Entscheidungsstichwort (Thema)
Kurzarbeitergeldanspruch. Bindungswirkung des Anerkennungsbescheides gem § 99 Abs 3 SGB 3 bei fehlender Aufhebung. Kurzarbeit inländischer Mitarbeiter eines Betriebes mit Sitz im Ausland. Rechtsirrtum der BA
Orientierungssatz
Zur Frage der Bindungswirkung eines Bescheids, mit dem die Bundesagentur für Arbeit einen erheblichen Arbeitsausfall und das Vorliegen der betrieblichen Voraussetzungen für die spätere Gewährung von Kurzarbeitergeld für im Inland stationierte Mitarbeiter einer ausländischen Airline gem § 99 Abs 3 SGB 3 anerkannt hat.
Tenor
Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Köln vom 06.07.2020 wird zurückgewiesen.
Die Antragsgegnerin trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin auch im Beschwerdeverfahren.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten im Verfahren des einstweiligen Rechtschutzes um die Aufhebung eines Anerkennungsbescheides betreffend die Gewährung von Kurzarbeitergeld (Kug).
Die Antragstellerin ist eine Fluggesellschaft mit Unternehmenssitz in N. Sie gehört zur S-Gruppe; seit dem 01.01.2020 wird der Flugbetrieb der Gruppe in Deutschland ausschließlich durch die Antragstellerin abgedeckt. Die in Deutschland stationierten Piloten und Mitarbeiter (insgesamt 931) sind seit diesem Datum bei der N Limited angestellt. Sie sind nach Angaben der Antragstellerin in Deutschland steuer- und sozialversicherungspflichtig. Alle Mitarbeiter sind einer sog. Homebase an einem von der Antragstellerin bedienten deutschen Flughafen zugewiesen.
Mit Schreiben vom 11.03.2020 zeigte die Antragstellerin, vertreten durch ihre Bevollmächtigten, bei der Agentur für Arbeit L die mögliche Einführung von Kurzarbeit in Folge der Ausbreitung von COVID-19 und der damit verbundenen Auswirkungen für die Luftfahrtbranche an den deutschen Stationierungsorten (Basen) an. Mit weiterem Schreiben vom 31.03.2020 zeigte sie die Einführung von Kurzarbeit in der Zeit vom 19.03.2020 bis zum 23.03.2020 im Umfang von 50 % sowie in der Zeit vom 24.03.2020 bis zum 31.05.2020 im Umfang von 100 % an. Den entsprechend mit der Gewerkschaft Ver.di geschlossenen Tarifvertrag zur Einführung von Kurzarbeit vom 31.03.2020 legte sie bei. Der Tarifvertrag sowie die Anzeige über Arbeitsausfall wurden von der Antragstellerin jeweils auf N unterzeichnet. Als Betriebsanschrift wurde in der Anzeige über Arbeitsausfall allerdings "I-str. 00" in L angegeben. Hierbei handelt es sich augenscheinlich um die Anschrift der Lohnabrechnungsstelle "T GmbH".
Mit Anerkennungsbescheid vom 01.04.2020 bewilligte die Antragsgegnerin den vom Entgeltausfall betroffenen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern der Antragstellerin, sofern diese die persönlichen Voraussetzungen erfüllen, ab 01.03.2020 längstens bis zum 31.05.2020 Kug. Auf Grund der vorgetragenen und glaubhaft gemachten Tatsachen liege ein erheblicher Arbeitsausfall vor und die betrieblichen Voraussetzungen für die Gewährung von Kug seien erfüllt.
Nachdem bei der Beklagten Hinweise auf eine möglicherweise missbräuchliche Beantragung von Kug durch die Antragstellerin eingegangen waren, hob diese mit Bescheid vom 29.05.2020 die Entscheidung über die Gewährung von Kug vom 01.04.2020 ab 01.03.2020 gemäß § 48 SGB X auf. Die Antragstellerin habe keinen Betrieb in Deutschland. Dieser Umstand sei aus den eingereichten Unterlagen nicht hervorgegangen.
Am 16.06.2020 legte die Antragstellerin Widerspruch ein. Es liege jedenfalls eine Betriebsabteilung im Sinne des § 97 SGB III vor. Den Stationierungsorten seien mit insgesamt 37 Flugzeugen an acht Standorten deutschlandweit Betriebsmittel zum Zwecke der Durchführung von internationalen Flugaktivitäten zugeordnet. An den jeweiligen Standorten stünden der Antragstellerin auch Räume zur Verfügung, in denen sich die Piloten und Flugbegleiter vor und nach den Flügen zur Abstimmung einfänden und in denen sie sich zu ihren jeweiligen Einsätzen an- und abmeldeten. Es gebe dort Computerarbeitsplätze mit Druckern. Für die einzelnen Arbeitnehmer gebe es Fächer, über die sie Memos der Unternehmensleitung erhielten. Der für den jeweiligen Stationierungsort zuständige Base Captain und der Base Supervisor hätten dort zudem feste Arbeitsplätze für Verwaltungstätigkeiten. Der Base Captain habe i.d.R. einmal pro Woche, mindestens jedoch alle 15 Tage einen Bürotag, an dem er den Piloten in den Räumlichkeiten als Ansprechpartner zur Verfügung stehe. Die Räume dienten auch dem Aufenthalt der Mitarbeiter sowie zur Durchführung von Schulungen und Trainingsmaßnahmen. Die einzelnen Stationierungs-orte verfügten auch über eigene Organisationsstrukturen. Alle Mitarbeiter seien einer festen Homebase zugewiesen, von denen aus sie ihre Arbeitstage begännen und beendeten. Der jeweilige Base Captain / Base Supervisor sei für alle Mitarbeiter Erstansprechpartner und repräsentiere den Chefpiloten, der in N stationiert und für die Aufsicht und das Management aller Piloten und Flugbegleiter verantwortlich sei. Der Base Captain sei mit umf...