Entscheidungsstichwort (Thema)
Bewilligung von Leistungen der Grundsicherung für einen arbeitsuchenden Unionsbürger im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes
Orientierungssatz
1. Zu der Frage, ob der Leistungsausschluss des § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB 2 für Unionsbürger, bei denen die Arbeitsuche zu bejahen ist, Gültigkeit besitzt, steht eine Entscheidung des EuGH noch aus. Dessen Entscheidung vom 11. 11. 2014 betrifft einen Unionsbürger, der sich nicht um Arbeit bemüht hat und der mit dem Ziel eingewandert ist, um in den Genuss von Sozialhilfe zu kommen.
2. Hat sich ein Unionsbürger glaubhaft um Arbeit bemüht und auch für einen kurzen Zeitraum Arbeit gehabt, so unterfällt er nicht der Entscheidung des EuGH vom 11. November 2014, C-333/13.
3. Aufgrund der Komplexität der Rechtsfragen kann die Geltung des § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 für einen arbeitsuchenden Unionsbürger im summarischen Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nicht abschließend geklärt werden. Daher ist anhand einer Folgenabwägung zu entscheiden. Diese fällt wegen der Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums durch Leistungen nach dem SGB 2 zu Gunsten des Antragstellers aus.
4. Die Leistungen sind entsprechend § 41 Abs. 1 S. 4 SGB 2 für einen begrenzten Zeitraum zuzuerkennen.
Tenor
Auf die Beschwerde der Antragsteller wird der Beschluss des Sozialgerichts Düsseldorf vom 30.10.2014 geändert. Der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, den Antragstellern ab dem 01.02.2015 bis zum 30.04.2015 Leistungen zur Deckung des Regelbedarfs nach dem SGB II nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu zahlen. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
Den Antragstellern wird für das Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwältin T, L, beigeordnet.
Der Antragsgegner hat 1/4 der außergerichtlichen Kosten der Antragssteller für beide Rechtszüge zu erstatten.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten um Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes.
Die Antragsteller sind bulgarische Staatsangehörige. Der Antragsteller zu 1) ist vor ca. 2 Jahren nach Deutschland eingereist. Die Antragstellerin zu 2) folgte ihm ca. sechs Monate später. Sie ging im Zeitraum vom 13.08.2013 bis zum 14.03.2014 einer geringfügigen Beschäftigung nach. Das Beschäftigungsverhältnis wurde aus betriebsbedingten Gründen gekündigt. Vom vormals zuständigen Jobcenter S erhielten die Antragsteller ursprünglich Leistungen für den Zeitraum vom 01.08.2014 bis zum 31.01.2015. Aufgrund Umzugs der Antragsteller in das Zuständigkeitsgebiet des Antragsgegners wurde der Bewilligungsbescheid mit Bescheid vom 07.08.2014 aufgehoben. Leistungen erhielten die Antragsteller bis Ende August 2014.
Im August 2014 beantragten die Antragsteller Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II beim Antragsgegner. Sie trugen im Rahmen der Antragstellung ohne einen Übersetzer vor, ihr Lebensunterhalt werde von der Cousine und dem Bruder aus Bulgarien bestritten. Die Antragsteller forderten den Antragsgegner zur Bescheidung ihres Antrags bis zum 06.10.2014 auf.
Am 07.10.2014 haben die Antragsteller beim Sozialgericht Düsseldorf (SG) beantragt, den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zur Zahlung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts zu verpflichten. Die Antragsteller sind der Auffassung, die Antragstellerin habe aufgrund ihrer Tätigkeit einen Bezug zum deutschen Arbeitsmarkt hergestellt. Der Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II sei weder mit Gemeinschaftsrecht noch mit Verfassungsrecht zu vereinbaren.
Mit Bescheid vom 09.10.2014 hat der Antragsgegner den Antrag auf Leistungen abgelehnt. Hiergegen richtet sich der Widerspruch der Antragsteller vom 14.10.2014, über den noch nicht entschieden ist.
Der Antragsgegner hat vorgetragen, die Antragsteller seien nicht hilfebedürftig, der Antragsteller habe im Rahmen der Antragstellung erklärt, er besitze ca. 70 ha Wald in Bulgarien. Im Übrigen seien die Antragsteller vom Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II erfasst.
Mit Beschluss vom 30.10.2014 hat das SG den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt. Eine Bedürftigkeit sei von den Antragstellern nicht glaubhaft gemacht worden. Es sei nicht nachvollziehbar, dass nicht eine weitere Unterstützung der Verwandten erfolgen könne. Der Antragsteller verfüge über beträchtliches Grundvermögen.
Gegen den am 06.11.2014 zugestellten Beschluss richtet sich die Beschwerde der Antragssteller vom 13.11.2014. Die Antragsteller haben zur Glaubhaftmachung ihrer Bedürftigkeit eine Bescheinigung der Gemeinde W, Bulgarien überreicht, nach der laut bei der Gemeinde vorliegender Dokumente keine Eintragung des Antragstellers als Eigentümer oder Nutzer bestehe. Die Antragsteller haben zudem die sich im Soll befindlichen Kontoauszüge der letzten drei Monate eingereicht und vorgetragen, die Verwandten seien nur bis zur Durchsetzung der Leistungsansprüche eingesprungen...