Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Prozesskostenhilfeentscheidung. zulässige Beschwerde. Beschwerdewert der Hauptsache gem § 144 Abs 1 S 1 Nr 1 SGG. keine Anwendbarkeit des § 127 Abs 2 S 2 Halbs 2 ZPO iVm § 511 ZPO- hinreichende Erfolgsaussicht. krankengymnastische Behandlung. hohes Alter des Versicherten. fehlende Heilungsaussicht. Erfolgsaussicht bei Bewilligung von Prozesskostenhilfe

 

Orientierungssatz

1. Die Beschwerde gegen einen Beschluss, mit dem das SG über Prozesskostenhilfe entschieden hat, ist auch dann uneingeschränkt zulässig, wenn der Beschwerdewert 500 Euro nicht übersteigt (Anschluss an LSG Stuttgart vom 2.1.2007 - L 13 AS 4100/06 PKH; vgl LSG Essen vom 18.4.2007 - L 19 B 42/06 AL). § 127 Abs 2 S 2 Halbs 2 ZPO ist im sozialgerichtlichen Verfahren nicht anwendbar.

2. Die Klage einer 88-jährigen Versicherten auf Gewährung von krankengymnastischen Übungsbehandlungen hat trotz des hohen Alters der Versicherten und fehlender Heilungsaussichten hinreichende Erfolgsaussicht, wenn zumindest eine Linderung der Beschwerden und eine Stabilisierung ihres Gesundheits- und Pflegezustandes zu erwarten ist.

 

Tenor

Auf die Beschwerde der Klägerin vom 16./18.01.2007 wird der Beschluss des Sozialgerichts Dortmund vom 21.12.2006 geändert. Der Klägerin wird Prozesskostenhilfe für das Klageverfahren vor dem Sozialgericht unter Beiordnung von Rechtsanwalt A bewilligt.

 

Gründe

I. Die Klägerin (d. Kl.) und Beschwerdeführerin begehrt Prozesskostenhilfe (PKH). In der Hauptsache begehrt sie vor dem Sozialgericht (SG) Dortmund die Erstattung von ihr aufgewendeter Kosten für sechs krankengymnastische Übungsbehandlungen, die sie auf vertragsärztliche Verordnung der behandelnden Ärztin E in der Zeit nach dem 06.12.2005 erhalten und selbst bezahlt hat. Ihr geht es um eine grundsätzliche Klärung, da sie auch in der Folgezeit wiederholt krankengymnastische Behandlungen in Anspruch genommen hat, nachdem sich die Beklagte (d. Bekl.) geweigert hatte, die begehrten Kosten zu tragen.

D. Kl. ist 1919 geboren und in die Pflegestufe II nach den Vorschriften des 11. Buchs des Sozialgesetzbuchs - Soziale Pflegeversicherung - (SGB XI) eingestuft. Sie leidet im Wesentlichen an Gelenkfunktionsstörungen im Bereich aller Gliedmaßen und an den Folgen mehrerer Hüft- und Knie-Operationen, bei denen ihr Teil-Endoprothesen (TEP) eingesetzt wurden. Es besteht eine komplette Stuhl- und Harninkontinenz. Sie ist altersschwach. Sie wird derzeit in einer Kurzzeit-Pflegeeinrichtung betreut (monatliche - mtl. - Kosten von über 2.800 Euro, denen mtl. Einkünfte von ca. 1.600 Euro gegenüber stehen).

Schon im September 2005 hatte ihr die behandelnde Ärztin sechs Mal krankengymnastische Übungsbehandlungen (1-2 x wöchentlich (wtl.)) außerhalb des Regelfalls (a.d.R.) verordnet und zur Begründung angegeben, Ziel der Behandlung sei, eine Besserung der gestörten Beweglichkeit und der gestörten Muskelfunktion bei d.Kl. zu erreichen. Die Fortsetzung der Krankengymnastik sei zur Kontraktur-Vorbeugung dringend erforderlich; es drohe Immobilität, wenn die regelmäßige Krankengymnastik vorübergehend eingestellt würde. Die Behandlung a.d.R. wurde von d. Bekl. (zunächst) bewilligt. Auf eine entsprechende Verordnung vom 13.12.2005 holte d. Bekl. eine Stellungnahme des Arztes K. vom Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) ein und lehnte, darauf gestützt, die Genehmigung der weiteren beantragten krankengymnastischen Behandlungen ab; das "Therapiepotential" (bei d. Kl.) sei zu hinterfragen; allgemeine aktivierende Pflege und Therapien im Regelfall (gemäß den Heilmittel-Richtlinien - HeilM-RiLi -) seien ausreichend. Die Kl. erhalte Leistungen entsprechend der Pflegestufe II (Bescheid vom 15.12.2005). Im anschließenden Widerspruchsverfahren holte d. Bekl. ein Gutachten der MDK-Ärzte Dr. T und Dr. Dr. M ein, die sich der Meinung des Vorgutachters anschlossen (Dr. Dr. M: "Bei der Versicherten besteht kein realistisches Reha-Potential; Beeinträchtigungen lassen sich nicht beheben oder bessern; hier gehe es lediglich darum, den Verschlechterungsprozess, soweit es geht, zu verzögern; dazu aber reiche "aktivierende Pflege" i.S.d. SGB XI aus; d. Kl. könne sich schon jetzt nicht ohne fremde Hilfe bewegen; Wunschvorstellungen, das ideale Ziel einer sich selbst versorgenden 85-jährigen Versicherten könne wirklich nicht mehr erreicht werden").

Mit der auf den ablehnenden Widerspruchsbescheid (15.05.2006) am 19.06.2006 eingelegten Klage hat d. Kl. Rechnungsbelege für die Zeit bis Juli 2006 vorgelegt (neun Mal 279,00 Euro) und darauf hingewiesen, sie wolle mit ihrer Klage auch eine grundsätzliche Regelung generell zu der Frage erreichen, ob auch in den von den HeilM-RiLi vorgesehen Therapiepausen ein Leistungsanspruch bestehe. Sie verlange auch nicht die an sich erforderlichen dreimal wöchentlichen Behandlungen, sondern nur zwei pro Woche. Sie beantrage eine entsprechende Feststellung durch das SG.

Ihren PKH-Antrag hat das SG unter Bezugnahme auf die vorliegend...

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