Entscheidungsstichwort (Thema)
Anforderungen an den Anordnungsgrund zur Bewilligung von Grundsicherungsleistungen durch einstweiligen Rechtsschutz nach einem bindend gewordenen ablehnenden Bescheid
Orientierungssatz
1. Ein Anspruch auf Leistungen des SGB 2 durch einstweiligen Rechtsschutz ist u. a. ausgeschlossen, wenn der Antragsteller seinen Aufenthalt in der Bundesrepublik i. S. von § 7 Abs. 1 Nr. 4 SGB 2 nicht glaubhaft macht. Der Begriff ist entsprechend § 30 SGB 1 auszulegen. Maßgebend ist, dass der Antragsteller nicht nur vorübergehend im Aufenthaltsgebiet verweilt, sondern sich dort i. S. eines zukunftsoffenen Verbleibs aufhält, vgl. BSG, Urteil vom 31. Oktober 2012 - B 13 R 1/12 R.
2. Ein Anspruch auf Bewilligung von Grundsicherungsleistungen ist ausgeschlossen, wenn der Antragsteller seine Rechtsschutzmöglichkeiten nicht ausgeschöpft hat. Hat er einen ablehnenden Bewilligungsbescheid materiell bestandskräftig werden lassen, dann ist dieser für das Gericht und die Beteiligten nach § 77 SGG bindend. In einem solchen Fall sind besonders strenge Anforderungen an die Glaubhaftmachung des Anordnungsgrundes zu stellen. Dazu ist die Darlegung massiver Auswirkungen auf die wirtschaftliche Existenz erforderlich.
Tenor
Die Beschwerde der Antragssteller gegen den Beschluss des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 15.03.2013 wird zurückgewiesen.
Kosten der Antragsteller sind auch im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.
Gründe
Die Beschwerde ist unbegründet.
Streitgegenstand des Beschwerdeverfahrens ist die Verpflichtung des Antragsgegners zur vorläufigen Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II an die Antragsteller für die Zeit ab dem 01.11.2012. Eine Beschränkung des erstinstanzlich verfolgten Begehrens ist im Beschwerdeverfahren nicht erfolgt.
Nach § 86b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung setzt das Bestehen eines Anordnungsanspruches (d. h. eines materiellen Anspruchs, für den vorläufiger Rechtsschutz begehrt wird) sowie das Vorliegen des Anordnungsgrundes (d.h. der Unzumutbarkeit, bei Abwägung aller betroffenen Interessen die Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten) voraus. Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund bzw. die besondere Eilbedürftigkeit sind glaubhaft zu machen (§ 86 Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung - ZPO -).
A. Für die Zeit ab dem 22.05.2013 Zeitpunkt der Abmeldung der Antragsteller nach Bulgarien ist ein Anordnungsanspruch auf Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) und nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) nicht glaubhaft gemacht.
1. Dahinstehen kann, ob die Leistungsvoraussetzungen des § 7 Abs. 1 S. 1 SGB II seitens der Antragstellerin zu 1) ab dem 22.05.2013 erfüllt sind. Jedenfalls steht ab dem 22.05.20013 einem etwaigen Leistungsanspruch der Leistungsauschluss des § 7 Abs. 4a SGB II entgegen, da sich die Antragstellerin zu 1) ab diesem Zeitpunkt ohne Zustimmung des Antragsgegners außerhalb des zeit- und ortsnahen Bereichs aufhält.
Ein Leistungsanspruch des Antragstellers zu 2) und der Antragstellerin zu 3) nach § 7 Abs. 2 S. 1 SGB II für die Zeit ab dem 22.05.2013 scheidet aus, da ihr gewöhnlicher Aufenthalt in der Bundesrepublik i.S.v. § 7 Abs. 1 Nr. 4 SGB II nicht mehr glaubhaft gemacht ist. Der Begriff des gewöhnlichen Aufenthalts in § 7 Abs. 1 Nr. 4 SGB II nimmt nach dem ausdrücklich geäußerten Willen des Gesetzgebers (Entwurf eines Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt, BT-Drs 15/1516 S 52) auf den Begriff des gewöhnlichen Aufenthaltes in § 30 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) Bezug und wird wie dieser ausgelegt (z. B. Hackethal in jurisPK SGB II, 3. Aufl. 2012, § 7 Rn 26 f.; Thie/Schoch in LPK-SGB II, 4. Aufl, § 7 Rn 12 f). Nach § 30 Abs. 3 Satz 2 SGB I hat jemand seinen gewöhnlichen Aufenthalt dort, wo er sich unter Umständen aufhält, die erkennen lassen, dass er sich an diesem Ort oder in diesem Gebiet nicht nur vorübergehend aufhält. Die Frage des gewöhnlichen Aufenthalts nach § 30 Abs. 3 S. 2 SGB I ist anhand einer dreistufigen Prüfung zu klären. Ausgangspunkt ist der Aufenthalt, dann sind die damit verbundenen Umständen festzustellen und schließlich ist zu würdigen, ob diese erkennen lassen, dass der Betreffende am Aufenthaltsort oder im Aufenthaltsgebiet nicht nur vorübergehend verweilt, sich also im Sinne eines zukunftsoffenen Verbleibs aufhält (siehe BSG Urteil vom 31.01.2012 B 13 R 1/12 R -, Rn 24 ff mit einer Zusammenfassung der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zum Begriff des gewöhnlichen Aufenthalts i.S.v. § 30 SGB I). Im Hinblick auf die Abmeldung des Antragstellers zu 2) und der Antragstellerin zu 3) beim Einwohnermeldeamt der Beigeladenen nach Bulgarien, ist nach derz...