Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. einstweiliger Rechtsschutz. Regelungsanordnung. Anordnungsgrund. Fortbestehen im Beschwerdeverfahren trotz Ablaufs des Leistungszeitraums. Asylbewerberleistung. Grundleistung. Einkommenseinsatz von Verwandten (hier: Bruder). kein Familienangehöriger gem § 7 Abs 1 AsylbLG. Anspruch auf Eckregelsatz des Haushaltsvorstandes trotz Zusammenleben mit Bruder
Leitsatz (amtlich)
1. Wird um Leistungen für einen Zeitraum gestritten, der nach Stellung des Antrags auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes beim Sozialgericht liegt, so besteht im Beschwerdeverfahren ein Anordnungsgrund fort, auch wenn wegen zwischenzeitlich eingetretenen Endes des streitigen Zeitraums nur noch um Leistungen für die Vergangenheit gestritten wird.
2. Der Begriff des "Familienangehörigen" in § 7 Abs 1 S 1 AsylbLG ist eng auszulegen und umfasst neben Ehegatten bzw Lebenspartnern nur Eltern und ihre minderjährigen Kinder (Anschluss an LSG Celle-Bremen vom 19.6.2007 - L 11 AY 80/06 = SAR 2007, 116).
3. Zur Frage, ob bei Zusammenleben zweier erwachsener Brüder für einen der Brüder Leistungen nur für einen Haushaltsangehörigen (§ 3 Abs 1 S 2 Nr 3 AsylbLG) oder für beide Brüder Leistungen für einen Haushaltsvorstand (§ 3 Abs 1 S 2 Nr 1 AsylbLG) zu gewähren sind.
Tenor
Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 14.10.2009 geändert. Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, dem Antragsteller Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz für die Zeiträume vom 28. bis 30.09.2009 sowie vom 01.11. bis 15.12.2009 in Höhe von insgesamt 530,37 EUR zu gewähren. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
Die Antragsgegnerin trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Antragstellers zu 1/6 für beide Rechtszüge.
Gründe
I.
Mit einem am 28.09.2009 beim Sozialgericht eingegangenen Antrag beantragte der Antragsteller, die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihm ab Antragstellung bei der Antragsgegnerin am 23.03.2009 Leistungen nach § 3 Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) zu gewähren.
Mit Beschluss vom 14.10.2009 lehnte das Sozialgericht diesen Antrag ab. Soweit der Antragsteller die Gewährung von Leistungen für die Vergangenheit begehre, fehle ein Anordnungsgrund. Es widerspräche dem Wesen des vorläufigen Rechtsschutzes, eine einstweilige Leistungsverpflichtung für bereits vergangene Zeiträume auszusprechen. Für die Zeit ab Antragseingang beim Sozialgericht (28.09.2009) sei kein Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. Nach § 8 Abs. 1 AsylbLG würden Leistungen nicht gewährt, sofern der erforderliche Lebensunterhalt anderweitig gedeckt werde. Nach § 7 Abs. 1 Satz 1 AsylbLG seien das verfügbare Einkommen und Vermögen des Leistungsberechtigten und seiner im gleichen Haushalt lebenden Familienangehörigen vor Eintritt der Leistungen nach dem AsylbLG aufzubrauchen. Der Begriff des Familienangehörigen im Sinne von § 7 AsylbLG umfasse auch den Bruder des Antragstellers, welcher über Einkommen verfügt habe. Im Übrigen bestehe kein Rechtsschutzbedürfnis. Denn es gebe für den Zeitraum ab dem 28.09.2009 keine ablehnende Entscheidung der Antragsgegnerin und auch keinen nicht bearbeiteten Leistungsantrag. Ein Bescheid vom 03.07.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.09.2009 beinhalte nur eine Regelung für die Zeit von März bis Juni 2009. Der Widerspruch des Antragstellers vom 21.07.2009 beziehe sich auch nur auf eine Kürzung für die Monate März und April 2009. Der Antragsteller habe im Widerspruchsverfahren jedoch niemals eine Leistungsgewährung über Juni 2009 hinaus verlangt. Für Juni 2009 sei sein Anspruch sogar in voller Höhe anerkannt worden. Für die Zeit nach Juni 2009 hätte der Antragsteller nur einen Antrag bei der Antragsgegnerin stellen und seiner Mitwirkungspflicht durch Vorlage der Lohnabrechnungen seines Bruders nachkommen müssen, um weitere Leistungen zu erhalten. Man könne nicht im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes Leistungen erzwingen, die man auf einfacherem Wege durch Vorsprache bei der Behörde und vor allem mit der erforderlichen Mitwirkung ohnehin erhalten könnte. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Beschluss Bezug genommen.
Gegen den am 15.10.2009 zugestellten Beschluss hat der Antragsteller am 16.11.2009 (Montag) Beschwerde eingelegt. Er trägt u.a. vor, ein Leistungsanspruch nach Juni 2009 habe keines weiteren Antrags bedurft, da Leistungen nach dem AsylbLG von Amts wegen zu gewähren seien. Der Vorlage von Lohnabrechnungen seines Bruders hätte es nicht bedurft, da der Begriff des Familienangehörigen in § 7 AsylbLG eng auszulegen sei.
Nachdem der Antragsteller am 15.12.2009 aus dem Zuständigkeitsbereich der Antragsgegnerin verzogen ist, beantragt er nunmehr sinngemäß die einstweilige Verpflichtung der Antragsgegnerin, ihm Leistungen nach dem AsylbLG für die Zeit vom 01.03.2009 bis 15.12.2009 vorläufig zu gewähren.
Die Antragsgegnerin errechnet den Leistu...