Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsätze des Vergabeverfahrens zur Beschaffung von Kontrastmitteln durch die Krankenkasse

 

Orientierungssatz

1. Die Krankenkasse hat bei der Vergabe der Lieferung von Kontrastmitteln für die Magnetresonanztomographie und für die Computertomographie als öffentlicher Auftraggeber i. S. des § 98 Nr. 2 GWB die gesetzlichen Bestimmungen für die Vergabe öffentlicher Aufträge anzuwenden.

2. Für die Annahme eines öffentlichen Auftrags ist es ausreichend, wenn sich für den Leistungserbringer faktisch ein Wettbewerbsvorteil ergibt. Nur der von der Krankenkasse als der günstigste ausgewählte Anbieter erhält den Auftrag zur Belieferung des jeweiligen Vertragsarztes.

3. Die Krankenkasse ist als öffentlicher Auftraggeber verpflichtet, einem pharmazeutischen Unternehmen als Bieter, dessen Angebot nicht berücksichtigt werden soll, den Namen des für den Zuschlag vorgesehenen Bieters und die Gründe für die Nichtberücksichtigung des Angebots mitzuteilen. Eine Vereinbarung der Krankenkasse mit einem Bieter, die unter Verletzung dieser Verfahrensgrundsätze geschlossen wurde, ist nichtig.

 

Tenor

Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss der 3. Vergabekammer des Bundes vom 20.01.2009 wird zurückgewiesen. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens sowie die außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin im Beschwerdeverfahren. Die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten durch die Antragstellerin im Beschwerdeverfahren wird für notwendig erklärt.

 

Gründe

I.

Umstritten ist, ob die Beschaffung von Kontrastmitteln im Bundesland Mecklenburg-Vorpommern durch die Antragsgegnerin (AG) zum Zwecke der Belieferung der Vertragsärzte aufgrund eines (noch durchzuführenden) Vergabeverfahrens zu erfolgen hat.

Die Antragstellerin und Beschwerdegegnerin (AS) ist ein pharmazeutisches Unternehmen, das auf den Gebieten Entwicklung, Herstellung und Vertrieb von Kontrastmitteln tätig ist. Kontrastmittel sind Arzneimittel, die im Rahmen von ärztlichen Untersuchungen mittels bildgebender Verfahren (Röntgenaufnahmen, Computertomographie - CT -, Magnetresonanztomographie - MRT -) zur Anwendung kommen. Sie sind gemäß § 47 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. d) Arzneimittelgesetz (AMG) nicht an den Bezugsweg über öffentliche Apotheken gebunden. Nach der zwischen der AG (die im Auftrag weiterer gesetzlicher Krankenkassen in Mecklenburg-Vorpommern tätig wird) und der Kassenärztlichen Vereinigung Mecklenburg-Vorpommern (KV) geschlossenen "Vereinbarung über die Ärztliche Verordnung von Sprechstundenbedarf" vom 01.04.2004 zählen Kontrastmittel bei bildgebenden Verfahren, die nach einmaliger Anwendung verbraucht sind, zum Sprechstundenbedarf (IV Nr. 8 der Vereinbarung).

Die radiologisch tätigen Vertragsärzte beziehen Kontrastmittel in der Regel über Hersteller, Großhändler und Händler (Leistungserbringer), indem sie eine ärztliche Verordnung bei der Krankenkasse einreichen und diese sodann die Belieferung durch Leistungserbringer veranlasst. Die AG - zugleich handelnd für weitere gesetzliche Krankenkassen in Mecklenburg-Vorpommern - hat mit einer Reihe von Leistungserbringern Vereinbarungen über die Lieferung von Kontrastmitteln geschlossen. Diese Vereinbarungen beinhalten Regelungen u.a. hinsichtlich Lieferfristen, Beanstandungen, Zahlungsterminen, Folgen nicht fristgerecht erbrachter Lieferungen sowie Preisen. Die Übermittlung der ärztlichen Verordnungen über das/die Kontrastmittel an den jeweiligen Leistungserbringer erfolgt durch die AG, nachdem sie geprüft hat, bei welchem der Vertragspartner für die verordneten Kontrastmittel der günstigste Preis berechnet wird.

Der Gesamtumsatz an Kontrastmitteln im Rahmen des Sprechstundenbedarfs für die AG und die von ihr vertretenen weiteren gesetzlichen Krankenkassen beträgt etwa 3,5 Millionen Euro jährlich.

Die von der AS hergestellten und vertriebenen MRT- und Röntgenkontrastmittel Magnegita und Iopamigita werden von Vertragsärzten in Mecklenburg-Vorpommern bisher nicht verordnet. Verhandlungen zwischen den Beteiligten über den Abschluss von Rabattvereinbarungen gemäß § 130a Abs. 8 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) über die Lieferung von Kontrastmitteln, die Ende 2007/Anfang 2008 stattgefunden hatten, blieben erfolglos.

Auf den von der AS am 17.12.2008 gestellten Nachprüfungsantrag entschied die Vergabekammer des Bundes (VK) durch Beschluss vom 20.01.2009, dass der AG aufgegeben werde, bei fortbestehender Beschaffungsabsicht bei der Vergabe der Lieferung von Kontrastmitteln für die Magnetresonanztomographie und für die Computertomographie (sog. Röntgenkontrastmittel) die gesetzlichen Bestimmungen für die Vergabe öffentlicher Aufträge anzuwenden. Zur Begründung hat die VK ausgeführt, dass die AG öffentlicher Auftraggeber i.S.v. § 99 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) sei, der öffentliche Aufträge zur Beschaffung von Kontrastmitteln oberhalb des Schwellenwertes ohne das gesetzlich zwingend vorgeschriebene Ausschreibungsverfahren vergebe. Wegen der weitere...

Dieser Inhalt ist unter anderem im SGB Office Professional enthalten. Sie wollen mehr?