 15/99 P - und vom 14.03.2000 - L 10 B 1/00 SB -). Für die Kostenentscheidung wesentlich ist im Übrigen, ob sich die Sach- und Rechtslage nach Erlass des Bescheides geändert hat; trägt ein Beteiligter dem sofort Rechnung, hat er ggf. keine Kosten zu tragen (vgl. Strassfeld in Jansen, Sozialgerichtsgesetz, 3. Auflage, § 193 Rn. 10; Zeihe, SGG, § 193 Rdn. 7h; LSG Rheinland-Pfalz vom 04.12.1998 - L 7 B 78/98 - sowie LSG Schleswig-Holstein in NZS 1997, 392; LSG NRW vom 16.08.1999 - L 10 B 11/99 P -, 13.09.1999 L 10 B 15/99 P -, 30.03.2001 - L 10 B 2/01 SB - und vom 09.08.2004 - L 10 B 11/04 SB -).
Davon ausgehend ist es im Rahmen der gebotenen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der Erledigung des Rechtsstreits sachgerecht, der Beklagten die in beiden Rechtszügen entstandenen, erstattungsfähigen außergerichtlichen Kosten des Klägers aufzuerlegen; denn im Ergebnis hätte die Untätigkeitsklage des Klägers Erfolg gehabt.
Der Auffassung des Sozialgerichts (SG) Dortmund in seinem Urteil vom 20.10.2009, einer Untätigkeitsklage stehe schon entgegen, dass die Beklagte mit Schreiben vom 03.03.2004 und 30.03.2004 verbindlich festgestellt habe, dass dem Kläger - aufgrund erneuter Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen für die Zeit vom 13.02.2004 bis 05.4.2004 - kein über den 07.03.2004 hinausgehender Anspruch auf Krankengeld zustehe, ist nicht zu folgen. Dieser Auffassung steht der Wortlaut der Schreiben entgegen:
Im Schreiben vom 30.03.2004 heißt es abschließend:
"Da uns leider keine aktuellen ärztliche Befunde, Beschwerde- oder Verlaufsbeschreibungen eingereicht wurden, haben wir die Unterlagen dem Medizinischen Dienst der Krankenversicherung nicht noch einmal vorgelegt, da die Stellungnahme von dort bereits erfolgte.
Es verbleibt bei unserem Bescheid vom 03.03.2004."
Das in Bezug genommene Schreiben vom 03.03.2004 endet mit:
"Wir erkennen daher Ihre weitere Arbeitsunfähigkeit vorerst bis 07.03.2004 an.
Bitte reichen Sie uns umgehend weitere ärztliche Unterlagen (aktuelle Befunde, Beschwerde- und Verlaufsbeschreibungen) ein, damit wir ern...