Entscheidungsstichwort (Thema)

Kostenentscheidung im Verfahren eines Vertragsarztes gegen die einem dritten Vertragsarzt erteilte Genehmigung zum Betreiben einer Zweigpraxis

 

Orientierungssatz

1. Ein Vertragsarzt ist nicht berechtigt, die einem anderen Vertragsarzt erteilte Genehmigung zum Betrieb einer Zweigpraxis an einem anderen Standort anzufechten. Der Regelung in § 24 Abs. 3 S. 1 Ärzte-ZV kommt keine drittschützende Wirkung zu, weil sie nicht statusbegründend den Zugang zur vertragsärztlichen Versorgung bestimmt.

2. Erklärt der Antragsteller im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes den Rechtsstreit einseitig in der Hauptsache für erledigt, so ist es geboten, die einstweilige Erledigungserklärung kostenrechtlich den Regelungen des § 161 Abs. 2 VwGO zuzuordnen. Danach ist über die Kosten des Verfahrens unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes zu entscheiden.

3. Hinsichtlich der Höhe des Streitwertes in Verfahren auf Genehmigung von Zweigpraxen ist die Regelung des § 52 Abs. 2 GKG maßgeblich. Für die Wertberechnung ist die Länge des Zeitraumes abzuschätzen, die bis zum rechtskräftigen Abschluss des Hauptsacheverfahrens typischerweise zu erwarten ist. Dafür ist grundsätzlich ein Zeitraum von drei Jahren anzusetzen. Aus Gründen des Kostenrisikos ist für das Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ein Zeitraum von zwei Jahren zu bemessen.

 

Tenor

Die Kosten des Verfahrens trägt die Antragsgegnerin.

Der Streitwert wird auf 20.000,00 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I.

Der Antragsteller ist Facharzt für Allgemeinmedizin und als solcher mit Vertragsarztsitz in S zur Teilnahme an der fachärztlichen Versorgung berechtigt. Er beantragte eine Zweigpraxis in E. Diese genehmigte die Antragsgegnerin mit Bescheid vom 26.04.2007 eine Zweigpraxis. Fristgerecht legten der Beigeladene zu 1) und der Beigeladene zu 2), beide als Fachärzte für Innere Medizin mit Vertragsarztsitz in E zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen, Widerspruch gegen den Genehmigungsbescheid ein. Mit Bescheiden vom 28.06.2007 wies die Antragsgegnerin die Widersprüche der Beigeladenen zurück. Die Widersprüche seien zwar zulässig, jedoch unbegründet. Der Regelung in § 24 Abs. 3 Satz 1 Zulassungsverordnung-Ärzte (Ärzte-ZV) komme keine drittschützende Wirkung zu, da diese nicht statusbegründend den Zugang zur vertragsärztlichen Versorgung bestimme. Mit rechtzeitigen Schriftsätzen haben die Beigeladenen zu 1) und zu 2) vor dem Sozialgericht (SG) Dortmund Klage erhoben, die als Hauptsacheklagen verbunden unter den Aktenzeichen S 9 (16) KA 125/07 geführt werden.

Am 11.10.2007 hat der Antragsteller beim SG um einstweiligen Rechtsschutz nachgesucht. Das SG hat den Antrag mit Beschluss vom 15.06.2009 zurückgewiesen. Es fehle an einem besonderen Vollzugsinteresse. Diese Entscheidung hat der Antragsteller fristgerecht mit der Beschwerde angegriffen. Mit Urteil vom 23.07.2009 hat das SG die Klage der Beigeladenen zu 1) und 2) abgewiesen. Hierauf hat der Antragsteller das Beschwerdeverfahren für erledigt erklärt und sinngemäß beantragt,

die Kosten den Beigeladenen zu 1) und 2), hilfsweise die Kosten der Antragsgegnerin aufzuerlegen.

Die Antragsgegnerin und der Beigeladene zu 1) haben sich weder im Beschwerdeverfahren noch im Kostenverfahren geäußert.

Der Beigeladene zu 2) ist dem Kostenantrag des Antragstellers entgegengetreten.

Hinsichtlich des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird Bezug genommen auf die Streitakte sowie den Inhalt der beigezogenen Akten S 9 (16) 125/07 (SG Dortmund).

II.

1. Kostengrundentscheidung

a) Rechtsgrundlage für die Kostengrundentscheidung ist § 197a Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) i.V.m. §§ 154 bis 162 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).

aa) Nach § 155 Abs. 2 VwGO fallen dem Antragsteller die Verfahrenskosten zur Last, sofern er die Klage oder das Rechtsmittel zurücknimmt. Der Antragsteller hat jedoch den Rechtsstreit in der Hauptsache einseitig für erledigt erklärt. Die einseitige Erledigungserklärung führt zur Beendigung des Rechtsstreits in der Hauptsache. Im Gegensatz zur Rechtslage nach § 91a Zivilprozessordnung (ZPO) und § 161 Abs. 2 VwGO hat sie keine eigenständige prozessuale Bedeutung, sondern ist entweder als Klagerücknahme bzw. Berufungsrücknahme oder als Annahme eines abgegebenen Anerkenntnisses zu werten (BSG vom 20.12.1995 - 6 Rka 18/95 - und 09.06.1994 - 6/14a RKa 3/93 -). Dieses Verständnis ist allerdings nicht zwingend und bedarf einer Überprüfung; denn infolge Inkrafttretens des 6.SGG-ÄndG können hierdurch nicht angemessene kostenrechtliche Konsequenzen in den Angelegenheiten des § 197a SGG entstehen.

Während zuvor im Falle einer einseitigen Erledigungserklärung (= Rücknahme des Rechtsbehelfs) über die Kosten nach billigem Ermessen zu entscheiden war (§ 193 SGG), müsste nunmehr nach § 155 Abs. 2 VwGO verfahren werden, mithin derjenige die Kosten des Rechtsstreits tragen, der einen Rechtsbehelf zurücknimmt. Das Gesetz unterstellt dabei, dass der Zurücknehmende der Klageabweisung oder Rechtsmittelzurückwei...

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