Entscheidungsstichwort (Thema)
Einstweiliger Rechtsschutz. Arbeitslosengeld II. Mehrbedarf. unabweisbarer laufender besonderer Bedarf. FFP2-Masken während der Corona-Pandemie
Orientierungssatz
1. Für die Bewilligung eines Mehrbedarfs zur Versorgung mit FFP2-Masken während der Corona-Pandemie fehlt es an einem Einzelfall im Sinne des § 21 Abs 6 S 1 SGB 2 und an einem ausnahmsweise überdurchschnittlichen Bedarf, da die Verpflichtung zum Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes grundsätzlich alle natürlichen Personen trifft.
2. Im Übrigen muss ein Mehrbedarf im Sinne des § 21 Abs 6 SGB 2 sowohl seinem Grunde als auch seiner Höhe nach objektiviert werden. Von Gesetzes wegen besteht kein Bedarf gerade nach Masken des Standards FFP2 bzw vergleichbarer Masken.
Tenor
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Duisburg vom 01.03.2021 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren unter Beiordnung von Rechtsanwalt D, E, wird abgelehnt.
Gründe
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts (SG) Duisburg vom 01.03.2021 hat keinen Erfolg.
1. Der Senat lässt dahinstehen, ob die Beschwerde zulässig und insbesondere der maßgebliche Beschwerdestreitwert von mehr als 750 Euro erreicht wird (§§ 172 Abs. 3 Nr. 1, 144 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz ≪SGG≫), weil die Beschwerde jedenfalls unbegründet ist (vgl. dazu Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Auflage 2020, vor § 51 Rn. 13b).
2. Das SG hat den Erlass einer einstweiligen Anordnung in der Sache zu Recht abgelehnt.
Gem. § 86b Abs. 2 S. 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint (Regelungsanordnung). Der Erlass einer solchen Anordnung setzt das Bestehen eines Anordnungsanspruchs (d.h. eines materiellen Anspruchs, für den vorläufiger Rechtsschutz begehrt wird) sowie eines Anordnungsgrundes (d.h. der Unzumutbarkeit, bei Abwägung aller betroffenen Interessen die Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten) voraus. Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund sind glaubhaft zu machen, § 86b Abs. 2 S. 4 SGG i.V.m. §§ 920 Abs. 2, 294 Zivilprozessordnung (ZPO). Eine Tatsache ist dann glaubhaft gemacht, wenn ihr Vorliegen überwiegend wahrscheinlich ist. Die bloße Möglichkeit des Bestehens einer Tatsache reicht noch nicht aus, um die Beweisanforderungen zu erfüllen. Es genügt jedoch, dass diese Möglichkeit unter mehreren relativ am wahrscheinlichsten ist, weil nach der Gesamtwürdigung aller Umstände besonders viel für diese Möglichkeit spricht (vgl. zum Begriff der Glaubhaftmachung: BSG Urteil vom 17.04.2013, B 9 V 1/12 R; Beschluss vom 08.08.2001, B 9 V 23/01 B; jeweils juris).
Nach diesen Maßstäben kommt der Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung vorliegend nicht in Betracht.
a) Es fehlt bereits an einem Anordnungsanspruch. Es ist nicht glaubhaft gemacht, dass hinsichtlich des verfahrensgegenständliche Begehrens, dem Antragsteller Schutzmasken nach dem FFP2-, KN95-, N95- oder einem vergleichbaren Standard zur Verfügung zu stellen, hilfsweise, einen entsprechenden "finanziellen Mehrbedarf" anzuerkennen, die Voraussetzungen des § 21 Abs. 6 Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II; i.d.F. des Gesetzes zur Ermittlung der Regelbedarfe und zur Änderung des Zwölften und Zweiten Buches Sozialgesetzbuch sowie weiterer Gesetze vom 09.12.2020, BGBl. I S. 2855) erfüllt wären.
aa) Bereits das Vorliegen eines Einzelfalls i.S.d. § 21 Abs. 6 S. 1 Hs. 1 SGB II ist nicht glaubhaft gemacht. Der nunmehr geltend gemachte Bedarf dürfte vielmehr ausnahmslos alle Leistungsberechtigten nach dem SGB II treffen, denn die Verpflichtung zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung gilt grundsätzlich für alle natürlichen Personen im Geltungsbereich der jeweiligen landesrechtlichen Vorschriften (für Nordrhein-Westfalen: § 3 Abs. 2 Coronaschutzverordnung ≪CoronaSchV≫; zu Ausnahmen s. § 3 Abs. 4 ebd.). Selbst wenn man davon ausginge, dass mit den in die Regelbedarfsbemessung eingeflossenen Verbrauchsausgaben für Gesundheitspflege (vgl. § 5 Abs. 1 Regelbedarfsermittlungsgesetz 2021, dort Abt. 6) die durch die landesrechtlichen Vorschriften verursachten Ausgaben für Mund-Nasen-Bedeckungen "strukturell unzutreffend" erfasst wären (vgl. BSG Urteil vom 08.05.2019, B 14 AS 13/18 R, juris Rn. 20 ff.) und damit ein "besonderer Bedarf" i.S.d. § 21 Abs. 6 S. 1 Hs.1 SGB II vorläge (vgl. dazu BSG a.a.O., juris Rn. 27; sowie Urteil vom 20.01.2016, B 14 AS 8/15 R juris Rn. 20; zudem auch BT-Drs. 17/1465, S. 8 ≪zu Art. 3a Nr. 2≫; BVerfG Urteil vom 09.02.2010, 1 BvL 1/09 u.a., juris Rn. 207f.), weil die maßgebliche Einkommens- und Verbrauchsstichprobe 2018 noch vor dem Ausbruch der Corona-Pandemie stattfand (z...