Entscheidungsstichwort (Thema)
Übernahme der Unterkunftskosten für einen unter 25 Jährigen bei Nichtverweisbarkeit auf die elterliche Wohnung aus schwerwiegenden sozialen Gründen
Orientierungssatz
1. Der kommunale Träger ist nach § 22 Abs. 5 S. 2 bzw. nach § 22 Abs. 2 a S. 2 SGB 2 in der bis zum 31. 12. 2010 geltenden Fassung verpflichtet, Leistungen für Unterkunft und Heizung für die Zeit nach einem Umzug bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres nur dann zu erbringen, wenn er dies vor dem Abschluss des Vertrages über die Unterkunft zugesichert hat. Zur Zusicherung ist er u. a. dann verpflichtet, wenn der Betroffene aus schwerwiegenden sozialen Gründen nicht auf die Wohnung der Eltern bzw. eines Elternteils verwiesen werden kann.
2. Beengte Wohnverhältnisse und fehlender eigener Wohnraum für ein volljähriges Kind stellen solche schwerwiegenden soziale Gründe dar, dass sich ein volljähriges Kind nicht auf die Gewährung eines Naturalhaushaltes in Form der Aufnahme in den Haushalt der Eltern verweisenlassen muss.
3. Der Umzug in die elterliche Wohnung stellt bei zwischenzeitlich eingetretenen Veränderungen in den Wohnverhältnissen keine zumutbare Selbsthilfemöglichkeit des Hilfebedürftigen dar, wenn ersichtlich ist, dass die Eltern nicht bereit sind, ihr Kind wieder in die Wohnung aufzunehmen oder der Kontakt zu den Eltern komplett abgebrochen ist.
Tenor
Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 22.02.2011 geändert. Der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, dem Antragsteller für die Zeit vom 26.01. bis 31.05.2011, längstens bis zum Ablauf der Klagefrist gegen den Widerspruchsbescheid, auch Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von 337,97 EUR mtl. zu gewähren.
Der Antragsgegner trägt die außergerichtlichen Kosten des Antragstellers in beiden Rechtszügen. Dem Antragsteller wird für das Beschwerdeverfahren ab dem 14.03.2011 ratenfrei Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwalt G, D, beigeordnet.
Gründe
I. Der am 00.00.1988 geborene Antragsteller wohnte zusammen mit seinen Eltern und seinem am 00.00.1987 geborenen Bruder in der 69 qm großen Wohnung der Eltern. Er teilte mit seinem Bruder ein Zimmer. Als Bedarfsgemeinschaft bezog er zusammen mit seinen Eltern und seinem Bruder bis zum 30.06.2007 Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Zum 01.07.2007 wurde die Leistungsbewilligung wegen des Bezugs von Knappschaftsausgleichleistung nach § 7 Abs. 4 SGB II aufgehoben.
Ab dem 06.08.2010 war der Antragsteller bei der H GmbH sozialversicherungspflichtig beschäftigt. Am 30.10.2010 schloss der Antragsteller einen Mietvertrag über die 42 qm große Wohnung, P 00, D, bestehend aus zwei Zimmern, einer Küche, Badezimmer und einem Wintergarten zum 01.11.2010 ab. Der Mietzins beträgt insgesamt 337,97 EUR mtl. (Grundmiete 199,97 EUR + 76,00 EUR Betriebskostenvorschuss + 55,00 EUR Heizkostenvorschuss). Zum 01.11. 2010 zog der Antragsteller ein. Am 16.11.2010 kündigte die Arbeitgeberin das Probearbeitsverhältnis zum 01.12.2010.
Der Antragsteller zahlte den Mietzins für die Zeit ab dem 01.12.2010 nicht. Mit Schreiben vom 09.12.2010 mahnte die Vermieterin den Mietrückstand für Dezember 2010 an. Mit weiterem Schreiben vom 20.01.2011 mahnte die Vermieterin letztmalig die Zahlung des Mietrückstandes von 336,97 EUR an und behielt sich die Kündigung des Mietverhältnisses nach § 543 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) wegen Zahlungsverzuges vor, wenn die entsprechenden Voraussetzungen hierzu vorlägen. Mit Schreiben vom 17.03.2011 mahnte die Vermieterin die Mietrückstände für Januar und Februar an.
Am 22.11.2010 beantragte der Antragsteller die Gewährung von Leistungen nach dem SGB II. Er hat vorgetragen, dass er seinen Lebensunterhalt bislang durch Erwerbseinkommen bei verschiedenen Arbeitgebern habe sichern können. Er habe den Kontakt zu seinen Eltern komplett abgebrochen. Durch Bescheid vom 29.12.2010 lehnte die Rechtsvorgängerin des Antragsgegners (nachfolgend: Antragsgegner) unter Berufung auf § 22 Abs. 2a SGB II den Antrag ab. Gründe für die anderweitige Wohnungsnahme außerhalb des Haushaltes der Eltern seien nicht ersichtlich. Durch die Rückkehr in den elterlichen Haushalt könne der Antragsteller die derzeit geltend gemachte Hilfebedürftigkeit nach § 3 Abs. 3 Satz 1 SGB II ganz oder teilweise beseitigen. Bei einem Umzug in die Wohnung der Eltern, würde der Antragsteller eine Bedarfsgemeinschaft mit seinen Eltern bilden, so dass das Einkommen und Vermögen der Eltern zur Sicherstellung des Lebensunterhalts herangezogen werden könne. Hiergegen legte der Antragsteller Widerspruch ein.
Am 26.01.2011 hat der Antragssteller beantragt, den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihm Leistungen nach dem SGB II zu bewilligen.
Er hat vorgetragen, dass beim Abschluss des Mietvertrages die Kündigung des Arbeitsverhältnisses nicht voraussehbar gewesen sei. Es bestehe Eilbedürftigkeit, da er aus eigenen Mitteln die Mietkosten nicht zah...