Entscheidungsstichwort (Thema)
Darlehensweise Bewilligung von Leistungen des SGB 2 an Ausländer durch einstweiligen Rechtsschutz
Orientierungssatz
1. Ein italienischer Staatbürger ist als sog. Alt-Unionsbürger gemeinschaftsrechtlich freizügigkeitsberechtigt und berechtigt, ohne Arbeitserlaubnis eine Arbeit in der Bundesrepublik aufzunehmen.
2. Der Leistungsausschluss des § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB 2 erfasst Ausländer, deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt. Es bestehen aber erhebliche Zweifel, ob die Ausschlussvorschrift des § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB 2 mit dem Gemeinschaftsrecht der EU vereinbar ist.
3. Weil eine abschließende Klärung der Rechtsfrage im einstweiligen Rechtsschutzverfahren nicht möglich erscheint, ist aufgrund einer Folgenabwägung zu entscheiden. Dabei überwiegt regelmäßig das Interesse des Antragstellers, wenn ohne die begehrte Eilentscheidung dessen Existenzminimum nicht gedeckt wäre und er ausreisen müsste. Durch die vorläufige Gewährung der Leistung wird die Entscheidung in der Hauptsache nicht vorweggenommen, wenn die Leistung nur darlehensweise gewährt wird.
Tenor
Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Sozialgerichts Köln vom 28.04.2008 geändert. Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, dem Antragsteller Regelleistung zur Sicherung des Lebensunterhalts nach § 20 SGB II in Höhe von 347,00 EUR monatlich und Kosten für Unterkunft und Heizung von 440,00 EUR monatlich für die Zeit ab dem 05.03.2008 bis zum 28.07.2008 als Darlehen zu gewähren.
Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Gründe
I.
Der am 00.00.1974 geborene Antragsteller ist italienischer Staatsangehöriger. Am 10.01.2007 reiste er aus Italien in die Bundesrepublik ein. Die Stadt L erteilt dem Antragsteller eine Bescheinigung nach § 5 Freizügigkeitsgesetz/EU (FreizügG/EU) für die Zeit vom 03.03.2008 bis zum 28.05.2008 und vom 15.05. bis zum 23.12.2008. Eine Ausweisungsverfügung ist gegen den Antragsteller nicht ergangen.
Laut Bescheinigung der AOK Rheinland/Hamburg vom 27.12.2007 ist der Antragsteller als Beschäftigter ab dem 16.01.2007 und seit dem 18.06.2007 bis laufend als Bezieher von Arbeitslosengeld II gesetzlich krankenversichert. Die Firma E1 Hochbau- und Putz GmbH meldete als Arbeitgeberin den Antragsteller im Januar 2008 rückwirkend zum 15.05.2007 bei der AOK Rheinland/Hamburg ab. Die Firma E1 Hochbau- und Putz GmbH meldete der Urlaubs- und Lohnausgleichkasse der Bauwirtschaft für den Antragsteller einen in der Zeit vom 16.01. bis zum 30.04.2007 erworbenen Urlaubsanspruch von 8,83 Tagen.
Am 08.04.2008 beantragte der Antragsteller bei der Agentur für Arbeit die Gewährung von Insolvenzgeld für rückständiges Arbeitsentgelt für die Zeit vom 01.04. bis zum 30.06.2007. Er gab an, dass er bei dem zahlungsunfähigen Arbeitgeber "Inhaber H B, E1 Hochbau- und Putz GmbH, X Straße 00, L" beschäftigt gewesen sei. Der Arbeitgeber habe am 06.02.2008 die Betriebstätigkeit beendet. Die Firma E1 Hochbau- und Putz GmbH wurde nach den Feststellungen der Agentur für Arbeit L am 06.02.2008 bei der Stadt L gewerberechtlich abgemeldet und am 06.02.2008 wegen Vermögenslosigkeit im Handelsregister gelöscht. Herr H B war Geschäftsführer der Firma.
Am 03.04.2008 erhob der Antragsteller gegen Herrn H B Klage vor dem Arbeitsgericht Köln, 12 Ca 2807/08, mit dem Begehren, festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis nicht durch die mündliche Kündigung vom 31.01.2008 aufgelöst sei sowie der Verurteilung von Herrn H B zur Zahlung von rückständigem Lohn für die Zeit von Januar bis März 2008 in Höhe von insgesamt 4.500,00 EUR. Er trug vor, er sei seit dem 16.01.2007 aufgrund eines mündlichen Arbeitsvertrages als Bauhelfer gegen 1.500,00 EUR beschäftigt gewesen. Am 31.01.2008 habe Herr H B das Arbeitsverhältnis mündlich gekündigt. Als er am nächsten Tag seine Arbeitskraft angeboten habe, sei er von Herrn H B nach Hause geschickt worden. Durch Versäumnisurteil vom 29.04.2008 hat das Arbeitsgericht Köln festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung vom 31.01.2008 nicht aufgelöst ist, und Herrn H B zur Zahlung von 4.500,00 verurteilt.
Seit dem 15.05.2007 wohnt der Antragsteller in der 45 qm großen Wohnung, L Weg 00, L. Die Miete beträgt 350,00 EUR zuzüglich 120,00 EUR Nebenkosten. In den Nebenkosten ist eine Vorauszahlung von Stromkosten in Höhe von 30,00 EUR enthalten. Mit Schreiben vom 11.12.2007 kündigte der Vermieter die Wohnung des Antragstellers zum 15.02.2008. Es ist eine Kündigungsklage vor dem Amtsgericht Köln, 221 C 123/08, anhängig.
Am 12.06.2007 beantragte der Antragsteller bei der Antragsgegnerin die Gewährung von Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II). Er gab an, dass er von der Unterstützung durch seinen Bruder und seine Mutter lebe. Er reichte Kopien von Lohnbescheinigungen " - Baulohn - Abrechnung der Brutto-Netto-Bezüge" vom 04.04.2007 für die Monate Januar bis April 2007, ausgestellt von "H, X Straße 00, L" übe...