Entscheidungsstichwort (Thema)

Darlehensweise Übernahme von Energieschulden im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes

 

Orientierungssatz

1. Nach § 22 Abs. 8 SGB 2 können vom Grundsicherungsträger auch Schulden übernommen werden, sofern dies zur Sicherung der Unterkunft gerechtfertigt ist. Wegen der vergleichbaren Notlage bei Energierückständen für sonstigen Haushaltsstrom können auch Energieschulden übernommen werden, obwohl diese als Teil des Regelbedarfs eigentlich nicht den Unterkunftskosten zuzuordnen sind.

2. Die Kostenübernahme setzt voraus, dass der Hilfebedürftige zumutbare Selbsthilfemöglichkeiten ausgeschöpft hat. Dies kann im summarischen Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nicht abschließend beurteilt werden.

3. Bestehen für einen absichtlichen Leistungsmissbrauch des Hilfebedürftigen keine Anhaltspunkte und kann dieser glaubhaft machen. dass andere Möglichkeiten für die zukünftige Sicherstellung der Versorgung mit Strom außer der Inanspruchnahme eines Darlehens nach § 22 Abs. 8 SGB 2 nicht bestehen, so ist der Grundsicherungsträger im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes zur Gewährung eines Darlehens in Höhe der aufgelaufenen Energieschulden zu verpflichten.

 

Tenor

Auf die Beschwerden der Antragsteller wird der Beschluss des Sozialgerichts Köln vom 18.02.2014 geändert. Der Antragsgegner wird verpflichtet, den Antragstellern für die Forderung aus Energieschulden in Höhe von 3.185,71 EUR vorläufig ein Darlehen zu gewähren. Die Zahlung in Höhe von 3.185,71 EUR ist unmittelbar an die S AG zu leisten. Den Antragstellern wird Prozesskostenhilfe für das erstinstanzliche Verfahren sowie für das Beschwerdeverfahren unter Beiordnung von Rechtsanwältin T aus L bewilligt.

Der Antragsgegner trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Antragsteller in beiden Rechtszügen.

 

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten über die darlehensweise Übernahme von Stromschulden bei der S AG durch den Antragsgegner.

Die 1988 geborene Antragstellerin und ihr 2009 geborener Sohn, der Antragsteller, bezogen bis August 2011 und beziehen seit August 2013 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II). Mit Änderungsbescheid vom 23.11.2013 bewilligte der Antragsgegner Grundsicherung in Höhe von 1050,86 EUR monatlich für die Zeit vom 01.01.2014 bis zum 31.05.2014. Zuvor hatte die Antragstellerin ab September 2011 eine Ausbildung zur staatlich geprüften Sozialhelferin begonnen. Sie bezog Leistungen nach dem Berufsausbildungsförderungsgesetz (BaföG) und Wohngeld.

Die Antragsteller bewohnen eine ca. 60 m² große Wohnung in L. Diese wurde wegen Mietrückständen vom Vermieter gekündigt. Die Zwangsräumung der Wohnung wurde mit Ordnungsverfügungen vom 18.07.2013 und 04.11.2013 verhindert und die Antragsteller zur Vermeidung von Obdachlosigkeit befristet bis zum 05.02.2014 wieder in die Wohnung eingewiesen. Die Stadt L hat die Mietrückstände zwischenzeitlich übernommen, so dass die Antragsteller die Wohnung weiter als Unterkunft nutzen können.

Nachdem die Antragstellerin eine offene Forderung und Abschläge für Haushaltsstrom nicht zahlte, sperrte die S AG am 19.01.2013 die Stromzufuhr, d.h. den Zähler, nachdem Mahnungen erfolglos geblieben sind. Im März 2013 erfolgte die Kündigung des Stromlieferungsvertrages seitens der S AG.

Den Antrag auf Übernahme der Stromschulden vom 26.09.2013 lehnte der Antragsgegner am 22.10.2013 mit der Begründung ab, die "Rückzahlung der Stromschulden müsse selbst geregelt werden". Eine Rechtsbehelfsbelehrung erfolgte nicht. Die Antragsteller legten hiergegen am 17.12.2013 Widerspruch ein. Zur Begründung wiesen sie darauf hin, dass die S AG mit Schreiben vom 26.09.2013 eine Ratenzahlung abgelehnt habe. Der Antrag auf Übernahme der Mietschulden sei gestellt. Zur Erhaltung des Wohnraums sei die Übernahme der Stromschulden zwingend erforderlich.

Die Antragsteller haben am 20.01.2014 Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes gestellt und darauf hingewiesen, dass bei vollständiger Übernahme der Schulden der Stromzähler wieder freigegeben werden könne. Die weitere Inanspruchnahme von Hilfe Dritter komme nicht dauerhaft in Betracht. Zum einen hätten sie nach drei Monaten Aufenthalt bei der Mutter der Antragstellerin dort wieder ausziehen müssen, nachdem es zu Problemen mit dem Stiefvater gekommen sei. Zum anderen sei es nicht möglich, dauerhaft auf die Hilfe einer Freundin, Frau E, zurückzugreifen. Es sei nicht zumutbar, dass sie sich tagsüber immer dort aufhalten, stets dort duschen und Verrichtungen wie Wäsche waschen, Bügeln erledigen. Sie wollten ihre Wohnung wieder nutzen und nicht nur dorthin abends zum Schlafen gehen. Zu berücksichtigen sei auch, dass Frau E selbst Grundsicherung beziehe.

Der Antragsgegner hat betont, dass bereits im August 2011 ein Darlehen in Höhe von 413,84 EUR gewährt worden sei. In diesem Zusammenhang sei die Antragstellerin belehrt worden, dass nur der erstmalige Energiekostenrückstand vom Antragsgegner als "vergleichbare Notlage" gewertet wer...

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