Entscheidungsstichwort (Thema)
Sanktion des Grundsicherungsberechtigten bei Verletzung der in einer Eingliederungsvereinbarung auferlegten Pflichten
Orientierungssatz
1. Kommt der Leistungsempfänger des SGB 2 den ihm in der Eingliederungsvereinbarung nach § 15 SGB 2 auferlegten Pflichten nicht nach, obwohl es ihm subjektiv möglich und zumutbar i. S. des § 10 SGB 2 ist, so erfüllt er den Sanktionstatbestand des § 31 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB 2.
2. Leistungsempfängern sind, unabhängig von ihrer schulischen und beruflichen Bildung, grundsätzlich alle Arbeiten zur Überwindung ihrer Hilfebedürftigkeit zumutbar.
3. Bei einer wiederholten Pflichtverletzung i. S. von § 31a Abs. 1 S. 3 SGB 2 entfällt der Anspruch auf Leistungen der Grundsicherung in vollem Umfang.
4. Die gesetzliche Regelung ist verfassungsgemäß.
Tenor
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Duisburg vom 03.09.2015 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten des Antragsstellers sind auch im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.
Gründe
Die Beschwerde ist zulässig, aber unbegründet.
Die Beschwerde ist statthaft. Der Beschwerdeausschluss des § 172 Abs. 3 Nr. 1 SGG greift nicht ein, da Streitgegenstand die Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen den Aufhebungsbescheid vom 21.07.2013 ist, mit dem die Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für August 2015 i.H.v. 752,88 EUR wegen der Verhängung einer Sanktion mit Wirkung für die Zukunft aufgehoben wird.
Die Beschwerde ist unbegründet.
Bei der Entscheidung über die Anordnung der aufschiebenden Wirkung hat das Gericht eine Abwägung des Interesses des Antragstellers, die Wirkung des angefochtenen Bescheides (zunächst) zu unterbinden (Aussetzungsinteresse) mit dem Vollzugsinteresse vorzunehmen. Die aufschiebende Wirkung ist anzuordnen, wenn das Aussetzungsinteresse das Vollzugsinteresse überwiegt. Bei der Interessenabwägung ist zu berücksichtigen, dass der Gesetzgeber in der vorliegenden Fallgestaltung ein Regel-/Ausnahmeverhältnis angeordnet hat. In der Regel überwiegt das Vollzugsinteresse, wenn der Gesetzgeber die aufschiebende Wirkung von Rechtsbehelfen ausgeschlossen hat (vgl. BSG Beschluss vom 29.08.2011 - B 6 KA 18/11 R). Dies ist hier der Fall (§ 39 Nr. 1 SGB II).
Vorliegend hat das Sozialgericht zutreffend festgestellt, dass das Vollzugsinteresse das Aussetzungsinteresse des Antragsstellers überwiegt.
Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Aufhebungsbescheides vom 21.07.2015 bestehen nicht. Der Antragsgegner hat zu Recht den vollständigen Entfall des Alg II für die Zeit vom 01.08.2015 bis zum 31.10.2015 i.S.v. § 31a Abs. 1 S. 3 SGB II festgestellt und die Bewilligung von Alg II für den Monat August 2015 nach § 48 Abs. 1 SGB X wegen Eintritts einer wesentlichen Änderung - Entfall des Anspruchs wegen einer wiederholten Pflichtverletzung - vollständig aufgehoben.
Der Antragsteller hat den Sanktionstatbestand des § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB II erfüllt. Danach verletzen Leistungsberechtigte ihre Pflichten, wenn sie sich trotz schriftlicher Belehrung über die Rechtsfolgen oder deren Kenntnis weigern, die in einem einer Eingliederungsvereinbarung ersetzenden Verwaltungsakt festgelegten Pflichten zu erfüllen. Durch Bescheid vom 04.11.2014 legte der Antragsgegner fest, dass der Antragssteller innerhalb der Gültigkeitsdauer im Zeitraum vom 22.10.2014 bis zum 21.04.2015 jeweils mindestens zwei Bewerbungsbemühungen um leidensgerechte, sozialversicherungspflichtige und geringfügige Beschäftigungsverhältnisse pro Monat tätigt und diese Eigenbemühungen nach Ablauf der Gültigkeitsdauer nachweist. Dieser Verpflichtung ist der Antragsteller - wie das Sozialgericht zutreffend ausgeführt hat - objektiv nicht nachgekommen, obwohl es ihm subjektiv möglich und zumutbar im Sinne des § 10 SGB II gewesen wäre.
Die dem Antragsteller im Bescheid vom 04.11.2014 abverlangten Eigenbemühungen begegnen weder nach dem Inhalt der Verpflichtung noch nach der aufgegebenen Frequenz der Bewerbungen keinen Bedenken. Es handelt sich um eine Konkretisierung der in § 2 Abs. 1 SGB II geregelten Selbsthilfeobliegenheit eines erwerbsfähigen Leistungsberechtigten. Ein erwerbsfähiger Leistungsberechtigter ist verpflichtet, eine ihm zumutbare Erwerbstätigkeit zur Verringerung der Hilfebedürftigkeit fortzuführen bzw. jede zumutbare Tätigkeit i.S.v. § 10 SGB II anzunehmen. Die dem Antragsteller abverlangten Eigenbemühungen sind zumutbar. Art, Umfang und Intensität der zumutbar abzuverlangenden Eigenbemühungen eines erwerbsfähigen Leistungsberechtigten bestimmen sich nach dem Einzelfall. Leistungsempfängern sind, unabhängig von ihrer schulischen und beruflichen Bildung, grundsätzlich alle Arbeiten zur Überwindung ihrer Hilfebedürftigkeit und der der Mitglieder ihrer Bedarfsgemeinschaft zumutbar (BSG Urteil vom 15.12.2010 - B 14 AS 92/09 R; vgl. auch Beschluss des Senats vom 20.03.2014 - L 19 AS 373/14 B ER). Persönliche Merkmale des Antragstellers, wie z. B. Alter, berufliche und fachli...