Entscheidungsstichwort (Thema)
Anfechtung der Genehmigung einer Verlegung des Vertragsarztsitzes im Wege der defensiven Konkurrentenklage
Orientierungssatz
1. Ein Vertragsarzt ist im Wege der sog. defensiven Konkurrentenklage dann berechtigt, die zugunsten eines anderen Vertragsarztes ergangene Entscheidung anzufechten, wenn ein faktisches Konkurrenzverhältnis vorliegt, durch das plausibel wird, dass der bereits zugelassene Arzt eine nicht nur geringfügige Schmälerung seiner Erwerbsmöglichkeiten zu befürchten hat.
2. Im Falle der bloßen Verlegung des Vertragsarztsitzes besteht die Besonderheit, dass der Konkurrent bereits über einen durch die Zulassung an seinem Vertragsarztsitz vermittelten Status verfügt und ihm damit der Zugang zur vertragsärztlichen Versorgung bereits grundsätzlich eröffnet ist. Dies führt zu keiner rechtlichen Erweiterung des Kreises der Patienten, die ein die Verlegung betreibender Vertragsarzt behandeln darf. Damit ist eine Anfechtungsbefugnis im Wege der Konkurrentenklage ausgeschlossen.
3. Im übrigen endet eine vertragsärztliche Berufsausübungsgemeinschaft (BAG) bereits dann, wenn dem Zulassungsausschuss eine einseitige Willenserklärung zugeht, mit der sich ein Partner von der BAG lossagt.
4. Im einstweiligen Rechtsschutz ist eine Abwägung zwischen dem Individualinteresse des Arztes, seine Praxis und seinen Vertragsarztsitz zu verlegen, und andererseits dem öffentlichen Interesse an einer ordnungsgemäßen vertragsärztlichen Versorgung zu treffen. Insoweit überwiegt grundsätzlich das Interesse, eine fortführungsfähige Praxis einschließlich des Vertragsarztsitzes zu verlegen und diese Praxis innerhalb des Systems der gesetzlichen Krankenversicherung betreiben zu können.
Tenor
Die Beschwerde der Beschwerdeführerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Düsseldorf vom 18.08.2010 wird zurückgewiesen.
Die Beschwerdeführerin trägt auch die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der Kosten des Beigeladenen zu 8).
Der Streitwert wird auf 20.000,00 EUR festgesetzt.
Gründe
I.
Die Beschwerdeführerin begehrt einstweiligen Rechtsschutz.
Sie ist als Fachärztin für Diagnostische Radiologie seit dem Jahre 2001 mit dem Beigeladenen zu 8), ebenfalls einem Facharzt für Diagnostische Radiologie, in einer Berufsausübungsgemeinschaft (BAG) am Vertragsarztsitz C-Straße 00 in S vertragsärztlich tätig. Auf Antrag des Beigeladenen zu 8) genehmigte der Zulassungsausschuss für Ärzte Düsseldorf mit Beschlüssen vom 08.10.2009 die Verlegung seines Vertragsarztsitzes zur B-Straße 00 in S mit Wirkung vom 01.01.2010 und stellte zugleich die Beendigung der Berufsausübungsgemeinschaft zum 31.12.2009 fest. Mit ihrem Widerspruch wendete sich die Beschwerdeführerin dagegen, dass dem Beigeladenen zu 8) "die vertragsärztliche Zulassung für die Niederlassung B-Straße in S erteilt worden sei". Sie habe ein Rechtsschutzbedürfnis für den Widerspruch. Der Beigeladene zu 8) sei im Jahre 2001 in die BAG aufgenommen worden und habe unter ihrer maßgeblichen Mitwirkung die vertragsärztliche Zulassung erhalten. Entgegen der sich aus dem Gesellschaftsvertrag ergebenden Verpflichtung habe der Beigeladene zu 8) bislang weder einen Kaufpreis gezahlt noch einen Kapitalanteil erworben. Vielmehr habe er immer seine Beteiligung und die Zahlung eines Kaufpreises angekündigt, bis er sich am 29.06.2009 entschieden habe, den Gemeinschaftspraxisvertrag zu kündigen und die Zulassung ohne Zahlung eines Kaufpreises "mitzunehmen". Er habe sich für den Fall seines Ausscheidens aufgrund einer Eigenkündigung in § 21 des Gesellschaftsvertrages verpflichtet, ihr die Fortführung der Gemeinschaftspraxis mit einem neuen - vertragsärztlich tätigen - Kollegen zu ermöglichen. Das Fortbestehen der BAG werde durch den Antrag auf Sitzverlegung und Beendigung vereitelt. Da der auf eigenen Wunsch ausscheidende Nullbeteiligungsgesellschafter eine vertragsärztliche Zulassung vorgefunden habe und bei seinem Ausscheiden ein Abfindung beanspruchen könne, habe sie als verbleibende Gesellschafterin ein berechtigtes Interesse daran, dass die Gemeinschaftspraxis mit der Anzahl von Ärzten fortgeführt werde, für die sie eingerichtet sei. Schließlich ergebe sich ihr Rechtsschutzbedürfnis daraus, dass sie ausgelagerte Praxisräume an einem nur ca. 300 m von dem vorgesehenen Niederlassungsort des Beigeladenen zu 8) befindlichen Standort betreibe. Zwischen beiden Praxen bestünde ein unmittelbarer Wettbewerb. Zudem versuche der Beigeladene zu 8), die bisherigen Patienten der Gemeinschaftspraxis zu gewinnen, um seine Neuzulassung wirtschaftlich zu konsolidieren. Die Beendigung der BAG führe zur Neugründung von zwei Einzelpraxen. Dadurch werde der Wert der bisherigen Gemeinschaftspraxis erheblich geschmälert und die wirtschaftliche Existenz der jeweiligen Einzelpraxis nicht mehr gesichert. Der Beigeladene zu 8) besitze keine Abrechnungsgenehmigung und verfüge über keine abrechnungsfähigen radiologischen Geräte.
Mit Beschluss vom 16.12.2009 hat der Beschwerdegegner den Widerspruch zurückge...