Entscheidungsstichwort (Thema)
Interessenabwägung bei der Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen einen ergangenen Bescheid
Orientierungssatz
1. In den Fällen, in denen Widerspruch und Klage keine aufschiebende Wirkung haben, kann das Gericht nach § 86 b Abs. 1 Nr. 2 SGG die aufschiebende Wirkung des Rechtsmittels anordnen; hierzu zählen u. a. die in § 39 SGB 2 benannten Fälle, in welchen das Gesetz dem öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung des angefochtenen Bescheides grundsätzlich den Vorrang vor dem Interesse des Betroffenen an einem Aufschub der Vollstreckung einräumt.
2. Bestehen ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Verwaltungsentscheidung, so geht die anzustellende Interessenabwägung zu Lasten des Antragstellers.
3. Vor Erlass eines Verwaltungsaktes, der in die Rechte eines hierdurch Begünstigten eingreift, ist dieser nach § 24 SGB 10 anzuhören. Erfolgte vor Erlass des abändernden bzw. aufhebenden Bescheides keine Anhörung des Betroffenen, so ist der Bescheid rechtswidrig ergangen und aufzuheben.
Tenor
Auf die Beschwerde der Antragsteller wird der Beschluss des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 12.02.2014 geändert. Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragsteller gegen die Bescheide des Antragsgegners vom 17.12.2013, 27.01.2014 und 19.02.2014 wird angeordnet. Den Antragstellern wird für das Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwältin T aus H beigeordnet.
Der Antragsgegner trägt die außergerichtlichen Kosten der Antragsteller in beiden Instanzen.
Gründe
I.
Der 1975 geborene Antragsteller zu 1) und die 1978 geborene Antragstellerin zu 2) stammen aus dem Libanon, sind nach islamischen Recht verheiratet und leben mit ihren gemeinsamen Kindern, den Antragstellern zu 3) bis 7) sowie der 18jährigen Tochter K L, die Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) erhält, in Bedarfsgemeinschaft. Sie wohnten zuletzt in T und erhielten vom Jobcenter S-Kreis Grundsicherung. Die Familie zog zum 01.12.2013 von T nach H, X 00, nachdem die Wohnung in T gekündigt worden war und das Jobcenter S-Kreis am 07.11.2013 die Zusicherung nach § 22 Abs. 4 SGB II zu den Aufwendungen für die neue Wohnung erteilt hatte. Der Antragsgegner bewilligte ein Darlehen für die Kaution in Höhe von 1500,00 EUR und Erstausstattung in Höhe von 1500,00 EUR. Zudem gewährte der Antragsgegner den Antragstellern zu 3) bis 7), die in H die Schule besuchen, Leistungen für Bildung und Teilhabe.
Mit Bescheid vom 29.11.2013 gewährte der Antragsgegner den Antragstellern und K L für den Zeitraum vom 01.12.2013 bis 31.05.2014 Grundsicherung in Höhe von 3259,20 EUR (Dezember 2013) bzw. ab Januar 2014 in Höhe von 3315,11 EUR monatlich. Mit Änderungsbescheid vom 17.12.2013 hob der Antragsgegner den bisher in diesem Zusammenhang ergangenen Bescheid vom 29.11.2013 auf und bewilligte ausschließlich dem Antragsteller zu 1) Leistungen nach dem SGB II für Dezember 2013 bis Mai 2014. Zur Begründung wies der Antragsgegner darauf hin, dass die Antragstellerin zu 2) und ihre Kinder (Antragsteller zu 3) bis 7)) keinen Anspruch auf Grundsicherung hätten, da nach Mitteilung der Ausländerbehörde H die Antragstellerin zu 2) sich nur in Baden-Württemberg niederlassen dürfe. Der Bescheid trägt keinen "Ab-Vermerk". Mit weiterem Änderungsbescheid vom 27.01.2014 bewilligte der Antragsgegner Grundsicherung für den Antragsteller zu 1) und K L und hob den in diesem Zusammenhang ergangenen Bescheid vom 17.12.2013 insoweit auf, weil die Tochter K L aufgrund der Niederlassungsfreiheit (§ 35 Aufenthaltsgesetz [AufenthG]) in die Bedarfsgemeinschaft aufgenommen werde. Mit Änderungsbescheid vom 19.02.2014 hob der Antragsgegner den Bescheid vom 27.01.2014 auf und gewährte ausschließlich K L für den Zeitraum Dezember 2013 bis Mai 2014 Arbeitslosengeld II. Der Antragsteller zu 1) sei ab März 2014 von den Leistungen auszuschließen wegen einer wohnsitzbeschränkenden Auflage. Der Antragsgegner teilte mit Schriftsatz vom 13.03.2014 mit, dass er Grundsicherung für Dezember 2013 in Höhe von 3259,20 EUR, für Januar und Februar 2014 in Höhe von jeweils 901,32 EUR und für März 2014 in Höhe von 475,49 EUR gezahlt habe.
Die Antragstellerin zu 2) besitzt eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 4 S. 2 AufenthG, die mit einer wohnsitzbeschränkenden Auflage für Baden-Württemberg versehen ist. Die Antragsteller zu 3) bis 7) verfügen über eine Aufenthaltserlaubnis nach § 33 AufenthG ohne wohnsitzbeschränkende Auflage. Der Antragsteller zu 1) hat eine Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Abs. 1 AufenthG, zunächst ohne eine Nebenbestimmung. Mit Verwaltungsakt vom 22.01.2014 verfügte das Ausländeramt der Stadt T für den Antragsteller zu 1) eine wohnsitzbeschränkende Auflage für den S-Kreis. Hiergegen hat der Antragsteller zu 1) am 19.02.2014 Widerspruch eingelegt.
Der Antragsteller zu 1) erhielt am 27.01.2014 gemäß der Verhandlungsniederschrift vom selben Tag den Änderungsbescheid vom 17.12.2013 nochmals in Kopie ausgehändi...