Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Rechtsweg. Kostenerstattung für eine stationäre Krankenhausbehandlung eines nicht versicherten Patienten. Zulässigkeit der Beschwerde gegen einen rechtswegverweisenden Beschluss. gleichzeitige Geltendmachung von Kosten aus Nothelferanspruch und Maßnahmen nach dem IfSG bzw aus einem öffentlich-rechtlichen Auftragsverhältnis bei polizeilicher Ingewahrsamnahme. Möglichkeit der taggenauen Abrechnung der Krankenhauskosten. kein einheitlicher Streitgegenstand. Abgrenzung der sozialgerichtlichen von der verwaltungsgerichtlichen Zuständigkeit

 

Orientierungssatz

1. Der Beschwerdeausschluss nach § 98 S 2 SGG ist nur auf Verweisungen wegen (sachlicher und örtlicher) Unzuständigkeit innerhalb der Sozialgerichtsbarkeit anwendbar, nicht aber bei Rechtswegverweisungen nach § 17a GVG.

2. Bei dem Nothelferanspruch nach § 25 SGB 12 und den hier in Streit stehenden Ansprüchen nach §§ 69 Abs 1 S 1 Nr 10 iVm § 30 IfSG iVm § 2 Abs 2 IfSGKoG NW, 3 IfSGZVO NW bzw nach § 670 BGB analog handelt es sich um mehrere Streitgegenstände im Wege der objektiven bzw subjektiven Klagehäufung.

3. Allein der Umstand, dass die angefallenen Kosten auf Grund eines einheitlichen Krankenhausaufenthaltes entstanden sind, führt nicht zu der Annahme eines einheitlichen Streitgegenstandes, weil eine Abrechnung der Krankenhauskosten taggenau möglich ist (vgl BSG vom 19.9.2007 - B 1 KR 39/06 R = BSGE 99, 102 = SozR 4-2500 § 19 Nr 4 und vom 18.11.2014 - B 8 SO 9/13 R = BSGE 117, 261-271 = SozR 4-3500 § 25 Nr 5).

4. Bei einem Streit um die Kostentragung für Maßnahmen nach dem Infektionsschutzgesetz (juris: IfSG) bzw aus einem öffentlich-rechtlichen Auftragsverhältnis bei polizeilicher Ingewahrsamnahme handelt es sich um öffentlich-rechtliche Streitigkeiten nicht verfassungsrechtlicher Art, für die eine aufdrängende Sonderzuweisung zu den Sozialgerichten nicht besteht.

 

Tenor

Die Beschwerde der Beklagten zu 1.) gegen den Beschluss des Sozialgerichts Aachen vom 15.01.2019 wird zurückgewiesen. Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten. Die Beschwerde wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I.

Die Beklagte zu 1.) wendet sich gegen einen Beschluss des Sozialgerichts Aachen, mit dem dieses den Rechtsstreit an das Verwaltungsgericht Aachen verwiesen hat. Im zu Grunde liegenden Verfahren begehrt der Kläger die Kostenerstattung für eine stationäre Krankenhausbehandlung des rumänischen Staatsangehörigen B T (im Folgenden: Patient) durch die Beklagten.

Der Patient wurde am 13.01.2017 nach einem Kaufhausdiebstahl in B durch die Polizei aufgegriffen, nach Identitätsfeststellung vor Ort durch die Beamten aber entlassen. Im Rahmen des Einsatzes wurde festgestellt, dass für den Patienten eine Fahndungsausschreibung des Polizeipräsidiums N aus Gründen der Gefahrenabwehr zur Aufenthaltsermittlung vorlag.

Am 15.01.2017 (Sonntag) wurde der Patient von der Wohnung eines Bekannten in der T-str. 00 in B durch einen Notarzteinsatz in das Krankenhaus des Klägers verbracht, weil der Patient unter Husten und Erbrechen mit Blutbeimengung sowie Unterbauchschmerzen geklagt hatte. Im Krankenhaus erfolgte noch am selben Tag eine Operation wegen Darmverschlusses und Magenperforation durch ein Geschwür. Da sich zugleich der Verdacht auf das Vorliegen einer Tuberkuloseerkrankung ergab, wurden eine entsprechende Diagnostik eingeleitet und zugleich Isolationsmaßnahmen beim Patienten vorgenommen. Am 16.01.2017 stellte der Kläger vorsorglich einen Antrag auf Kostenübernahme bei der Beklagten zu 1.), weil die Kostentragung nicht geklärt war. Nachdem sich der Verdacht auf Tuberkulose am 17.01.2017 bestätigt hatte, informierte die Klägerin das zuständige Gesundheitsamt. Am selben Tag erhielt auch das Polizeipräsidium B Kenntnis vom stationären Aufenthalt des Patienten bei der Klägerin. Zugleich wurde ein Beschluss des Amtsgerichts N vom 11.11.2016 bekannt, wonach gegen den Patienten im Wege der einstweiligen Anordnung für die Dauer von acht Wochen die Absonderung in dem geschlossenen Tuberkulosekrankenhaus des Bezirkskrankenhauses Q angeordnet worden war. Der Patient hatte sich nach Aufhebung einer Haft in der Justizvollzugsanstalt (JVA) N am 28.10.2016 der erforderlichen Weiterbehandlung/Isolation entzogen.

Der Patient wurde daher ab dem 17.01.2017 (Dienstag), 17 Uhr im Krankenhaus des Klägers in Gewahrsam gehalten und schließlich am 18.01.2017 in das Krankenhaus Q überstellt. Sowohl das Ordnungsamt der Stadt B als auch die JVA N lehnten eine Kostentragung ab.

Mit Bescheid vom 19.09.2017 lehnte die Beklagte zu 1.) eine Kostenübernahme nach § 25 SGB XII ebenfalls ab, weil sie davon ausging, dass die stationäre Aufnahme des Patienten nicht wegen eines medizinischen Notfalls, sondern auf Grund des Absonderungsbeschlusses des AG N erfolgt sei. Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies die Städteregion B als unbegründet zurück (Widerspruchsbescheid vom 16.03.2018).

Am 26.03.2018 hat der Kläger vor dem Sozialgericht Aachen Klage erhoben. Für die Zeit ...

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