nicht rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitssuchende. Einkommensanrechnung. Existenzgründungszuschuss. Zweckgleichheit
Leitsatz (redaktionell)
Ein Existenzgründungszuschuss nach § 421 l SGB III dient nicht allein der Sicherung des Lebensunterhalts und ist damit insgesamt nicht als Einkommen im Sinne des § 11 Abs. 1 SGB II zu berücksichtigen.
Normenkette
SGB II § 11 Abs. 3 Nr. 1a; SGB III § 421l
Verfahrensgang
SG Detmold (Beschluss vom 17.05.2006; Aktenzeichen S 12 SO 72/06 ER) |
Tenor
Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Detmold vom 17.05.2006 geändert. Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, der Antragstellerin Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) ab dem 20.04.2006 ohne Anrechnung des von der Antragstellerin bezogenen Existenzgründungszuschusses im Sinne von § 421 l Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) bis zum Ablauf des Monats gerichtlichen Entscheidung zu gewähren. Die Antragsgegnerin trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin für beide Rechtszüge.
Tatbestand
I
Die Beteiligten streiten, ob ein Existenzgründungszuschuss nach § 421 l SGB III auf die von der Antragstellerin bezogenen Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II als Einkommen anzurechnen ist.
Die 1976 geborene Antragstellerin ist seit dem 01.03.2004 als selbstständige Deeskalations- und Kommunikationstrainerin tätig. Seither bezieht sie von der Bundesagentur für Arbeit einen Existenzgründungszuschuss. Im Dezember 2004 wurde sie zusätzlich als Rechtsanwältin zugelassen. Seit März 2005 bezieht sie den Existensgründungszuschuss für ihre Tätigkeit als selbstständige Rechtsanwältin. Seit dem 01.03.2006 beträgt der monatliche Existenzgründungszuschuss noch 240,00 EUR.
Am 03.08.2005 beantragte die Antragstellerin bei der Antragsgegnerin Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II.
Mit Bescheid vom 21.10.2005 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 31.01.2006 bewilligte die Antragsgegnerin Leistungen nach dem SGB II; dabei berücksichtigte sie den Existenzgründungszuschuss leistungsmindernd als Einkommen der Antragstellerin. Den hiergegen eingelegten Widerspruch der Antragstellerin wies die Antragsgegnerin mit Widerspruchsbescheid vom 03.04.2006 als unbegründet zurück; zuvor wurden mit Bescheid vom 14.02.2006 weiterhin Leistungen nach dem SGB II unter Anrechnung des Existenzgründungszuschusses bewilligt. Wegen der Einzelheiten wird auf die genannten Bescheide Bezug genommen. Seit dem 21.04.2006 ist insoweit ein Hauptsacheverfahren vor dem Sozialgericht Detmold unter dem Aktenzeichen L 12 AS 73/06 anhängig.
Am 20.04.2006 hat die Antragstellerin beim Sozialgericht Detmold beantragt, die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihr Leistungen nach dem SGB II ohne Anrechnung des Existenzgründungszuschusses zu gewähren. Sie hat vorgetragen, zwischen den Leistungen nach dem SGB II und dem Existenzgründungszuschuss bestehe keine Zweckidentität. Der Existenzgründungszuschuss solle in Anbetracht der Gesetzesbegründung (u.a.) zu den Sozialversicherungskosten und damit nicht zur unmittelbaren Sicherung des Lebensunterhalts beitragen. Auch der Höhe nach sei er nicht geeignet, neben der sozialen Absicherung auch den Lebensunterhalt sicherzustellen. Würde der Existenzgründungszuschuss auf Leistungen nach dem SGB II angerechnet, würde sein Zweck – die Förderung der Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit zur Beendigung der Arbeitslosigkeit – unterlaufen mit der Folge, dass der Anreiz zur Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit verloren ginge. Sie habe im ersten Quartal 2006 einen Verlust in Höhe von 931,55 EUR erwirtschaftet. Ihr Geschäftskonto, für das ein Kontokorrentkredit von 5.000,00 EUR eingeräumt sei, habe zum 20.04.2006 einen Sollstand von 4.435,62 EUR aufgewiesen, ihr Privatkonto einen Sollstand von 1.458,29 EUR. Zudem habe sie einen Existenzgründungskredit von 25.000,00 EUR aufgenommen. Ohne die beantragte einstweilige Anordnung bestehe deshalb die Gefahr, dass sie Insolvenz anmelden müsse und ihre selbstständige Tätigkeit nicht fortführen könne.
Die Antragsgegnerin hat demgegenüber vorgetragen, der Existenzgründungszuschuss sei keine durch entsprechende Zweckbestimmung privilegierte Einnahme und als Einkommen auf die Leistungen nach dem SGB II anzurechnen. Dies gelte zumal, da im Rahmen der Leistungen nach dem SGB II Sozialversicherungsbeiträge für die Antragstellerin bezahlt würden (117,07 EUR Krankenversicherungsbeiträge, 15,08 EUR Pflegeversicherungsbeiträge sowie 78,00 EUR Zuschuss zum Versorgungswerk der Rechtsanwälte). Die Antragstellerin bestreite deshalb diese Sozialversicherungsaufwendungen nicht aus dem Existenzgründungszuschuss, wie es der Gesetzgeber aber ausdrücklich vorgesehen habe. Deshalb sei zumindest in ihrem Fall die Anrechnung des Existenzgründungszuschusses auf die Leistungen nach dem SGB II angemessen. Im Übrigen sei ein An...