Entscheidungsstichwort (Thema)

Bewilligung von Leistungen der Grundsicherung für ein schulpflichtiges ausländisches Kind und deren berufstätige Eltern durch einstweiligen Rechtsschutz

 

Orientierungssatz

1. Verfügt der hilfebedürftige Ausländer über ein materielles Aufenthaltsrecht, so greift der Leistungsausschluss des § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB 2 nicht.

2. Art. 10 der VO 492/11/EU verleiht den Kindern eines ausländischen Arbeitnehmers ein eigenes Recht auf Zugang zum Unterricht an einer allgemein bildenden Schule und damit ein autonomes, d. h. nicht vom Aufenthaltsrecht seiner Eltern abhängiges eigenständiges Aufenthaltsrecht.

3. Das dem Kind zuerkannte Recht, im Aufenthaltsstaat am Unterricht teilzunehmen, schließt notwendig das Recht des Kindes auf Betreuung durch eine die elterliche Sorge tatsächlich wahrnehmende Person ein, dass es dieser ermöglicht wird, während der Ausbildung des Kindes mit diesem zusammen in dem betreffenden Mitgliedstaat zu wohnen (Anschluss Urteil EuGH vom 23. Februar 2010, C-310/08).

4. Damit endet ein aus Art. 10 VO 492/11/EU abgeleitetes Aufenthaltsrecht eines sorgeberechtigten Elternteils erst, wenn das aufenthaltsberechtigte Kind seine Ausbildung beendet, volljährig wird, soweit es nicht weiterhin der Anwesenheit und der Fürsorge dieses Elternteils bedarf.

 

Tenor

Die Beschwerden gegen den Beschluss des Sozialgerichts Dortmund vom 21.12.2015werden zurückgewiesen.

Der Antragsgegner trägt 2/3 der außergerichtlichen Kosten der Antragsteller in beiden Rechtszügen.

 

Gründe

I.

Die Antragsteller sind griechische Staatsangehörige. Der 1953 geborene Antragsteller zu 1) und die 1967 geborene Antragstellerin zu 2) sind verheiratet. Der am 00.00.2001 geborenen Antragsteller zu 3) ist ihr gemeinsames Kind.

Im August 2012 reisten die Antragsteller in die Bundesrepublik ein. Der Antragsteller zu 1) war in der Zeit vom 13.08.2012 bis zum 31.08.2012 bei Firma B GmbH sozialversicherungspflichtig, in der Zeit vom 06.09.2012 bis zum 30.10.2013 bei der Firma C geringfügig (Minijob) bzw. ab dem 01.11.2012 bis zum 31.01.2013 sozialversicherungspflichtig sowie bei der Arbeitnehmerüberlassungsfirma U Dienstleistungs GmbH in den Zeiten vom 03.06.2013 bis zum 19.07.2013 sozialversicherungspflichtig, vom 01.08.2013 bis zum 31.01.2014 geringfügig (Minijob, 450,00 EUR Entgelt), vom 01.03.2014 bis 31.05.2014 geringfügig (Minijob, 450,00 EUR Entgelt) und vom 01.06.2014 bis zum 30.10.2014 sozialversicherungspflichtig sowie erneut vom 03.01.2015 bis zum 28.02.2015 sozialversicherungspflichtig beschäftigt.

Die Antragsteller bezogen vom Antragsgegner Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in der Zeit vom 01.01.2013 bis zum 31.08.2015. Durch Bescheid vom 05.08.2015 lehnte der Antragsgegner den Folgeantrag des Antragstellers zu 1) für die Zeit ab dem 01.09.2015 ab.

Der Antragssteller zu 1) war in der Zeit vom 07.09.2015 bis zum 11.09.2015 sowie vom 14.09.2015 bis zum 18.09.2015 insgesamt 39 Stunden für die Firma U Industrieservice GmbH tätig und erzielte ein Entgelt von 269,13 EUR.

Der Antragsteller zu 1) schloss einen Arbeitsvertrag über ein befristetes Arbeitsverhältnis - 16.10.2015 bis zum 23.12.2015 - als Produktionshelfer mit der Firma H Personalmanagement GmbH über eine geringfügig entlohnte Teilzeitbeschäftigung (Minijob) ab. Als Arbeitsentgelt war ein Stundenlohn von 8,80 EUR vereinbart. Der Antragsteller zu 1) erzielte im Oktober 2015 ein Entgelt von 176,00 EUR (11 Tage, 17,50 Stunden), im November 2015 von 366,70 EUR (21 Tage, 30,67 Stunden) und im Dezember 2015 von 242,00 EUR (17 Tage, 23,80 Stunden).

Laut Schulbescheinigung der Evangelischen Jugendhilfe J GmbH ist der Antragsteller zu 3) im Schuljahr 2015/16 bis voraussichtlich Juli 2016 Schüler einer Hauptschule. Der Antragsteller zu 1) bezieht Kindergeld, zurzeit i.H.v. 188,00 EUR monatlich.

Den am 15.09.2015 gestellten Folgeantrag des Antragstellers zu 1) lehnte der Antragsgegner mit Bescheid vom 16.11.2015 unter Berufung auf § 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGB II ab. Der Antragsteller zu 1) habe keinen Arbeitnehmerstatus. Bei der vom Antragsteller zu 1) aufgenommenen Tätigkeit handle es sich um eine untergeordnete Tätigkeit. Als nicht nur untergeordnet werde eine Tätigkeit angesehen, wenn ein Arbeitnehmer mindestens 8 Stunden wöchentlich tätig sei und ein Nettoeinkommen i.H.v. 280,00 EUR aus dieser Tätigkeit erziele. Hiergegen legten die Antragsteller Widerspruch ein.

Mit Schreiben vom 27.11.2015 kündigte der Vermieter wegen eines Mietrückstandes von 1.215,00 EUR (rückständige Mieten für September, Oktober und November 2015) das Mietverhältnis fristlos und hilfsweise ordentlich unter Berufung auf § 573 Abs. 3 Nr. 1 BGB. Der Vermieter widersprach der Weiterführung des Mietverhältnisses und forderte die Antragsteller auf, die Wohnung bis zum 15.12.2015 zu räumen.

Am 02.12.2015 haben die Antragsteller beantragt, den Antragsgegner im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes zu verpflichten, ihnen Leistungen nach dem SGB II in gesetzlicher Höhe für den Zeitraum vom 01.12.2015 bis...

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