Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. kein Anfall einer fiktiven Terminsgebühr in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes bei Erledigung durch angenommenes Anerkenntnis
Orientierungssatz
1. Die sog fiktive Terminsgebühr fällt nicht an, wenn ein Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes durch angenommenes Anerkenntnis endet, ohne dass eine mündliche Verhandlung stattgefunden hat.
2. Die Gebührenprivilegierung soll nach dem gesetzgeberischen Willen nur für Verfahren gelten, in denen der Prozessbevollmächtigte mit einer mündlichen Verhandlung rechnen darf, weil sie als Kernstück eines rechtsstaatlichen Gerichtsverfahrens den Regelfall darstellt. Das ist bei Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes, in denen das Gericht durch Beschluss entscheidet, nicht der Fall.
Tenor
Die Beschwerde der Erinnerungsführerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Köln vom 29.06.2009 wird zurückgewiesen.
Die Entscheidung ergeht gerichtskostenfrei. Kosten haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten.
Gründe
Die Beschwerde ist zulässig, aber unbegründet. Zutreffend hat das SG die Entscheidung des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle bestätigt. Die aus der Staatskasse zu zahlende Vergütung der Erinnerungsführerin beträgt EUR 226,10. Die außerdem in Rechnung gestellten EUR 238 (für eine fiktive Terminsgebühr in Höhe von EUR 200 zzgl 19% USt) stehen ihr dagegen nicht zu.
Die Beschwerde ist zulässig, insbesondere statthaft, §§ 56 Abs 2 Satz 1, 33 Abs 3 Satz 1 des Gesetzes über die Vergütung der Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte (Rechtsanwaltsvergütungsgesetz - RVG). Diese allgemein für das Kostenfestsetzungsverfahren des im Wege der Prozesskostenhilfe beigeordneten Rechtsanwalts geltenden Spezialvorschriften gehen den Vorschriften des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) (direkt oder über die Blankettverweisung in § 73a SGG, die auch den Vergütungsanspruch des Rechtsanwalts erfasst) vor, so dass §§ 178, 197 Abs 2 SGG keine Anwendung finden (Senatsbeschlüsse vom 28.1.2008, Aktenzeichen (Az) L 1 B 30/07 AL, und 29.1.2008, Az L 1 B 35/07 AS; so auch: Thür. LSG, Beschluss vom 26.11.2008, Az L 6 B 130/08 SF; LSG NRW, Beschl. vom 20.10.2008, Az L 20 B 67/08 AS; LSG NRW, Beschluss vom 28.5.2008, Az L 20 B 7/08 AS; LSG NRW, Beschluss vom 15.5.2008, Az L 7 B 63/08 AS mwN; aA: LSG Niedersachsen-Bremen in mehreren Entscheidungen, vgl zuletzt Beschluss vom 9.6.2009, Az L 13 B 1/08 SF mwN; LSG RP, Beschluss vom 7.4.2008, Az L 2 B 47/08 SB; LSG BB Beschluss vom 28.2.2005, Az L 9 B 166/02, darauf Bezug nehmend ohne eigene Begründung ebenso: Leitherer in: Meyer-Ladewig u.a ... SGG. Kommentar. 9.Aufl. 2009. § 178 Rdnr 3 aE). § 197 Abs 2 SGG ist auch deshalb nicht einschlägig, weil diese Vorschrift nur für Verfahrensbeteiligte des Ausgangsverfahrens gilt (Beschlüsse des LSG NW vom 4.6.2008 und 1.4.2009, Az L 19 B 5/08 AL und L 19 B 137/07 AS mwN; Straßfeld in: Jansen, SGG, 3. Auflage 2009, § 197 Rdnr 3; Hk-SGG-Groß. 2. Aufl. 2005. § 197 Rdnr 4).
Der Wert des Beschwerdegegenstands übersteigt EUR 200, §§ 56 Abs 2 Satz 1, 33 Abs 3 Satz 1 RVG. Die - maßgebliche - formelle Beschwer beträgt EUR 238, da die neben der Terminsgebühr von EUR 200 angesetzte Umsatzsteuer in Höhe von EUR 38 als zusätzliche Vergütungsposition einzubeziehen ist (Hartmann. Kostengesetze. 39. Auflage 2009. § 32 RVG Rdnr 17 mwN). Die Beschwerde wurde fristgerecht innerhalb der maßgeblichen Zweiwochenfrist erhoben (Zustellung 7.7., Eingang 15.7.2009), §§ 56 Abs 2 Satz 1, 33 Abs 3 Satz 3 RVG.
Erinnerungs- und beschwerdebefugt ist allerdings - entgegen der Auffassung des SG - nicht die Klägerin, sondern allein die Prozessbevollmächtigte der Klägerin, die im Übrigen auch allein antragsbefugt iS von § 55 Abs 1 Satz 1 RVG ist (vgl Hartmann. AaO. § 56 RVG Rdnr 4; Gerold/Schmidt - Müller-Rabe. RVG. Kommentar. 18. Aufl. 2008. § 56 Rdnr 6; Hartung/Römermann/Schons. Praxiskommentar zum RVG. 2. Aufl. 2006. § 56 Rdnr 9). Da die streitige Vergütung erkennbar in dem dafür vorgesehenen Verfahren geltend gemacht werden soll, ist (lediglich) das Rubrum von Amts wegen entsprechend zu ändern.
In der Sache ist die Beschwerde unbegründet, da der Urkundsbeamte die Vergütung der Erinnerungsführerin richtig festgesetzt hat. Dabei ist zu Recht zwischen den Beteiligten nur streitig, ob (auch) die geltend gemachte (sog. fiktive) Terminsgebühr angefallen ist. Dies ist nicht der Fall, weil die gesetzlichen Voraussetzungen für die Berechnung einer Terminsgebühr nicht vorliegen.
Nach §§ 3 Abs 1 Satz 1, 14 Abs 1 RVG iVm der Nr 3106 des Vergütungsverzeichnisses (VV) zum RVG (= Anlage 1 zu diesem Gesetz) iVm der (amtlichen) Vorbemerkung 3 Abs 3 (zum 3.Teil des VV) fällt eine sog. fiktive Terminsgebühr nicht an, wenn ein Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes durch angenommenes Anerkenntnis endet, ohne dass eine mündliche Verhandlung stattgefunden hat (so iE auch: LSG NRW, Beschluss vom 25.9.2009, Az L 13 B 15/08 R; LSG SH, Beschluss vom 10.9.2009, Az L 1 B 158/09 SK E; LSG NRW, Beschluss vom 20.10.200...