Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorbeugender Rechtsschutz gegen eine Meldeaufforderung
Orientierungssatz
1. Eine vorbeugende Unterlassungsklage ist nur ausnahmsweise dann zulässig, wenn die Verweisung auf den erst nach Erlass des Verwaltungsaktes möglichen Rechtsschutz unzumutbar ist.
2. Durch die Meldeaufforderung nach § 59 SGB 2 treten keine unzumutbaren Nachteile ein. Dem Antragsteller ist es zuzumuten, die Entscheidung der Behörde abzuwarten und sich dagegen mit den Möglichkeiten des einstweiligen Rechtsschutzes zu wehren. Hierdurch kann der Eintritt irreparabler Nachteile in ausreichendem Maß verhindert werden.
3. Das erforderliche qualifizierte Rechtsschutzbedürfnis für einen vorbeugenden Unterlassungsantrag kann auch nicht auf eine Mehrzahl der zu erwartenden Meldeaufforderungen gestützt werden.
Tenor
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Duisburg vom 30.03.2006 wird zurückgewiesen. Kosten sind auch im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.
Gründe
I. Der Antragsteller wehrt sich im Wege des vorläufigen vorbeugenden Rechtsschutzes gegen Meldeaufforderungen der Antragsgegnerin.
Der Antragsteller bezog bis zum 31.12.2005 von der Stadt E Sozialhilfe. Die Leistungen wurden eingestellt, weil der Antragsteller erwerbsfähig sei (Bescheid vom 21.03.2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31.05.2005). Der Antragsteller beantragte daraufhin am 17.05.2005 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II), die die Antragsgegnerin für die Zeit vom 17.05.2005 bis zum 31.07.2005 (Bescheid vom 01.06.2005) und die Zeit vom 01.08.2005 bis zum 31.01.2006 (Bescheid vom 13.07.2005) bewilligte. Dem Antrag beigefügt waren Erklärungen, denen zufolge der Antragsteller sich aus religiösen und gesundheitlichen Gründen dem Arbeitsmarkt ausdrücklich nicht zur Verfügung stellt. Meldeaufforderungen der Antragsgegnerin vom 14.06.2005 zum 21.06.2005, vom 22.06.2005 zum 01.07.2005 und vom 19.07.2005 zum 27.07.2005 kam der Antragsteller nicht nach. Seine gegen diese Meldeaufforderungen erhobenen Widersprüche hat die Antragsgegnerin zurückgewiesen (Widerspruchsbescheide vom 03.01. und 04.01.2006). Im Hinblick auf die Meldeversäumnisse senkte die Antragsgegnerin unter gleichzeitiger Änderung des Bescheides vom 13.07.2005 die dem Antragsteller zustehende Leistung zur Sicherung des Lebensunterhaltes für die Zeit vom 01.10.2005 bis zum 31.12.2005 mit Bescheid vom 12.09.2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.01.2006 um 10 % und mit Bescheid vom 23.09.2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.01.2006 um weitere 10 % der Regelleistung, insgesamt also 69 EUR monatlich, ab.
Am 04.07.2005 beantragte der Antragsteller beim Sozialgericht (SG) Duisburg, der Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung den Versand weiterer Meldeaufforderungen zu untersagen (S 17 AS 252/05 ER SG Duisburg). Diesen Antrag nahm er im Termin zur mündlichen Verhandlung am 14.10.2005 zurück. Mit Schriftsatz vom 15.10.2005 hat der Antragsteller diese Rücknahme widerrufen. Er habe infolge einer Erkrankung (Desynchronisation des Schlaf-Wach-Rhythmus) zurzeit der Verhandlung nicht über seine volle geistige Aufmerksamkeit verfügt. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung sei seine einzige wirksame Möglichkeit, sich gegen die von der Antragsgegnerin ausgesprochenen rechtswidrigen und unverhältnismäßigen Meldeaufforderungen zu wehren. Mit Schriftsatz vom 27.02.2006 hat der Antragsteller sein Begehren auf einstweiligen Rechtsschutz zudem auf eine weitere Meldeaufforderung der Antragsgegnerin vom 23.02.2006 zum 06.03.2006 erweitert.
Das SG hat zur Feststellung der Prozessfähigkeit des Antragstellers einen Befundbericht des ihn behandelnden Arztes für Nervenheilkunde, Psychiatrie und Psychotherapie Dr. Q vom 08.01.2006 eingeholt und die Anträge auf einstweiligen Rechtsschutz zurückgewiesen (Beschluss v. 30.03.2006). Auf den Inhalt des Befundberichtes und des Beschlusses wird Bezug genommen.
Mit der Beschwerde trägt der Antragsteller weiterhin vor, es gehe ihm darum, der Antragsgegnerin den Versand weiterer Meldeaufforderungen zu untersagen. Hierzu sei in der Hauptsache allein die vorbeugende Unterlassungsklage, im einstweiligen Rechtsschutz daher der Antrag einer einstweiligen Anordnung das geeignete Mittel.
Die Antragsgegnerin tritt der Beschwerde entgegen. Sie trägt vor, der Antragsteller habe seinen seinerzeitigen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz wirksam zurückgenommen. Jedenfalls fehle es für den Erlass einer einstweiligen Anordnung sowohl am Anordnungsanspruch als auch am Anordnungsgrund. Der Antragsteller habe keine nachvollziehbaren Gründe dargelegt, die es unausweichlich erscheinen ließen, über die Rechtmäßigkeit der ihm gegenüber ergangenen Meldeaufforderungen im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes zu entscheiden.
Die Verwaltungsakten der Antragsgegnerin sind beigezogen worden.
II. Der Senat kann entscheiden, ohne dem Antragsteller gemäß § 72 Abs. 1 Sozi...