Entscheidungsstichwort (Thema)

Beiordnung eines nicht ortsansässigen Rechtsanwalts bei der Bewilligung von Prozesskostenhilfe

 

Orientierungssatz

1. Bei der Bewilligung von Prozesskostenhilfe kann ein nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassener Rechtsanwalt nur beigeordnet werden, wenn dadurch weitere Kosten nicht entstehen. Damit können Reisekosten nur innerhalb des Bezirks des Prozessgerichts beansprucht werden.

2. Wegen der Besonderheiten in einem Einzelfall kann von dieser Beschränkung im Ausnahmefall abgesehen werden. Ein solcher liegt dann vor, wenn der Rechtsanwalt im vorgeschalteten Widerspruchs- und Eilverfahren mit der Angelegenheit derart befasst war, dass wegen dessen Sachkenntnis und mit Rücksicht auf das entstandene Vertrauensverhältnis die Bevollmächtigung eines anderen Anwalts nicht sinnvoll erscheint.

 

Tenor

Auf die Beschwerde der Klägerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Köln vom 02.04.2008 geändert. Die im Rahmen der Beiordnung des Prozessbevollmächtigten der Klägerin ausgesprochene Beschränkung "zu den Bedingungen eines ortsansässigen Rechtsanwalts" entfällt.

 

Gründe

Im Klageverfahren ist die Rechtmäßigkeit eines Rücknahme- und Erstattungsbescheides Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) betreffend streitig. Die Klägerin verzog noch vor Klageerhebung beim Sozialgericht Schleswig aus dessen Zuständigkeitsbereich nach L. Der jetzige Bevollmächtigte der Klägerin war bereits im Widerspruchsverfahren sowie in einem vorhergehenden Verfahren des einstweiligen Rechtsschutz (nach § 86b Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) - S 20 AS 266/06 ER) tätig. Die Klage ist vom Sozialgericht Schleswig an das Sozialgericht Köln verwiesen worden.

Der Klägerin ist durch Beschluss des Sozialgerichts Köln vom 02.04.2008 Prozesskostenhilfe bewilligt und der jetzige Prozessbevollmächtigte zu den Bedingungen eines ortsansässigen Rechtsanwaltes beigeordnet worden. Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Beschwerde. Sie ist der Auffassung, seit Inkrafttreten des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes (RVG) könne eine beschränkte Bewilligung zu den Bedingungen eines ortsansässigen Rechtsanwalts nicht mehr erfolgen (Verweis auf OLG Oldenburg, Beschluss vom 06.01.2006 - 3 UF 45/05). Zudem sei zu beachten, dass der jetzige Bevollmächtigte bereits im Widerspruchsverfahren sowie im sozialgerichtlichen Eilverfahren beigeordnet gewesen sei.

Die zulässige Beschwerde der Klägerin vom 28.04.2008 ist auch begründet.

Zwar teilt der Senat die Auffassung der Klägerin nicht, es fehle an einer Rechtsgrundlage für die ausgesprochene Beschränkung. Diese ergibt sich vielmehr aus §§ 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 121 Abs. 3 ZPO in der seit dem 01.06.2007 geltenden Fassung aufgrund von Art. 4 Ziffer 2 des Gesetzes zur Stärkung der Selbstverwaltung der Rechtsanwaltschaft v. 26.03.2007 (BGBl. I, 358). Danach kann ein nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassener Rechtsanwalt nur beigeordnet werden, wenn dadurch weitere Kosten nicht entstehen (vgl. hierzu auch LSG NRW, Beschluss vom 05.06.2008 - L 8 B 7/08 R). Dies führt im Ergebnis dazu, dass Reisekosten vom Kanzleisitz bis zum Eintritt in den Bezirk des Prozessgerichts nicht, wohl aber Reisekosten innerhalb des Bezirks des Prozessgerichts beansprucht werden können (so auch Fölsch, Das Mehrkostenverbot (§ 121 Abs. 3 ZPO) im Arbeitsgerichtsverfahren seit dem Gesetz zur Stärkung der Selbstverwaltung der Rechtsanwaltschaft, NZA 2007, 418 420f.).

Auch liegt auf der Hand, dass bei einer Entfernung von etwa 430 km vom Sitz des Bevollmächtigten bis zum Ort des Sozialgerichts bei unbeschränkter Beiordnung Mehrkosten in Gestalt der Reisekosten gemäß § 46 RVG geltend gemacht werden könnten.

Der Senat hält wegen der Besonderheiten des vorliegenden Einzelfalles und unter Berücksichtigung des Rechtsgedankens des § 121 Abs. 4 ZPO es aber für gerechtfertigt, von der vom Sozialgericht ausgesprochenen Beschränkung abzusehen (vgl. auch Kalthoener/Büttner/Wrobel-Sachs, Prozesskosten und Beratungshilfe, 4. Auflage 2005, Rn. 570). Maßgeblich hierfür ist, dass der Bevollmächtigte bereits im Widerspruchsverfahren sowie im dem Klageverfahren hier ebenfalls vorgeschalteten Eilverfahren beigeordnet und mit der Angelegenheit derart befasst war, dass die Bevollmächtigung eines anderer Rechtsanwalts unter Berücksichtigung der erworbenen Sachkenntnis sowie des Vertrauensverhältnisses nicht sinnvoll erscheint, zumal im Rahmen der Kostenfestsetzung die Vorbefasstheit ggf. Berücksichtigung finden kann.

Es kann nach alledem daher dahinstehen, ob die Entscheidung des Sozialgerichts schon deshalb keinen Bestand haben konnte, weil der Bevollmächtige der Klägerin vor Beschlussfassung nicht angehört worden ist, sprich ohne Einwilligung zu den Bedingungen eines ortsansässigen Rechtsanwalts (nach geltendem Recht ohnehin: zu den Bedingungen eines in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassenen Rechtsanwalts) beigeordnet wurde (vgl. zum Streitstand etwa Kalthoener u.a., a.a.O., Rn. 571).

Kosten s...

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