Entscheidungsstichwort (Thema)
Bewilligung von existenzsichernden Sozialleistungen durch einstweiligen Rechtsschutz
Orientierungssatz
1. Nach der Rechtsprechung des BSG sind für einen hilfebedürftigen Unionsbürger, der arbeitsuchend ist bzw. in Ermangelung von Erfolgsaussichten bei der Arbeitsuche nicht über eine Freizügigkeitsberechtigung verfügt, zumindest Sozialhilfeleistungen im Ermessensweg zu erbringen, wenn ein verfestigter Aufenthalt über sechs Monate vorliegt, vgl. u.a. BSG, Urteile vom 03. Dezember 2015, B 4 AS 59/13 R und 17. März 2016, B 4 AS 32/15 R.
2. Im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes sind in jedem Fall Leistungen im Wege der Folgenabwägung zuzusprechen, wenn anderenfalls nicht abwendbare Beeinträchtigungen entstehen können, die durch das Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen wären.
3. Unterliegt der Hilfebedürftige dem Leistungsausschluss des § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB 2 nicht, weil er sich auf ein Aufenthaltsrecht aus § 2 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 FreizügG berufen kann, so ist der Grundsicherungsträger für die Zahlung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts zuständig. Unterliegt er dem Leistungsausschluss, so ist der Sozialhilfeträger für die Erbringung von Hilfe zum Lebensunterhalt zuständig.
Tenor
Auf die Beschwerde der Beigeladenen wird der Beschluss des Sozialgerichts Detmold vom 27.01.2016 geändert. Der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, den Antragstellern Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts einschließlich der Kosten für Unterkunft und Heizung vom 17.12.2015 bis 31.05.2016 nach Maßgabe der gesetzlichen Vorschriften zu zahlen. Den Antragstellern wird für das Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwalt K aus N beigeordnet.
Der Antragsgegner hat die Kosten der Antragsteller in beiden Rechtszügen zu erstatten.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten im einstweiligen Rechtsschutzverfahren über die Verpflichtung des Antragsgegners bzw. der Beigeladenen zur Zahlung von Leistungen für den Lebensunterhalt einschließlich der Kosten für Unterkunft und Heizung.
Die 1984 geborene Antragstellerin und ihr am 00.00.2009 geborener Sohn, der Antragsteller, sind estnische Staatsangehörige. Sie leben seit Oktober 2013 in der Bundesrepublik Deutschland. Sie wohnen in der C-straße 00 in N. Die Grundmiete beträgt 330,- EUR, für Betriebskosten sind 100 EUR und für Heizkosten 100 EUR zu zahlen. Der Antragsteller besucht derzeit noch nicht die Schule.
Die Antragstellerin arbeitete vom 09.10.2013 bis zum 13.11.2013 bei der Firma C Service, vom 19.02.2014 bis 30.06.2014 bzw. Juli 2014 bei der Firma D GmbH und zuletzt vom 21.07.2014 bis zum 31.01.2015 bei der Firma L GmbH. Die Antragstellerin kündigte diese Tätigkeit als Lagerhelferin in Vollzeit zum 31.01.2015, nachdem die Betreuung des Antragstellers infolge des Umzugs der Mutter der Antragstellerin nicht mehr sichergestellt war. Die Antragstellerin bezog bis Ende Mai 2015 Arbeitslosengeld. Mit Bescheid vom 10.08.2015 bewilligte der Antragsgegner den Antragstellern Grundsicherung vom 01.06.2015 bis zum 31.07.2015. Die Bewilligung erfolgte nur bis zum 31.07.2015, da für die Antragstellerin nach unfreiwilliger Arbeitslosigkeit nach weniger als einem Jahr Beschäftigung das Recht auf Freizügigkeit nur für sechs Monate unberührt bleibe und dieser Zeitraum am 31.07.2015 verstrichen sei. Auf den Inhalt des Bescheides wird Bezug genommen. Mit Bescheid 17.09.2015 lehnte der Antragsgegner den Antrag auf Grundsicherung ab September 2015 mit der Begründung ab, die Antragstellerin sei nach § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II von Leistungen ausgeschlossen. Die Antragstellerin legte rechtzeitig Widerspruch ein.
Am 17.12.2015 haben die Antragsteller beim Sozialgericht Detmold beantragt, den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, Grundsicherung nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren. Die Antragstellerin gab an, den Lebensunterhalt mit dem Unterhaltsvorschuss und dem Kindergeld zu bestreiten.
Mit Beschluss vom 27.01.2016 hat das Sozialgericht die Beigeladene verpflichtet, den Antragstellern vom 17.12.2015 bis zum 31.05.2016 vorläufig Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem SGB XII in gesetzlicher Höhe zu gewähren und den Antrag im Übrigen abgelehnt. Die Antragstellerin unterliege dem Leistungsausschluss des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II, da sie sich derzeit nur zum Zwecke der Arbeitsuche in Deutschland aufhalte. Aufgrund der Rechtsprechung des BSG sei aber der Beigeladene zur Leistungszahlung verpflichtet.
Gegen diesen Beschluss hat die Beigeladene am 25.02.2016 Beschwerde eingelegt. Sie ist der Ansicht, die Rechtsprechung des BSG, in Fällen wie dem vorliegenden den Sozialhilfeträger zu verpflichten, Leistungen nach dem SGB XII zu erbringen, sei falsch. Die Beigeladene hat den Beschluss des Sozialgerichts vom 27.01.2016 ausgeführt und mit Bescheid vom 08.04.2016 für die Zeit vom 17.12.2015 bis 30.04.2016 insgesamt 2.057,51 EUR an die Antragsteller und 2.084,03 EUR an den Vermieter...