Entscheidungsstichwort (Thema)

Voraussetzungen einer Änderung des Prozesskostenhilfe bewilligenden Beschlusses nach Abschluss des Verfahrens

 

Orientierungssatz

1. Das Gericht kann nach § 73 a Abs. 1 SGG i. V. m. § 120 Abs. 4 ZPO gegenüber einer Partei, deren persönliche und wirtschaftliche Verhältnisse sich nach Bewilligung von PKH maßgeblich geändert haben, innerhalb von vier Jahren seit der rechtskräftigen Entscheidung oder sonstigen Beendigung des Verfahrens, den ergangenen PKH-Beschluss ändern.

2. Ein fehlerfreies gerichtliches Verfahren setzt u. a. eine wirksame Aufforderung zur Abgabe der Erklärung gemäß §§ 120 Abs. 4 S. 2, 124 Nr. 2 ZPO voraus. Dies ist bei einem anwaltlich vertretenen Beteiligten dann nicht der Fall, wenn die Aufforderung zur Mittelung wesentlicher Änderungen an den Kläger persönlich und damit nicht an den zutreffenden Adressaten gerichtet wird. Die dem bevollmächtigten Anwalt erteilte Vollmacht wirkt über die Beendigung des Hauptsacheverfahrens hinaus fort. Daraus folgt, dass die Aufforderung zur Abgabe der Erklärung nach § 120 Abs. 4 S. 2 ZPO wirksam nur an den Prozessbevollmächtigten des Klägers gerichtet werden kann.

 

Normenkette

ZPO § 120 Abs. 4 Sätze 1-2, § 124 Abs. 1 Nr. 2; SGG § 172 Abs. 3 Nr. 2, § 73 Abs. 2 S. 1, Abs. 6 S. 5, § 73a Abs. 1 S. 1

 

Tenor

Auf die Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Sozialgerichts Duisburg vom 28.01.2013 aufgehoben.

Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

Die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Sozialgerichts (SG) Duisburg vom 28.01.2013, mit dem der Beschluss über die Bewilligung der Prozesskostenhilfe vom 29.06.2009 aufgehoben wurde, ist statthaft.

Der mit Wirkung zum 01.04.2008 eingeführte § 172 Abs. 3 Nr. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) steht der Statthaftigkeit der Beschwerde nicht entgegen. Nach dieser Regelung ist die Beschwerde ausgeschlossen gegen die Ablehnung von Prozesskostenhilfe, wenn das Gericht ausschließlich die persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Prozesskostenhilfe verneint. Die Norm des § 172 Abs. 3 Nr. 2 SGG erfasst schon nach ihrem Wortlaut ausschließlich die Ablehnung von Prozesskostenhilfe, nicht dagegen - wie hier den Fall - die nachträgliche Aufhebung der Bewilligung von Prozesskostenhilfe gemäß § 124 Abs. 1 Nr. 2 Zivilprozessordnung (ZPO) i.V.m. § 73a SGG. Auch der Entstehungsgeschichte (hierzu BT-Drucksache 16/7716, S. 106) ist nicht zu entnehmen, dass eine erweiternde Auslegung im vorliegenden Kontext angezeigt wäre (LSG NRW, Beschluss vom 02.03.2011 - L 7 AS 194/11 B; LSG NRW, Beschluss vom 02.09.2008 - L 7 B 228/08 AS; LSG NRW, Beschluss vom 29.11.2010 - L 19 AS 1640/10 B).

Die beim SG am 13.03.2013 beim SG eingegangene Beschwerde des Bevollmächtigten gegen den ihm am 13.02.2013 zugestellten Beschluss vom 28.01.2013 ist begründet. Gemäß § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG gelten die Vorschriften der ZPO über die Prozesskostenhilfe im sozialgerichtlichen Verfahren entsprechend. Gemäß § 124 Nr. 2 Alt. 2 ZPO kann das Gericht die Bewilligung der Prozesskostenhilfe aufheben, wenn die Partei absichtlich oder aus grober Nachlässigkeit unrichtige Angaben über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse gemacht oder eine Erklärung nach § 120 Abs. 4 Satz 2 ZPO nicht abgegeben hat. Gemäß § 120 Abs. 4 Satz 1 ZPO kann das Gericht gegenüber einer Partei, deren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sich nach Bewilligung von Prozesskostenhilfe maßgeblich geändert haben, innerhalb von vier Jahren seit der rechtskräftigen Entscheidung oder sonstigen Beendigung des Verfahrens den Beschluss ändern.

Vorliegend kann dahinstehen, ob das SG ohne jeden konkreten Anlass im Rahmen einer rein routinemäßigen Überprüfung eine Aufforderung nach § 120 Abs. 4 ZPO Satz 2 ZPO an den Kläger richten durfte (ablehnend LSG BW, Beschlüsse vom 09.06.2011, L 13 AS 120/11 B und vom 11.07.2011 - L 2 AS 1462/11 B unter Hinweis auf LSG NRW, Beschluss vom 07.12.2009 - L 19 B 41/09 AL). Denn jedenfalls wurde das Verfahren nicht fehlerfrei durchgeführt. Zumindest fehlt es an einer wirksamen Aufforderung zur Abgabe der Erklärung gemäß § 120 Abs. 4 Satz 2, § 124 Nr. 2 ZPO. Die Aufforderung zur Mitteilung wesentlicher Änderungen wurde an den Kläger persönlich und damit nicht an den zutreffenden Adressaten gerichtet. Sie hätte gemäß § 73 Abs. 6 Satz 5 SGG an den Prozessbevollmächtigten gerichtet werden müssen. Danach sind, wenn ein Bevollmächtigter bestellt ist, Zustellungen und Mitteilungen des Gerichts an diesen zu richten. Einer neuen Bevollmächtigung von Rechtsanwalt N für das Überprüfungsverfahren bedurfte es indes nicht. Er war bereits vor Erlass des Prozesskostenhilfebeschlusses vom 29.06.2009 als Bevollmächtigter gemäß § 73 Abs. 2 Satz 1 SGG bestellt und hatte den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe selbst gestellt. Seine Vollmacht ist nicht erloschen, so dass von der Fortdauer der Bestellung zum Prozessbevollmächtigten auszugehen ist. Die ihm von dem Kläger erteilte Vollmacht wirkt auch über die Beendigung des Hauptsach...

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