Entscheidungsstichwort (Thema)
Heranziehung eines Vertragsarztes zum ärztlichen Notfalldienst
Orientierungssatz
1. Die grundsätzliche Verpflichtung eines jeden Vertragsarztes zur Teilnahme am ärztlichen Notfalldienst folgt aus seinem Zulassungsstatus. Dadurch, dass die gesamte Ärzteschaft einen Notfalldienst organisiert, wird der einzelne Arzt von seiner anderenfalls bestehenden Verpflichtung zur Dienstbereitschaft rund um die Uhr entlastet. Als Gegenleistung muss jeder Vertragsarzt den Notfalldienst als gemeinsame Aufgabe aller Ärzte gleichwertig mittragen.
2. Unmittelbare Ermächtigungsgrundlage für den Heranziehungsbescheid der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) ist § 75 Abs. 1 S. 2 SGB 5. Die KV ist innerhalb des ihr obliegenden Sicherstellungsauftrags verpflichtet, den Notfalldienst zu organisieren und einzurichten.
3. Jeder approbierte Arzt ist zur Teilnahme am Notfalldienst fachlich geeignet, unabhängig davon, in welchem Fachgebiet er weitergebildet und ärztlich tätig ist.
4. Die nähere Ausgestaltung des Notfalldienstes fällt in die Zuständigkeit der KV.
5. Der zum Notfalldienst verpflichtete Vertragsarzt kann auch unter Gleichbehandlungsgesichtspunkten keine Reduzierung der Dienstzeiten verlangen. Er kann die zur Ausgestaltung des Notfalldienstes getroffenen Entscheidungen allenfalls gerichtlich nachprüfen lassen. Er ist nur dann in seinen Rechten verletzt, wenn die Entscheidung der KV nicht mehr von sachbezogenen Erwägungen getragen wird und einzelne Arztgruppen oder Ärzte willkürlich benachteiligt werden.
Tenor
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Dortmund vom 29.04.2011 wird zurückgewiesen.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Streitwert wird auf 5.000,00 EUR festgesetzt.
Gründe
I.
Der Antragsteller begehrt die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs gegen den Heranziehungsbescheid der Antragsgegnerin zum ärztlichen Notfalldienst.
Der zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassene Antragsteller betreibt eine gynäkologische Praxis in Q.
Mit Bescheid vom 17.12.2010 zog die Bezirksstelle Q der Antragsgegnerin den Antragsteller unter Anordnung der sofortigen Vollziehung zum allgemeinen ärztlichen Notfalldienst für die Zeit vom 01.02.2011 bis zum 31.01.2012 heran. Ausweislich der Anlage zu diesem Bescheid ist der Antragsteller für fünf Sitzdienste in einer Notfallpraxis (30.04.2011, 01.08.2011, 28.08.2011, 02.11.2011 und 23.12.2011) und fünf Fahrdienste (16.04.2011, 13.06.2011, 14.08.2011, 21.10.2011 und 05.12.2011) eingeteilt worden.
Mit Schreiben vom 14.02.2011 erhob der Antragsteller Widerspruch; dieser ist bislang nicht beschieden.
Unter dem 03.03.2011 hat der Antragsteller beim Sozialgericht (SG) Dortmund um einstweiligen Rechtsschutz nachgesucht. Er hat vorgetragen: Der Bescheid vom 17.12.2010 sei offensichtlich rechtswidrig. Die gebotene Interessenabwägung müsse zu seinen Gunsten ausfallen. Er werde im Vergleich zu anderen niedergelassenen Ärzten über Gebühr zum Notfalldienst herangezogen. Er bestreite nicht, dem Grunde nach zum Notfalldienst verpflichtet zu sein, habe indes einen Anspruch auf gleichmäßige Diensteinteilung. Dem genüge der angefochtene Bescheid nicht. Er sei für 76 Stunden Dienst und damit im Vergleich zu anderen Ärzten mit bis zu 17 Stunden zusätzlichem Dienst eingeteilt worden. Zudem hätte berücksichtigt werden müssen, dass er als gynäkologischer Onkologe ohnehin verpflichtet sei, eine 24-stündige Rufbereitschaft für seine Patienten sicherzustellen.
Der Antragsteller hat beantragt,
die aufschiebende Wirkung seines Widerspruchs gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 17.12.2010 wiederherzustellen.
Die Antragsgegnerin hat beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Der angefochtene Bescheid sei rechtmäßig. Der Antragsteller verwechsle den Begriff der "gleichmäßigen Einteilung" zum Notfalldienst mit einer "identischen Belastung" durch den Notfalldienst. Die Forderung nach einer identischen Notfalldienstbelastung sei unrealistisch. In ihrem Zuständigkeitsbereich seien ca. 9.550 Privat- und Vertragsärzte in 32 Notfalldienstbezirken zur Teilnahme am Notfalldienst verpflichtet. In allen Notfalldienstbezirken gebe es insgesamt 67 Notfalldienstambulanzen an Krankenhäusern - bis zu fünf Praxen pro Bezirk -, von denen 51 Praxen täglich sowie weitere 16 sog. "Komplementärpraxen" zusätzlich am Wochenende geöffnet seien. Die Dienstzeiten in der Notfallambulanz seien am Wochenende und an Feiertagen ca. 14 Stunden, am Mittwoch und Freitag ca. neun Stunden und an den anderen Wochentagen ca. vier Stunden. In den "Notfallambulanzen" müssten daher insgesamt ca. 25.000 dieser Sitzdienste auf die Ärzte verteilt werden und zwar nicht nur in zeitlicher, sondern auch in örtlicher Hinsicht. Neben dem Notfalldienstangebot in den Notfallambulanzen müsse sichergestellt werden, dass Patienten auch zu Hause aufgesucht werden könnten. Zusätzlich zu den Sitzdiensten seien daher Fahrdienste eingerichtet worden, in denen die Ärzte in einem von ihr - der Antragsg...