Entscheidungsstichwort (Thema)
Zulässigkeit der Beschwerde gegen einen Beschluss des Sozialgerichts betreffend die Ablehnung der geltend gemachten Befangenheit eines Richters
Orientierungssatz
1. Enthält sich der Gesetzgeber einer eindeutigen Entscheidung, so ist eine bestehende Normenkonkurrenz durch das Gericht aufzulösen. Der Richter muss die gesetzgeberische Grundentscheidung respektieren und den Willen des Gesetzgebers auch unter gewandelten Bedingungen möglichst zuverlässig zur Geltung bringen. Eine Interpretation, die als richterliche Fortbildung den klaren Wortlaut des Gesetzes hintanstellt, greift unzulässig in die Kompetenzen des demokratisch legitimierten Gesetzgebers ein.
2. Stehen zwei spezialgesetzliche Normen im Widerstreit, so kann das Spannungsverhältnis nicht dadurch beseitigt werden, dass der einen Norm mit dem Hinweis auf die Gesetzesbegründung eine verdrängende Wirkung gegenüber der anderen Norm beigemessen wird.
3. Die Verfasser des 4. Gesetzes zur Änderung des SGB 4 und anderer Gesetze wollten erkennbar die Beschwerdemöglichkeit gegen Beschlüsse, mit denen ein Befangenheitsantrag gegen einen Richter abgelehnt wird abschaffen. Allerdings ist zu fordern, dass der Gesetzgeber eine Beschneidung von Rechtsschutzmöglichkeiten eindeutig und unmissverständlich formuliert. Geschieht dies nicht, so ist an der bisherigen Rechtslage festzuhalten. Daraus folgt, dass auch weiterhin eine Beschwerdemöglichkeit gegen einen die Besorgnis der Befangenheit eines Richters ablehnenden Beschluss des Sozialgerichts gegeben ist.
Tenor
Die Beschwerden des Klägers gegen die Beschlüsse des Sozialgerichts Köln vom 06.02.2012 und 02.04.2012 werden zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten der Verfahren.
Gründe
I.
Der Kläger wendet sich in der Hauptsache gegen einen Haftungsbescheid der Beklagten vom 11.03.2010. Ausweislich dieses Bescheides hat die Beklagte Beitragsforderungen gegenüber seiner verstorbenen Ehefrau über 55.385,95 EUR, die sie dem Kläger gegenüber geltend macht. Das Widerspruchsverfahren blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 26.09.2011). Unter dem 28.10.2011 hat der Kläger den Bescheid vor dem Sozialgericht (SG) Köln mit der Klage angegriffen und zugleich die Anträge gestellt, die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen und ihm Prozesskostenhilfe (PKH) unter Beiordnung von Rechtsanwalt L zu bewilligen. Mit Beschluss vom 04.11.2011 hat das SG den Streitwert für das einstweilige Rechtsschutzverfahren vorläufig auf 13.846,48 EUR festgesetzt. Die Kostenbeamtin der Geschäftsstelle hat die Prozesskostenhilfevorprüfung durchgeführt und nach Anforderung weiterer Unterlagen in der Aktenverfügung vom 20.12.2011 festgehalten, dass die Voraussetzungen für eine ratenfreie Bewilligung der beantragten PKH nach ihrer Auffassung vorliegen. Unter dem 21.12.2011 hat die Geschäftsstelle das PKH-Heft nebst vorgenannter Aktenverfügung dem Kammervorsitzenden, Richter am Sozialgericht (RiSG) V, vorgelegt, der am 22.12.2011 Termin zur Erörterung des Sachverhalts auf 10.01.2012 bestimmt hat. Hierauf hat der Klägerbevollmächtigte am 22.12.2011 wegen anderweitiger Termine um Terminaufhebung und um Entscheidung über die PKH vor Termindurchführung gebeten. Am 27.12.2011 hat der Kammervorsitzende eine Umladung auf den 24.01.2012 verfügt. Mit Schriftsatz vom 19.01.2012 hat der Klägerbevollmächtigte nochmals darum gebeten, vor dem angesetzten Termin über den PKH-Antrag zu entscheiden.
Mit Schreiben vom 23.01.2012 hat der Antragsteller den Kammervorsitzenden wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt. Der Richter habe über die mit der Klageschrift beantragte PKH bislang nicht entschieden. Dennoch wolle er einen Erörterungstermin durchführen. Über den PKH-Antrag sei jedoch rechtzeitig vor dem Termin zu entscheiden, damit bei einer etwaigen Nichtbewilligung das PKH-Beschwerdeverfahren bzw. eine kostengünstigere Antragsrücknahme erwogen werden könne. Durch die Terminansetzung ohne Entscheidung über den PKH-Antrag werde sein - des Antragstellers Recht - auf ein faires Verfahren in hohem Maße verletzt. Diese Vorgehensweise sei willkürlich.
Der abgelehnte Richter hat in einer dienstlichen Stellungnahme ausgeführt, tatsächliche Umstände, wegen derer die Besorgnis seiner Befangenheit bestehe könne, vermöge er dem Ablehnungsgesuch nicht zu entnehmen. Das SG hat den Antrag zurückgewiesen (Beschluss vom 06.02.2012 - S 34 SF 34/12 -). Der Kläger könne mit dem Vorbringen, der abgelehnte Richter habe vor dem anberaumten Erörterungstermin immer noch nicht über seinen PKH-Antrag entschieden, im Ablehnungsverfahren kein Gehör finden, denn dieses diene nicht der Überprüfung richterlicher Vorgehensweisen auf etwaige Rechts- bzw. Verfahrensfehler. Der abgelehnte Richter habe auch nicht die seiner richterlichen Tätigkeit gesetzten Schranken missachtet und Grundrechte verletzt oder in einer Weise gegen Verfahrensregeln verstoßen, dass sich bei den Beteiligten der Eindruck der Voreingenommenheit habe aufdrängen können. Zwar solle über die Bewilligung von ...