Entscheidungsstichwort (Thema)
Anforderungen an die Glaubhaftmachung des Anordnungsgrundes zur Bewilligung von Leistungen für die Unterkunft durch einstweiligen Rechtsschutz
Orientierungssatz
1. Zur Bewilligung von Leistungen für die Unterkunft nach § 22 SGB 2 durch einstweiligen Rechtsschutz ist die Glaubhaftmachung eines Anordnungsanspruchs und eines Anordnungsgrundes erforderlich. Es genügt, wenn die tatsächlichen Voraussetzungen überwiegend wahrscheinlich sind.
2. Der erforderliche Anordnungsgrund ist dann gegeben, wenn eine baldige Wohnungs- bzw. Obdachlosigkeit droht. Eine derartige Gefahr ist frühestens ab Zustellung einer Räumungsklage anzunehmen. Mietrückstände allein begründen noch keine unmittelbare Gefährdung des Grundrechts aus Art. 13 GG.
Tenor
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 18.09.2015 wird, soweit sie sich gegen die Ablehnung des Antrages auf Erlass einer einstweiligen Anordnung richtet, zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch für das Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.
Gründe
Die zulässige Beschwerde ist nicht begründet.
Das Sozialgericht hat den Antrag auf Verpflichtung des Antragsgegners, der Antragstellerin vorläufig Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) in Form der Regelleistungen sowie der Kosten der Unterkunft und Heizung zu gewähren, zu Recht abgelehnt.
Nach § 86b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung setzt somit voraus, dass ein materieller Anspruch besteht, für den vorläufiger Rechtsschutz begehrt wird (Anordnungsanspruch), und dass der Erlass einer gerichtlichen Entscheidung besonders eilbedürftig ist (Anordnungsgrund). Eilbedürftigkeit besteht, wenn dem Betroffenen ohne die Eilentscheidung eine erhebliche, über Randbereiche hinausgehende Verletzung in seinen Rechten droht, die durch die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr beseitigt werden kann (vgl. BVerfG, Beschl. vom 12.05.2005 - 1 BvR 569/05, Rn. 23 bei juris). Der gemäß Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz (GG) von den Gerichten zu gewährende effektive Rechtsschutz bedeutet auch Rechtsschutz innerhalb angemessener Zeit. Daraus folgt, dass gerichtlicher Rechtsschutz namentlich in Eilverfahren so weit wie möglich der Schaffung solcher vollendeter Tatsachen zuvorzukommen hat, die dann, wenn sich eine Maßnahme bei (endgültiger) richterlicher Prüfung als rechtswidrig erweist, nicht mehr rückgängig gemacht werden können (BVerfG, Beschl. vom 16.05.1995 - 1 BvR 1087/91, Rn. 28 bei juris).
Der geltend gemachte (Anordnungs-)Anspruch und die Eilbedürftigkeit sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG in Verbindung mit §§ 920 Abs. 2, 294 Abs. 1 Zivilprozessordnung -ZPO-). Für die Glaubhaftmachung genügt es, wenn die tatsächlichen Voraussetzungen von Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund überwiegend wahrscheinlich sind (vgl. BSG, Beschl. vom 08.08.2001 - B 9 V 23/01, Rn. 5 bei juris).
Ob ein Anordnungsanspruch vorliegt, ist in der Regel durch summarische Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache zu ermitteln. Können ohne die Gewährung von Eilrechtsschutz jedoch schwere und unzumutbare Nachteile entstehen, die durch das Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen wären, ist eine abschließende Prüfung erforderlich (BVerfG, Beschl. vom 12.05.2005 - 1 BvR 569/05, Rn. 24 f. bei juris). Liegt ein Anordnungsanspruch nicht vor, ist ein schützenswertes Recht zu verneinen und der Eilantrag abzulehnen. Hat die Hauptsache hingegen offensichtlich Aussicht auf Erfolg, ist dem Eilantrag stattzugeben, wenn die Angelegenheit eine gewisse Eilbedürftigkeit aufweist. Bei offenem Ausgang muss das Gericht anhand einer Folgenabwägung entscheiden, die die grundrechtlichen Belange des Antragstellers umfassend zu berücksichtigen (BVerfG, Beschl. vom 12.05.2005 - 1 BvR 569/05, Rn. 26 bei juris); vgl. auch Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl. 2014, § 86b Rn 29a).
Es ist bereits fraglich, ob ein Anordnungsgrund vorliegt. Die Antragstellerin wirkt nicht in dem gebotenen Maße bei der Aufklärung des Sachverhalts mit. Zwar hat sie die Fragen des Senates beantwortet und auch entsprechende Unterlagen vorgelegt. Es ist aber offen geblieben, warum der Bruder der Antragstellerin dieser am 29.06.2012 - zu einer Zeit, als die später geschiedene Ehe noch bestand und sich die Antragstellerin in einer finanziell sorgenfreien Lage befand - ein Darlehn - nur an die Antragstellerin persönlich, nicht auch an ihren Ehemann - gewährt haben soll, insbesondere, wieso dies notwendig gewesen sein soll, das im Übrigen bis zur angeblichen Tilgung in einer Summe im Januar 2015 offensichtlich nicht bedient worden sein soll. Auch ist unbeantwortet geblie...