Entscheidungsstichwort (Thema)
Fortführung des Rechtsstreits als Berufung nach begründeter Nichtzulassungsbeschwerde
Orientierungssatz
1. Die Berufung ist nach § 144 Abs. 2 Nr. 3 SGG zuzulassen, wenn ein Verfahrensmangel vorliegt, auf dem die ergangene Entscheidung beruhen kann.
2. Ein solcher Verfahrensmangel liegt dann vor, wenn sich das Gericht zu weiteren Ermittlungen hätte gedrängt fühlen müssen. Kann bei der Klärung der Frage, ob sich der SGB 2-Leistungsempfänger i. S. des § 31 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGB 2 geweigert hat, eine zumutbare Arbeit aufzunehmen, nicht ausgeschlossen werden, dass das Bewerbungsgesprächs anders als vom Grundsicherungsträger beurteilt verlaufen ist und sind hierzu Beobachtungen von Zeugen vorhanden, so ist das Gericht zu einer entsprechenden Beweisaufnahme verpflichtet.
3. Ist hiernach nicht auszuschließen, dass das Gericht durch weitere Ermittlungen eine andere Entscheidung getroffen hätte, so kann das ergangene Urteil auf dem Verfahrensmangel beruhen. Dies hat zur Folge, dass die Berufung zuzulassen ist.
Normenkette
SGG § 144 Abs. 2 Nr. 3, § 145 Abs. 5 S. 1; SGB II § 31 Abs. 1 S. 1 Nr. 2
Tenor
Auf die Beschwerde des Klägers wird die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 08.07.2014 zugelassen und der Rechtsstreit als Berufung fortgeführt. Dem Kläger wird Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt I, E bewilligt.
Gründe
Die Beschwerde ist zulässig und begründet. Der durch den Kläger gerügte Verfahrensmangel i.S.d. § 144 Abs. 2 Nr. 3 SGG liegt vor.
Ein Verfahrensmangel liegt vor, wenn sich das Gericht zu weiteren Ermittlungen aus seiner rechtlichen Sicht hätte gedrängt fühlen müssen (Verletzung der Amtsermittlungspflicht; vgl. hierzu nur Leitherer in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, Kommentar, 11. Aufl., § 144 Rn. 34). Zur Klärung der Frage, ob der Kläger sich im Sinne des § 31 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGB II geweigert hat, eine zumutbare Arbeit aufzunehmen bzw. deren Anbahnung durch sein Verhalten verhindert hat, sind weitere Ermittlungen erforderlich. Es ist nicht ausgeschlossen, dass das Nichtzustandekommen des Arbeitsvertrags auf Umständen beruht, die im Rahmen des sozial üblichen Verhaltens bei einem Vorstellungsgespräch liegen und nicht auf einer bewussten und nach außen hin deutlich gemachten Verweigerungshaltung des Klägers gegründet ist. Dabei sind die konkreten Umstände des Einzelfalls, insbesondere der Verlauf des Anstellungsgesprächs und die tatsächlichen Äußerungen von Belang. Das Sozialgericht hätte sich vor diesem Hintergrund nicht damit begnügen dürfen, die Zeugin lediglich zu fragen, ob sie bei der in ihrem Schreiben vom 19.12.2012 getätigten Aussage bleibt. Dies gilt vor allem vor dem Hintergrund, dass der Kläger einen völlig anderen Inhalt des Gesprächs im Rahmen seines schriftsätzlichen Vortrags dargestellt hat. Spätestens nach dem Schriftsatz des Klägers vom 12.03.2014, mit welchem er dargelegt hat, warum allein die Äußerung der Zeugin, dass sie bei ihrer Aussage bleibe, nicht bedeute, dass die Aussage zutreffend sei, hätte das Gericht erneut in die Beweisaufnahme eintreten müssen.
Das Urteil des Sozialgerichts kann auf dem Verfahrensmangel beruhen (vgl. hierzu Leitherer in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, a.a.O., § 144 Rn. 35a und 36), da nicht auszuschließen ist, dass durch weitere Ermittlungen eine andere Entscheidung getroffen worden wäre.
Das Beschwerdeverfahren wird als Berufungsverfahren fortgesetzt; der Einlegung einer Berufung durch den Beschwerdeführer bedarf es nicht, § 145 Abs. 5 Satz 1 SGG.
Die Kostenentscheidung bleibt der Berufung vorbehalten.
Der Kläger ist nicht in der Lage, die Kosten der Rechtsverfolgung zu tragen. Prozesskostenhilfe war daher zu bewilligen (§ 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. §§ 119 Abs. 1 Satz 2 ZPO).
Der Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
Fundstellen