Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsicherung für Arbeitssuchende. Leistungsausschluss bei Aufenthalt außerhalb des zeit- und ortsnahen Bereichs ohne Zustimmung des Grundsicherungsträgers. Ausländer. Verstoß gegen die Wohnsitzauflage. örtliche Zuständigkeit des Grundsicherungsträgers. Verfassungsmäßigkeit

 

Orientierungssatz

1. Enthält der Aufenthaltstitel eines ausländischen Grundsicherungsempfängers eine Wohnsitzauflage, so begründet sich aus dem darin zugewiesenen Wohnort auch die örtliche Zuständigkeit des Grundsicherungsträgers und der maßgebliche zeit- und ortsnahe Bereich im Sinne des § 7 Abs 4a SGB 2 aF, in dem er sich aufzuhalten hat. Der Wohnsitzauflage kommt Tatbestandswirkung zu und sie ist für den Grundsicherungsträger bindend, bis sie von der Ausländerbehörde aufgehoben wird.

2. Hält sich der Leistungsberechtigte ohne Zustimmung des Grundsicherungsträgers mehrere Monate außerhalb des für ihn maßgeblichen zeit- und ortsnahen Bereichs auf, so greift der Leistungsausschluss nach § 7 Abs 4a SGB 2. Verfassungsrechtliche Bedenken bestehen nicht.

 

Tenor

Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des Sozialgerichts Detmold vom 30.04.2018 geändert. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt.

Außergerichtliche Kosten haben die Beteiligten einander in beiden Instanzen nicht zu erstatten.

 

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten über die Verpflichtung des Antragsgegners bzw. des Beigeladenen vorläufige Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitssuchende (SGB II) zu gewähren.

Die am 00.00.1982 geborene Antragstellerin ist irakische Staatsangehörige. Mit Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 02.02.2017, bestandskräftig seit dem 17.02.2017 ist ihr die Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 Asylgesetz (AsylG) zuerkannt worden. Sie erhielt eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 2 1. Alternative Aufenthaltsgesetz (AufenthG) gültig vom 17.02.2017 bis zum 16.02.2020. Die Aufenthaltserlaubnis berechtigt zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit. Mit Bescheid der Bezirksregierung Arnsberg vom 10.03.2017 wurde die Antragstellerin gemäß § 12a Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 und Abs. 3 AufenthG i.V.m. § 5 der Ausländer-Wohnsitzregelungsverordnung vom 15.11.2016 (AWoV) der Stadt/Gemeinde N zugewiesen, wo sie auch zunächst ihren Wohnsitz genommen hat.

Mit Bescheid des Antragsgegners vom 26.06.2017 wurden der Antragstellerin Leistungen für den Zeitraum März 2017 bis Februar 2018 gewährt.

Die Antragstellerin lebt seit spätestens Oktober 2017 bei ihrem Bruder in C und wird dort von ihren Brüdern mit Nahrungsmitteln unterstützt.

Ab November 2017 gewährte der Antragsgegner keine SGB II-Leistungen mehr. Am 15.11.2017 leitete die Antragstellerin beim Sozialgericht Gelsenkirchen ein Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung unter dem Aktenzeichen S 8 AS 3151/17 ER ein.

Mit Bescheid vom 08.01.2018 ist der Bewilligungsbescheid vom 26.06.2017 über die Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes mit Wirkung zum 01.02.2018 aufgehoben worden. Zur Begründung führte der Antragsgegner aus, die Antragstellerin halte sich außerhalb des definierten zeit- und ortsnahen Bereiches ohne Zustimmung des persönlichen Ansprechpartners auf.

Mit Bescheid vom 09.01.2018 zahlte der Antragsgegner die Leistungen für die Zeit vom 01.11.2017 bis 31.01.2018 an die Antragstellerin aus.

Mit Beschluss des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 17.01.2018 (Az.: S 8 AS 3151/15 ER) wurde der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt, da dem Begehren der Antragstellerin entsprochen worden sei.

Mit Schreiben vom 26.01.2018 wies der Antragsgegner den Prozessbevollmächtigten darauf hin, dass bislang lediglich Antragsunterlagen vorliegen für die Zeit vom 01.03.2017 bis zum 28.02.2018. Ein Weiterbewilligungsantrag habe der Antragsgegner nicht erhalten. Die Antragstellerin solle daher persönlich beim Antragsgegner einen Antrag stellen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 05.02.2018 wies der Antragsgegner den Widerspruch der Antragstellerin zurück und führte aus, dass die Aufhebung der Leistungen mit Wirkung ab 01.02.2018 durch den Bescheid vom 08.01.2018 rechtmäßig ist.

Mit Schreiben vom 06.02.2018 bat der Prozessbevollmächtigte zumindest vorläufig, bis über den Widerspruch entschieden worden sei, Leistungen zu bewilligen. Hierauf reagierte der Antragsgegner mit Schreiben vom 07.02.2018, indem er darauf hinwies, dass eine vorläufige Bewilligung bis zur Widerspruchsentscheidung von hier leider nicht erfolgen könne, da bereits über den Widerspruch entschieden worden sei.

Am 09.02.2018 hat die Antragstellerin einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gestellt und begehrt vorläufige Leistungen nach dem SGB II. Ein entsprechendes Hauptsacheverfahren ist ebenfalls seit dem 09.02.2018 anhängig (Az.: S 47 AS 373/18).

Das Gericht hat den Beigeladenen mit Beschluss vom 26.02.2018 nach §§ 75 Abs. 2, 106 Abs. 3 Nr. 6 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zum Rechtsstre...

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