Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende: Kosten der Unterkunft. Bewertung der Angemessenheit von Unterkunftskosten. Nachweis der Unzumutbarkeit eines Wohnungswechsels bei psychischer Erkrankung in Form einer Depression
Orientierungssatz
1. Allein eine ärztliche Bescheinigung, dass ein Grundsicherungsempfänger aufgrund einer Depression der Belastung eines erzwungenen Wohnungswechsels nicht ausgesetzt werden dürfte, genügt jedenfalls dann nicht als Nachweis der Unzumutbarkeit eines Wohnungswechsels trotz unangemessen hoher Miete, wenn der Betroffene im sozialgerichtlichen Verfahren die vom Gericht eingeräumte Möglichkeit einer amtsärztlichen Untersuchung der Zumutbarkeit eines Umzugs ausschlägt.
2. Im Land Nordrhein-Westfalen ist für einen Ein-Personen-Haushalt im Rahmen der Grundsicherungsleistungen für Arbeitsuchende eine Wohnungsgröße von bis zu 45 Quadratmetern angemessen.
3. Einzelfall zur Beurteilung der Angemessenheit von Kosten der Unterkunft bei verfügbaren kostengünstigeren Alternativwohnungen.
Tenor
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Münster vom 20.05.2005 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.
Gründe
Die zulässige Beschwerde, der das Sozialgericht nicht abgeholfen hat (Beschluss vom 02.06.2005), ist unbegründet. Zur Überzeugung des Senats fehlt es an einem Anordnungsanspruch (§ 86 b Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG -). Der Antragsteller hat keinen Anspruch auf Übernahme der Unterkunftskosten in Höhe von 493,40 Euro. Ihm steht der tatsächlich aufgewendete Kaltmietzins nicht nach § 22 Abs. 1 Sozialgesetzbuch (SGB) Zweites Buch (II) - Grundsicherung für Arbeitssuchende - (SGB II) zu. Nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II werden Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen nur erbracht, soweit diese angemessen sind. Weitere nach der Besonderheit des Einzelfalls erforderliche Aufwendungen sind nach § 22 Abs. 1 Satz 2 SGB II allein bei Fehlen einer preiswerteren Unterkunftsalternative zu übernehmen, oder wenn es dem alleinstehenden Hilfebedürftigen oder der Bedarfsgemeinschaft nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise, die Aufwendungen zu senken. Der Senat hat in seinem Beschluss vom 01.08.2005 (Az.: L 19 B 21/05 AS ER) ausgeführt, dass bei der Beurteilung der Angemessenheit von Mietaufwendungen für eine Unterkunft die örtlichen Verhältnisse zunächst insoweit maßgeblich sind, als auf die im unteren Bereich der für vergleichbare Wohnungen am Wohnort des Leistungsempfängers marktüblichen Wohnungsmieten abzustellen und auf dieser tatsächlichen Grundlage eine Mietpreisspanne zu ermitteln ist. Diese Prüfung muss die Frage einschließen, ob dem Leistungsempfänger im Bedarfszeitraum eine andere bedarfsgerechte und kostengünstigere Wohnung konkret verfügbar und zugänglich ist bzw. war. Besteht eine derartige Unterkunftalternative nicht, ist die tatsächliche Miete zu übernehmen. Sonach ist die angemessene Höhe der Unterkunftskosten als Produkt aus der für den Leistungsempfänger abstrakt angemessenen Wohnungsgröße und dem nach den örtlichen Verhältnissen angemessenen Mietzins pro Quadratmeter zu ermitteln (Produkttheorie). Nach diesen Maßstäben sind die von der Antragsgegnerin ihrer Bewilligung zugrundegelegte 354,26 Euro nicht zu beanstanden. Dieser Betrag entspricht dem Produkt aus der - in Anlehnung an das Wohnungsbindungsrecht - für Alleinstehende (noch) als angemessen anzusehenden Wohnfläche von 45 m² (5.71 a der Verwaltungsvorschriften zum Wohnungsbindungsgesetz, Runderlass des Ministeriums für Städtebau und Wohnen, Kultur und Sport vom 08.03.2002, Ministerialblatt NW vom 10.05.2002, Nr. 23) und dem nach den örtlichen Verhältnissen am Wohnort des Antragstellers als (noch) angemessen anzusehenden Kaltmietzins von 6,85 Euro pro m². Den als noch angemessenen anzusehenden Mietzins hat die Antragsgegnerin in enger Abstimmung mit dem Amt für Wohnungswesen ermittelt, das die entsprechenden Daten zur Verfügung gestellt hat. Die Antragsgegnerin hat berücksichtigt, dass bei Einzelpersonen der Preis so hoch bemessen sein muss, dass die für diese Person auftretenden Schwierigkeiten bei der Wohnungssuche ausgeglichen werden. In Anwendung dieser Grundsätze hat der Antragsteller einen Anspruch auf den tatsächlichen Mietzins in Höhe von 493,40 EUR nicht glaubhaft gemacht. Der Antragsteller hätte die Möglichkeit gehabt, eine angemessene Wohnung zu beziehen. So hat die Antragsgegnerin beispielsweise mitgeteilt, dass eine Wohnung mit einer Größe von 40 m² zu einem Preis von 319,00 Euro inkl. Garage und eine Wohnung mit einer Größe von 45 m² zu einem Preis von 306,00 Euro im Innenstadtbereich zur Verfügung gestanden habe. Der Antragsteller hat auch einen besonderen Bedarf nach § 22 Abs. 1 Satz 2 SGB II nicht glaubhaft gemacht. Er war schon vom Vorgänger der Antragsgegnerin, dem Sozialhilfeträger, darauf aufmerksam gemacht worde...