Entscheidungsstichwort (Thema)

Höhe der im einstweiligen Rechtsschutz anfallenden Verfahrensgebühr bei Vorbefassung des Rechtsanwalts

 

Orientierungssatz

1. Der Gebührentatbestand der Nr. 3103 VV RVG stellt eine vorrangige Sondervorschrift zu Nr. 3102 VV RVG mit einem geminderten Gebührenrahmen dar. Er berücksichtigt typisierend, dass bei Vorbefassung des Rechtsanwalts in einem dem Klageverfahren vorausgegangenen Verwaltungs- oder Widerspruchsverfahren ein Synergieeffekt auftritt, der sich in Gestalt einer Verringerung des Arbeitsaufwands und der Schwierigkeit im nachfolgenden Verfahren niederschlägt.

2. Die typisierende Annahme eines Synergieeffektes ist dann berechtigt, wenn über die zeitliche Nachfolge des weiteren Verfahrens hinaus auch eine Identität der Streitgegenstände im vorausgegangenen Verwaltungsverfahren und im nachfolgenden Verfahren besteht.

3. Im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ist über die im vorausgehenden Verwaltungsverfahren streitgegenständliche Frage des materiell-rechtlichen Anspruchs hinaus zusätzlich die Auseinandersetzung damit erforderlich, ob ein Anordnungsgrund i. S. der Eilbedürftigkeit einer gerichtlichen Regelung vorliegt. Damit ist eine Reduzierung des Gebührenrahmens nach Nr. 3103 VV RVG typisierend regelmäßig nicht gerechtfertigt. Der Gebührenrahmen für die Verfahrensgebühr im einstweiligen Rechtsschutz ist deshalb der Nr. 3102 VV RVG zu entnehmen.

4. Bei einem durchschnittlichen Umfang der anwaltlichen Tätigkeit, unterdurchschnittlicher Bedeutung der geltend gemachten Grundsicherungsleistung für einen begrenzten Zeitraum und unterdurchschnittlichen Einkommensverhältnissen des Antragstellers ist für die im einstweiligen Rechtsschutzverfahren anfallende Verfahrensgebühr eine Reduktion auf 2/3 der Mittelgebühr = 166,67 €. vorzunehmen.

 

Tenor

Auf die Beschwerde des Bezirksrevisors wird der Beschluss des Sozialgerichts Detmold vom 16.12.2009 geändert. Die aus der Staatskasse zu erstattende Vergütung wird festgesetzt auf 286,79 EUR. Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

I.

Streitig ist die Höhe der aus der Staatskasse zu erstattenden Vergütung eines Rechtsanwalts nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) nach abgeschlossenem Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes im Bereich der Grundsicherung nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II).

Am 11.12.2008 beantragte die in Bedarfsgemeinschaft mit ihrer 2003 geborenen Tochter lebende Antragstellerin Leistungen nach dem SGB II bei der Rechtsvorgängerin des Antragsgegners (im Folgenden einheitlich: Antragsgegner).

Nachdem die Antragstellerin nicht bzw. nicht vollständig die Unterlagen beigebracht hatte, deren Beibringung ihr mit Schreiben vom 08.01.2009 aufgegeben worden war, lehnte der Antragsgegner mit Bescheid vom 27.01.2009 den Leistungsantrag ab, weil sich unter Berücksichtigung der nachgewiesenen Bedarfe und Einkünfte kein Anspruch ergebe.

Gegen diesen Bescheid hat der Prozessbevollmächtigte der Antragsteller am 11.02.2009 Widerspruch eingelegt und damit begründet, die Antragstellerin zu 1) habe glaubhaft versichert, über kein Einkommen zu verfügen und sich und ihr Kind nicht ernähren sowie keine Miete bezahlen zu können. Sie sei auch nicht krankenversichert.

Den am 20.02.2009 an das Sozialgericht gestellten Antrag auf einstweilige Verpflichtung des Antragsgegners zur Gewährung von Leistungen nach dem SGB II hat der Prozessbevollmächtigte der Antragsteller damit begründet, die Antragstellerin zu 1) habe angegeben, über kein Einkommen zu verfügen und sich und ihr Kind nicht ernähren sowie keine Miete bezahlen zu können. Sie sei auch nicht krankenversichert.

Der Antragsgegner hat erwidert, für eine Leistungsbewilligung fehle es an der Vorlage weiterer Unterlagen wie z.B. lückenloser Kontenauszüge, Nachweisen über Mietzahlungen, Kindergeldbescheiden.

Nach Vorlage weiterer Unterlagen durch die Antragstellerin zu 1), einer eigenen eidesstattlichen Versicherung zu fehlenden Einkünften und ihrem Mietverhältnis sowie einer eidesstattlichen Versicherung ihrer Eltern, wonach diese Mietschulden der Antragsteller vorübergehend darlehensweise übernommen hatten, kündigte der Antragsgegner mit Schreiben vom 17.04.2009 seine Bereitschaft an, auf Grundlage der bislang vorgelegten Unterlagen Leistungen nach dem SGB II ab dem 20.02.2009 vorläufig zu bewilligen und über eine endgültige Festsetzung von Leistungen im Rahmen des laufenden Widerspruchsverfahrens nach Vorlage der gesamten geforderten Unterlagen zu entscheiden. Zur Übernahme von Kosten sei der Antragsgegner nicht bereit.

Mit Bescheid vom 22.04.2009 hat der Antragsgegner den Antragstellern Leistungen nach dem SGB II für die Zeit ab dem 20.02.2009 bis 31.05.2009 vorläufig bewilligt.

Am 21.04.2009 hat der Beschwerdegegner im Namen der Antragsteller das Angebot der Antragsgegnerin angenommen und die Hauptsache für erledigt erklärt. Er hat ferner beantragt, den Antragsgegner zur Tragung der außergerichtlichen Kosten der Antragsteller zu verpflichten.

Mit Beschluss vom 30.04.2009 hat das So...

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