Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende: Pflicht zur Beantragung einer vorgezogenen Altersrente. Anforderung an die Ermessensentscheidung des Grundsicherungsträgers zur Feststellung der Verpflichtung zur vorzeitigen Rentenantragstellung
Orientierungssatz
Die Verpflichtung eines Empfängers von Leistungen zur Grundsicherung für Arbeitsuchende zur vorzeitigen Stellung eines Rentenantrags entspricht dem gesetzlich normierten Regelfall. Eine in Ausübung des pflichtgemäßen Ermessens des Grundsicherungsträgers davon abweichende Entscheidung kann deshalb nur auf atypische Umstände gestützt werden, die außerhalb der Festlegungen in der Unbilligkeitsverordnung die Inanspruchnahme der vorzeitigen Altersrente ausnahmsweise aufgrund außergewöhnlicher Umstände als unzumutbar erscheinen lassen. Andernfalls ist eine Ermessensentscheidung zugunsten der Verpflichtung zur Antragstellung im Regelfall rechtmäßig.
Normenkette
SGB II § 12a Sätze 1, 2 Nr. 1, § 5 Abs. 3 S. 1, §§ 7, 9, 13 Abs. 2, § 65 Abs. 4
Tenor
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Dortmund vom 30.07.2015 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten des Antragstellers sind auch im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.
Der Antrag auf Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.
Gründe
I.
Der Antragsteller begehrt die Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage gegen die Aufforderung des Antragsgegners, einen Antrag auf vorgezogene Altersrente zu stellen.
Der am 00.00.1952 geborene Antragsteller bezog seit 1994 durchgehend Arbeitslosengeld bzw. Arbeitslosenhilfe. Seit dem 01.01.2005 erhält der Antragsteller durchgehend zusammen mit seiner Ehefrau Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II, zuletzt in Höhe von insgesamt 1.354,12 EUR monatlich.
Mit Schreiben vom 09.07.2014 forderte der Antragsgegner den Antragsteller auf, bei der Deutschen Rentenversicherung Westfalen eine Rentenantrag zu stellen. Mit Bescheid vom 24.03.2015 forderte der Antragsgegner den Antragsteller auf, einen Antrag auf Altersrente bis zum 10.04.2015 zu stellen. Der Antragsteller sei nach § 12a SGB II verpflichtet, eine vorgezogene Altersrente bei Erreichen des 63. Lebensjahres in Anspruch zu nehmen. Unter Abwägung aller Gesichtspunkte sei er zur Entscheidung gekommen, ihn zur Beantragung vorrangiger Leistungen aufzufordern. Er sei gehalten, wirtschaftlich und sparsam zu handeln. Der Antragsteller sei verpflichtet, die Hilfebedürftigkeit zu beseitigen oder zu verringern. Es seien keine maßgeblichen Gründe ersichtlich, welche gegen die Beantragung einer vorgezogenen Altersrente sprächen. In Abwägung der Interessen des Antragstellers mit dem Interesse an wirtschaftlicher und sparsamer Verwendung von Leistungen nach dem SGB II sei dem Antragsteller die Beantragung der Leistungen zumutbar, da die Hilfebedürftigkeit beseitigt bzw. verringert werde. Bei seiner Ermessensentscheidung habe er die Voraussetzungen der Unbilligkeitsverordnung geprüft, die nicht vorlägen. Auch wenn die vorzeitige Inanspruchnahme einer Altersrente eine finanzielle Einbuße beinhalte, könne nach Prüfung und Abwägung mit den Gründen der Unbilligkeitsverordnung in Verbindung mit §§ 12a, 5 Abs. 3 SGB II nicht auf eine vorzeitige Inanspruchnahme einer Altersrente verzichtet werden.
Hiergegen legte der Antragsteller am 27.05.2015 Widerspruch ein. Er gab an, dass ihm der Bescheid erst am 15.05.2105 zugegangen sei. Eine Begründung des Widerspruchs erfolgte nicht. Mit Widerspruchsbescheid vom 30.06.2015 wies der Antragsgegner den Widerspruch als unbegründet zurück. Er führte u.a. aus, dass die Voraussetzungen der Unbilligkeitsverordnung nicht erfüllt seien. Auch sonstige Gründe, die die Aufforderung als unbillig erscheinen ließen, lägen nicht vor und seien auch nicht vorgetragen worden. Die Aufforderung zur Beantragung einer vorzeitigen Altersrente sei auch dann rechtmäßig, wenn der Bezug der geminderten Altersrente lediglich eine Minderung und nicht zum gänzlichen Wegfall der Hilfebedürftigkeit führe. Gerade bei langjährigem Hilfebezug, beim Antragsteller insgesamt ca. 17 Jahre, dürfte auch der ungeminderte Rentenanspruch nie zur Bedarfsdeckung ausreichen. In diesem Fall eine Unbilligkeit anzunehmen widerspräche dem gesetzlichen Regel-/Ausnahmeverhältnis. Damit würde eine Besserstellung von "Langzeitbeziehern" im Verhältnis zu kurzzeitigen Leistungsbeziehern geschaffen, bei denen die Inanspruchnahme der geminderten Altersrente in den meisten Fällen größere Auswirkungen haben dürfte. Zudem werde durch den aufstockenden Bezug von Leistungen nach dem SGB XII der geringe Fehlbetrag der Rente ohnehin durch entsprechende höhere SGB XII-Leistungen ausgeglichen. Nach Abwägung aller Umstände sei der Antragsteller zur Antragstellung bezüglich der Altersrente aufzufordern gewesen.
Hiergegen erhob der Antragsteller Klage.
Am 27.05.2015 hat der Antragsteller die Anordnung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs beantragt. Er hat gerügt, dass der Bescheid vom 24.03.2015 wegen e...