Entscheidungsstichwort (Thema)
Ausschluss eines Anspruchs auf Übernahme der Kosten für die Ausstellung eines Reiseausweises im Grundsicherungs- und Sozialhilferecht
Orientierungssatz
1. Nach dem Urteil des BVerfG vom 9. 2. 2010 sind im Wege der Härtefallregelung Leistungen zur Deckung eines laufenden, nicht nur einmaligen besonderen Bedarfs, der zur Gewährleistung des Existenzminimums zwingend ist, zu gewähren. Diese Regelung gilt nicht für Leistungszeiträume vor dem 9. 2. 2010. Die Härtefallregelung erfordert das Vorliegen eines längerfristigen, dauerhaften Bedarfs. Hierzu zählen nicht die Kosten für die Ausstellung eines Reisepasses für Flüchtlinge. Passbeschaffungskosten können durch die Gewährung eines Darlehens nach § 23 Abs. 1 SGB 2 gedeckt werden.
2. Nach dem Regelungskonzept des SGB 2 sind die in § 20 Abs. 1 SGB 2 genannten Bedarfe mittels der Regelleistung nach § 20 SGB 2, der Mehrbedarfe nach § 21 SGB 2 und der einmaligen Leistungen nach § 23 Abs. 3 SGB 2 abschließend und pauschalierend gedeckt. Eine Erhöhung der Regelleistung ist damit ausgeschlossen.
3. Ein Anspruch auf Übernahme der Kosten für die Ausstellung eines Reiseausweises lässt sich mangels des Bestehens einer besonderen atypischen Lebenslage nicht aus § 73 SGB 12 ableiten.
Tenor
Die Beschwerde der Klägerinnen gegen den Beschluss des Sozialgerichts Detmold vom 18.10.2010 wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
Die 1971 geborene Klägerin zu 1) ist anerkannte Asylbewerberin. Anstelle eines nationalen Reisepasses verfügt die Klägerin zu 1) über einen Reiseausweis für Flüchtlinge, der jeweils von der zuständigen Ausländerbehörde ausgestellt wird. Für die Ausstellung eines Reiseausweises erhob die Stadt C von der Klägerin zu 1) am 07.01.2010 eine Gebühr von 59,00 EUR, die diese bar einzahlte.
Seit dem 01.01.2005 bezieht die Klägerin zu 1) zusammen mit ihrer minderjährigen Tochter, der Klägerin zu 2), durchgehend Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Durch Bescheid vom 08.04.2010 lehnte der Beklagte den Antrag vom 11.03.2010 auf Übernahme der Kosten für die Ausstellung eines Reiseausweises ab. Denn hiergegen erhobenen Widerspruch wies der Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom 02.08.2010 zurück.
Hiergegen haben die Klägerinnen Klage erhoben.
Durch Beschluss vom 18.10.2010 hat das Sozialgericht Detmold die Bewilligung von Prozesskostenhilfe abgelehnt. Auf die Gründe wird Bezug genommen.
Hiergegen haben die Klägerinnen Beschwerde eingelegt.
II.
Die Beschwerde ist unbegründet.
Die von den Klägerinnen eingeleitete Rechtsverfolgung - Klage auf Verpflichtung des Beklagten auf Übernahme der Kosten für die Ausstellung eines Reiseausweises in Höhe von 59,00 EUR - bietet keine hinreichende Erfolgsaussicht. Hinreichende Erfolgsaussicht ist anzunehmen, wenn die Entscheidung in der Hauptsache von der Beantwortung einer schwierigen, bislang ungeklärten Rechtsfrage abhängt. Danach muss Prozesskostenhilfe nicht schon dann gewährt werden, wenn die entscheidungserhebliche Rechtsfrage zwar noch nicht höchstrichterlich geklärt ist, ihre Beantwortung angesichts der gesetzlichen Regelung oder im Hinblick auf die durch die bereits vorliegende Rechtsprechung gewährten Auslegungshilfen ohne Schwierigkeit beantwortet werden kann (BVerfG Beschlüsse vom 19.07.2010 - 1 BvR 1873/09 - und vom 19.02.2008 - 1 BvR 1807/07 - mit weiteren Rechtsprechungshinweisen).
Der Anspruch der Klägerin zu 1) auf Übernahme der Kosten für die Ausstellung eines Reiseausweises kann nicht auf die durch die Anordnung des Bundesverfassungsgerichts im Urteil vom 09.02.2010 geschaffene Härtefallregelung gestützt werden, wonach aus Art 1 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 1 GG Leistungen zur Deckung eines laufenden, nicht nur einmaligen, besonderen Bedarfs, der zur Gewährleistung des Existenzminimums zwingend ist, zu gewähren sind (BVerfG, Urteil vom 09.02.2010 - 1 BvL 1/09 - Rn 207f). Diese Anordnung einer Härtefallregelung, die eine an sich notwendige einfachgesetzliche Anspruchsgrundlage ersetzt, gilt nur für die Zeit ab der Verkündung des Urteils und damit nicht für Leistungsräume vor dem 09.02.2010 (BVerfG Beschluss vom 24.03.2010 - 1 BvR 395/09 = juris Rn 8; a. A. BSG Urteil vom 18.02.2010 - B 4 AS 29/09 R -; offengelassen in BSG Urteil vom 06.05.2010 - B 14 As 3/09 R - und vom 23.03.2010 - B 14 AS 81/08 R ). Vorliegend ist der geltend gemachte Bedarf - Kosten für die Ausstellung eines Reisepasses - vor dem 09.02.2010, nämlich am 11.01.2010 entstanden. Auch liegen die Voraussetzungen eines solchen Härtefallsanspruchs nicht vor. Es handelt es sich nicht um einen unabweisbaren laufenden, sondern um einen einmaligen Bedarf, da die Kosten für die Ausstellung eines Reisepasses für Flüchtlinge nach §§ 4 Abs. 1 Nr. 3, 1 Abs. 3 Aufenthaltsverordnung (AufenthV) nach Angaben der Klägerin zu 1) alle zwei Jahre bei Verlängerung des Reiseausweises entstehen (vgl. LSG NRW Beschluss vom 22.07.2010 - L 7 B 204/09 AS = juris Rn 7). Die Härtefallregelung erfordert aber das Vorliegen eines längerfristigen, dauerhaften Bed...