Entscheidungsstichwort (Thema)
Anspruch des lungengeschädigten Versicherten mit einem mobilen Sauerstoffgerät
Orientierungssatz
1. Ein Hilfsmittel ist für den Ausgleich einer Behinderung grundsätzlich erforderlich, wenn es die beeinträchtigte Körperfunktion unmittelbar ermöglicht, ersetzt oder erleichtert. Ersetzt es die beeinträchtigte Körperfunktion nur mittelbar, muss zusätzlich geprüft werden, in welchen Lebensbereichen sich der Ausgleich auswirkt.
2. Bedarf der Versicherte eines Hilfsmittels zur Befriedigung des Grundbedürfnisses der Mobilität, so gehört es zum Leistungsumfang der gesetzlichen Krankenversicherung.
3. Bedarf der Versicherte wegen seiner Lungenerkrankung einer ständigen Sauerstoffversorgung und ist er zum Verlassen seiner Wohnung altersbedingt auf ein leichteres Gerät angewiesen, so hat der Krankenversicherungsträger ihm ein leichtes spezielles Mobilgerät zur Verfügung zu stellen; nur so kann das Grundbedürfnis des Versicherten auf Mobilität befriedigt werden.
Normenkette
SGB V § 33 Abs. 1 S. 1, § 34 Abs. 4; SGG § 86b Abs. 2 S. 2
Tenor
Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 03.06.2014 geändert. Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung vorläufig verpflichtet, die Antragstellerin vorläufig - bis zum rechtskräftigen Abschluss des Hauptsacheverfahrens mit einem Mobilgerät für Flüssigsauerstoff (z.B. Modell Spirit 300 der Firma Novomed) zu versorgen.
Die Antragsgegnerin trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin in beiden Rechtszügen.
Gründe
Die zulässige Beschwerde der Antragstellerin ist begründet. Das Sozialgericht hat den Antrag der Antragstellerin auf Erlass einer einstweiligen Anordnung des Inhalts, dass die Antragsgegnerin verpflichtet wird, die Antragstellerin vorläufig mit einem Mobilgerät zur Flüssigsauerstoffversorgung ( z.B. Novomed Spirit 300) zu versorgen, zu Unrecht abgelehnt.
Nach § 86b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) sind einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung setzt das Bestehen eines Anordnungsanspruchs und eines Anordnungsgrundes voraus. Ein Anordnungsanspruch liegt vor, wenn der Antragsteller das Bestehen eines Rechtsverhältnisses glaubhaft macht, aus dem er eigene Ansprüche herleitet. Maßgeblich sind mithin grundsätzlich die Erfolgsaussichten in der Hauptsache (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, Kommentar, 10. Aufl. 2012, § 86b Rdn. 27 ff.). Ein Anordnungsgrund ist nur dann gegeben, wenn der Antragsteller glaubhaft macht, dass ihm unter Berücksichtigung der widerstreitenden öffentlichen Belange ein Abwarten bis zur Entscheidung der Hauptsache nicht zuzumuten ist.
Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt.
Der Anordnungsanspruch der Antragstellerin ergibt sich aus § 33 Abs. 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V). Nach dieser Vorschrift haben Versicherte Anspruch auf Versorgung mit Hörhilfen, Körperersatzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln, die im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen, soweit die Hilfsmittel nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen oder nach § 34 Abs. 4 ausgeschlossen sind.
Die mobile Einheit zur Sauerstoffversorgung stellt zunächst zweifellos keinen allgemeinen Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens dar.
Das Mobilgerät zur Versorgung mit Flüssigsauerstoff ist der Versicherten von der Antragsgegnerin - vorläufig - zur Verfügung zu stellen, um die aufgrund der Lungenerkrankung der Versicherten bestehende Behinderung auszugleichen. Ein Hilfsmittel ist für den Ausgleich einer Behinderung grundsätzlich erforderlich, wenn das Hilfsmittel die beeinträchtigte Körperfunktion unmittelbar ermöglicht, ersetzt oder erleichtert. Zu unterscheiden ist hiervon der Fall, dass das begehrte Hilfsmittel die beeinträchtigte Körperfunktion nur mittelbar ersetzt. Dann nämlich muss zusätzlich geprüft werden, in welchen Lebensbereichen sich der Ausgleich auswirkt. Festzustellen ist dabei, ob das Hilfsmittel zur Lebensbetätigung im Rahmen der allgemeinen Grundbedürfnisse benötigt wird. Dieser Differenzierung liegt die Erwägung zugrunde, dass der unmittelbare Funktionsausgleich sich in allen Lebensbereichen auswirkt und damit zwangsläufig auch Grundbedürfnisse betroffen sind, während dies bei nur mittelbarem Behinderungsausgleich nicht ohne Weiteres angenommen werden kann (vergl. z.B. BSG Urteil vom 06.06.2002, Az.: B 3 KR 68/01 R).
Einen unmittelbaren Behinderungsausgleich in dem zuvor beschriebenen Sinne bewirkt das Mobilgerät zweifelsfrei nicht, so dass darauf abzustellen ist, ob es zur Deckung von allgemeinen Grundbedürfnissen erforderlich ist. Nach ständiger Rechtsprechung gehören zu den allgemeinen Grundbedü...