Entscheidungsstichwort (Thema)
Existenzgründungszuschuss und Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts
Orientierungssatz
1. Die Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB 2 hat ohne Anrechnung des Existenzgründungszuschusses nach § 421 l SGB 3 zu erfolgen.
2. Der Existenzgründungszuschuss nach § 421 l SGB 3 ist nicht als Einkommen gem. § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB 2 zu berücksichtigen, denn er dient als zweckbestimmte Einnahme einem anderen Zweck als die Leistungen nach dem SGB 2.
3. Das SGB 2 kennt zwar mit § 14 ff. ebenfalls arbeitsfördernde Leistungen, § 11 SGB 2 steht jedoch in Zusammenhang mit den Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts, die als eigenständige Leistungsarten ausgestaltet sind.
Tenor
Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Düsseldorf vom 08.10.2007 wird zurückgewiesen. Die Antragsgegnerin trägt die außergerichtlichen Kosten des Antragstellers auch für das Beschwerdeverfahren.
Gründe
Die Beschwerde der Antragsgegnerin, der das Sozialgericht (SG) mit Beschluss vom 24.10.2007 nicht abgeholfen hat, ist zulässig, in der Sache jedoch nicht begründet.
1. Das SG hat für den Leistungszeitraum vom 01.06.2007 bis zum 31.08.2007 zu Recht die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers vom 27.09.2007 gegen die Bescheide der Antragsgegnerin vom 15.08.2007 und 17.09.2007 gemäß § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) angeordnet; den von dem SG im Tenor ebenfalls erwähnte Bescheid vom 21.07.2007 hat die Antragsgegnerin mit Bescheid vom 15.08.2007 aufgehoben. Für den Leistungszeitraum vom 01.09.2007 bis zum 31.10.2007 (Ende des Monats der Entscheidung des SG) hat das SG des weiteren die Antragsgegnerin zu Recht einstweilen verpflichtet, dem Antragsteller vorläufig Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts ohne Anrechnung des Existenzgründungszuschusses (in Höhe von 240 Euro monatlich) als Einkommen und damit Gesamtleistungen in Höhe von 764,65 Euro monatlich zu bewilligen.
Denn im Kern streiten die Beteiligten darüber, ob der Existenzgründungszuschuss gemäß § 421 l Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) als Einkommen gemäß § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II zu berücksichtigten ist.
Dies ist nicht der Fall, wie der Senat bereits mit Beschluss vom 06.07.2007 (L 7 B 133/07 AS ER) entschieden hat.
Entgegen der Rechtsauffassung der Antragsgegnerin ist der Existenzgründungszuschuss gemäß § 421l SGB III nicht als Einkommen gemäß § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II zu berücksichtigen. Denn der Existenzgründungszuschuss dient als zweckbestimmte Einnahme einem anderen Zweck als die Leistungen nach dem SGB II. Gemäß § 11 Abs. 3 Nr. 1a SGB II ist der Existenzgründungszuschuss deshalb nicht als Einkommen zu berücksichtigen (so Landessozialgericht (LSG) Nordrhein-Westfalen vom 10.04.2006, L 9 B 36/06 AS ER, und vom 07.09.2006, L 20 B 178/06 AS ER; LSG Niedersachsen-Bremen vom 25.04.2006, L 8 AS 29/06; LSG Sachsen vom 24.07.2006, L 3 B 141/06 AS-ER; LSG Baden-Württemberg vom 25.08.2006, L 8 AS 2198/06 ER-B; LSG Hessen vom 04.12.2006, L 7 AS 168/06 ER, unter Aufgabe seiner abweichenden Rechtsauffassung im Beschluss vom 29.06.2005, L 7 AS 22/05 ER; LSG Hessen vom 24.04.2007, L 9 AS 284/06 ER; ebenso Söhngen in: jurisPK-SGB II, 2. Auflage 2007, § 11 Rn. 60; a.A. LSG Berlin-Brandenburg vom 06.12.2005, L 10 B 1144/05 AS ER; LSG Sachsen-Anhalt vom 10.11.2005, L 2 B 44/05 AS ER; Hengelhaupt in: Hauck/Noftz, SGB II, K § 11 Rn. 266b (Stand: XII/06); vgl. auch Brühl in: LPK-SGB II, 2. Auflage 2007, § 11 Rn. 52 Stichwort "Existenzgründungszuschuss").
a) Der Existenzgründungszuschuss gemäß § 421l SGB III stellt eine zweckbestimmte Einnahme im Sinne des § 11 Abs. 3 Nr. 1a SGB II dar. Die Regelung des § 421l SGB III ist durch Artikel 1 Nr. 5 des Zweiten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23.12.2002 eingeführt worden und mit Wirkung zum 01.01.2003 in Kraft getreten. Die Vorschrift geht zurück auf die Vorschläge der so genannten Hartz-Kommission zur "Ich-AG" bzw. "Familien-AG" (Becker in: Spellbrink/Eicher, Kasseler Handbuch des Arbeitsförderungsrechts, 2003, § 9 Rn. 121). Mit dem Existenzgründungszuschuss und der damit einhergehenden Einführung einer neuen Form der Selbstständigkeit sollte insbesondere die Schwarzarbeit bekämpft werden (BT-Drucks. 15/26, S. 19). Sein Zweck ist es, die Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit zu fördern (Becker a.a.O., Rn. 123). Die Ausgestaltung des Existenzgründungszuschusses als der Höhe nach degressive Leistung unterstreicht diese Intention, den Übergang in die Selbstständigkeit zu erleichtern und erhöhte Aufgaben im Zuge der Existenzgründung bei gleichzeitig erst zu erschließenden Einnahmen jedenfalls teilweise zu kompensieren (LSG Hessen vom 04.12.2006, L 7 AS 168/06 ER). Er hat damit die Funktion eines Förderinstrumentes auf dem Arbeitsmarkt, das schon nach seiner Bezeichnung als "Existenzgründungszuschuss" über eine Lebensunterhaltssicherung im engeren Sinne hinausgeht (LSG Hessen a.a.O.). In dieser ...