Entscheidungsstichwort (Thema)

Ununterbrochene Bedürftigkeit des Asylbewerbers als Voraussetzung der rückwirkenden Gewährung von Analogleistungen

 

Orientierungssatz

1. Die Bewilligung von Prozesskostenhilfe setzt u. a. hinreichende Aussicht auf Erfolg in der Sache voraus. Eine beabsichtigte Rechtsverfolgung bietet u. a. dann hinreichende Aussicht auf Erfolg, wenn der Fall eine schwierige Rechtsfrage aufwirft, die höchstrichterlich noch nicht geklärt, aber klärungsbedürftig ist.

2. Mit dem Urteil des BSG vom 09. Juni 2011 - B 8 AY 1/10 R - ist die Frage der rückwirkenden Gewährung von Analogleistungen nach dem AsylbLG bei zwischenzeitlichem Bedürftigkeitswegfall beantwortet. Danach kann eine Nachzahlung von Analogleistungen nach § 2 AsylbLG anstelle gewährter Grundleistungen nach § 3 AsylbLG nach § 44 SGB 10 nur erfolgen, wenn ununterbrochene Bedürftigkeit i. S. des AsylbLG, des SGB 12 oder des SGB 2 vorliegt.

 

Tenor

Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Duisburg vom 30.01.2012 wird zurückgewiesen. Kosten sind im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.

 

Gründe

I.

Der Kläger begehrt in dem Hauptsacheverfahren die Zuerkennung höherer Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) im Rahmen eines Überprüfungsverfahrens nach § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X).

Der am 00.00.1987 geborene Kläger stand in der Vergangenheit seit Jahren im Leistungsbezug bei der Beklagten, die ihm Grundleistungen nach § 3 AsylbLG gewährte. Seit Januar 2009 erhielt er (höhere) Analogleistungen nach § 2 AsylbLG.

Am 03.09.2009 beantragte er unter Hinweis auf § 44 SGB X die Rücknahme der nach § 3 AsylbLG ergangenen Bewilligungsbescheide für den Zeitraum vom 01.01.2005 bis Dezember 2008 sowie die Gewährung von Analogleistungen für den genannten Zeitraum. Nach Überprüfung bot die Beklagte dem Kläger zunächst an, für die Zeit von Januar 2005 bis Dezember 2008 insgesamt einen Betrag i.H.v. 1.504,83 EUR nachzuzahlen; hierauf ging der Kläger nicht ein.

Mit Bescheid vom 23.02.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.04.2010 bewilligte die Beklagte dem Kläger Leistungen nach § 2 AsylbLG unter Berücksichtigung von § 44 SGB X für die Zeit vom 01.01.2005 bis zum 31.12.2008 i.H.v. 1.504,83 EUR. Sie wies darauf hin, dass im Hinblick auf den sog. "Aktualitätsgrundsatz" rückwirkend nicht die volle Differenz zwischen den gewährten Grund- und den zu gewähren gewesenen Analogleistungen nachzuzahlen sei.

Am 29.04.2010 erhob der Kläger Klage vor dem Sozialgericht Duisburg, mit der er sein Begehren auf höhere Leistungen weiterverfolgt. Mit der Klageerhebung beantragte er zugleich die Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung seiner Bevollmächtigten; diesen Antrag lehnte das Sozialgericht mit Beschluss vom 23.05.2011 ab, weil trotz Erinnerung die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Klägers nicht vorgelegt worden waren.

Das Klageverfahren ruhte im Hinblick auf das beim Bundessozialgericht (BSG) anhängige Revisionsverfahren - B 8 AY 1/10 R (Beschluss des Sozialgerichts vom 07.10.2010). In jenem Verfahren war zu klären, ob bei der Nachzahlung von Analogleistungen nach § 44 SGB X der "Aktualitätsgrundsatz" Berücksichtigung finden kann. Nach Abschluss des Revisionsverfahrens beantragte der Kläger am 21.09.2011 die Wiederaufnahme des Klageverfahrens sowie erneut die Bewilligung von Prozesskostenhilfe diesmal unter Beiordnung von Rechtsanwalt I; die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Klägers ging am 24.01.2012 beim Sozialgericht ein.

In der Zeit vom 01.04.2010 bis zum 31.12.2010 (9 Monate) und vom 16.05. bis 31.08.2011 (3½ Monate) war der Kläger erwerbstätig. Ein Anspruch auf Leistungen nach dem AsylbLG stand ihm deswegen nicht zu; seinen Lebensunterhalt konnte er (in den meisten Monaten) vielmehr aus seinem Erwerbseinkommen bestreiten. Inzwischen bezieht er erneut Leistungen nach § 2 AsylbLG.

Die Beklagte vertritt nunmehr die Auffassung, die Klage sei abzuweisen, weil das BSG im Urteil vom 09.06.2010 - B 8 AY 1/10 R (Rn. 20) erneut klargestellt habe, dass eine Nachzahlung von Leistungen nach § 44 SGB X nur erfolgen könne, wenn ununterbrochen Bedürftigkeit im Sinne des AsylbLG, des Zwölften Buches des Sozialgesetzbuches oder des Zweiten Buches des Sozialgesetzbuches vorliege. Der Kläger sei jedoch - in den vorgenannten Zeiträumen - aufgrund seiner Erwerbstätigkeit nicht mehr bedürftig gewesen.

Mit Beschluss vom 30.01.2012 hat das Sozialgericht auch den neuerlichen Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung des Rechtsanwaltes abgelehnt. Die Rechtsverfolgung biete keine hinreichende Aussicht auf Erfolg mehr. Die pauschalierte Berechnung der Beklagten sei zwar nach Maßgabe der Entscheidung des BSG vom 09.06.2011 - B 8 AY 1/10 R wohl nicht rechtmäßig gewesen. Das BSG habe jedoch erneut ein temporäres Entfallen der Bedürftigkeit als anspruchsvernichtend angesehen; maßgeblicher Zeitpunkt sei insofer...

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