Entscheidungsstichwort (Thema)
Glaubhaftmachung von Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund zur Bewilligung von Leistungen der Sozialhilfe durch einstweiligen Rechtsschutz
Orientierungssatz
1. Zur Bewilligung von Leistungen der Sozialhilfe durch einstweilige Anordnung ist u. a. erforderlich, dass der Antragsteller seine Hilfebedürftigkeit glaubhaft macht. Hierzu muss er nachweisen, dass er seinen notwendigen Lebensunterhalt aus eigenem Einkommen und Vermögen nicht bestreiten kann.
2. Vorgenommene Schwärzungen auf den dem Sozialhilfeempfänger zur Verfügung gestellten Kontoauszügen bewirken nicht zwingend eine fehlende Glaubhaftmachung der Hilfebedürftigkeit.
3. Ist der Antragsteller nach summarischer Prüfung nicht in der Lage, seinen notwendigen Lebensunterhalt aus eigenen Kräften und Mitteln zu bestreiten, so gilt der Anspruch auf Hilfe zum Lebensunterhalt nach § 27 SGB 12 als glaubhaft gemacht.
4. Ein Anordnungsgrund zur Bewilligung von Leistungen der Sozialhilfe gilt nicht erst bei anhängiger Räumungsklage als glaubhaft gemacht.
5. Erforderlich ist insoweit eine akute Gefährdung des Verbleibs in der Wohnung. Ist trotz ausbleibender Mietzahlungen eine Kündigung des Mietverhältnisses noch nicht erfolgt, so ist der zur Bewilligung von einstweiligem Rechtsschutz erforderliche Anordnungsgrund nicht glaubhaft gemacht.
Tenor
Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Duisburg vom 26.06.2015 geändert. Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, dem Antragsteller ab dem 01.06.2015 bis zum Ende des Monats der gerichtlichen Entscheidung vorläufig Leistungen des Regelbedarfs nach dem Dritten Kapitel des SGB XII in gesetzlicher Höhe zu gewähren. Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.
Die Antragsgegnerin trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Antragstellers in beiden Rechtszügen jeweils zur Hälfte.
Dem Antragsteller wird für die Durchführung des Beschwerdeverfahrens ab dem 17.08.2015 (Antragstellung) Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt w w, A 14, F, bewilligt.
Gründe
1. Die gem. §§ 172, 173 SGG statthafte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde der Antragsgegnerin ist teilweise begründet. Das Sozialgericht hat die Antragsgegnerin in der Sache zutreffend verpflichtet, dem Antragsteller vorläufig Leistungen des Regelbedarfs nach dem Dritten Kapitel des SGB XII zu gewähren. Zu Unrecht hat es die Antragsgegnerin jedoch verpflichtet, auch die Kosten der Unterkunft und Heizung vorläufig zu zahlen.
Nach § 86b Abs. 2 S. 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Regelungsanordnung). Der Erlass einer solchen Regelungsanordnung setzt voraus, dass der Antragsteller sowohl das Bestehen eines materiell-rechtlichen Anspruchs auf die begehrte Leistung (Anordnungsanspruch) als auch die Eilbedürftigkeit einer gerichtlichen Regelung (Anordnungsgrund) glaubhaft, d.h. überwiegend wahrscheinlich (vgl. u.a. BVerfG vom 29.07.2003 - 2 BvR 311/03) macht (§ 86b Abs. 2 S. 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO). Dabei stehen Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund allerdings nicht isoliert nebeneinander. Es besteht vielmehr zwischen beiden eine Wechselbeziehung der Art, dass die Anforderungen an den Anordnungsanspruch mit zunehmender Eilbedürftigkeit bzw. Schwere des drohenden Nachteils zu verringern sind und umgekehrt.
Darüber hinaus können sich aus Art. 19 Abs. 4 GG besondere Anforderungen an die Ausgestaltung des Eilverfahrens ergeben, wenn ohne die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Beeinträchtigungen entstehen können, die durch das Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen wären. Die Gerichte müssen in solchen Fällen bei der Beurteilung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache, also dem Bestehen eines Anordnungsanspruchs, die Sach- und Rechtslage nicht nur summarisch, sondern abschließend prüfen. Das gilt insbesondere, wenn das einstweilige Rechtsschutzverfahren vollständig die Bedeutung des Hauptsacheverfahrens übernimmt und eine endgültige Verhinderung der Grundrechtsverwirklichung eines Beteiligten droht. Ist dem Gericht eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich, so ist anhand einer Folgenabwägung zu entscheiden. Auch in diesem Fall sind die grundrechtlichen Belange des Antragstellers umfassend in die Abwägung einzustellen (vgl. ausführlich zum Ganzen: BVerfG, Beschluss vom 12.05.2005 - 1 BvR 569/05).
a. Ausgehend von diesen Grundsätzen teilt der Senat die Auffassung des Sozialgerichts, dass der Antragsteller glaubhaft gemacht hat, seinen notwendigen Lebensunterhalt i.S.d. §§ 19 Abs. 1, 27 ff. SGB XII nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, insbesondere aus seinem Einkommen und Vermögen, bestreiten zu können (= Anordnungsanspruch).
aa. Wie das SG zu...