Entscheidungsstichwort (Thema)
Prozesskostenhilfe. Hinreichende Erfolgsaussicht. Grundsicherungsleistungen. Keine doppelte Rechtshängigkeit. Voraussetzungen für die Einbeziehung eines ablehnenden Bescheids in bereits anhängigem Verfahren. Unzulässigkeit der Klage wegen anderweitiger Rechtshängigkeit
Leitsatz (redaktionell)
1. Ein Ablehnungsbescheid über Leistungen nach dem SGB II kann nicht gem. § 96 SGG Gegenstand eines bereits anhängigen Verfahren werden, wenn er weder die angefochtenen Bewilligungsbescheide i.d.F.d Widerspruchsbescheids noch etwaige Aufhebungsbescheide abändert oder ersetzt und er nach seinem Wortlaut und Regelungsinhalt auch nicht in eine (wiederholende) Aufhebung der Leistungsbewilligung umgedeutet werden kann.
2. Prozesskostenhilfe steht einem bedürftigen Kläger nach §§ 73a SGG, 114 ZPO zu, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Erfolgsaussichten aufweist.
Orientierungssatz
Einer Geltendmachung von Leistungsansprüchen nach dem SGB 2 steht eine anderweitige Rechtshängigkeit dann nicht entgegen, wenn ein ergangener Ablehnungsbescheid nicht gemäß § 96 SGG Gegenstand des anhängigen Verfahrens geworden ist. Das ist u. a. dann der Fall, wenn dieser den angefochtenen Bescheid weder abändert noch ersetzt.
Normenkette
SGG §§ 73a, 96; ZPO § 114
Tenor
Auf die Beschwerde der Klägerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Detmold vom 23.10.2008 geändert. Der Klägerin wird für das Klageverfahren ab 03.09.2008 Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwältin S, Q beigeordnet.
Gründe
Die Klägerin wendet sich gegen die Versagung von Prozesskostenhilfe.
In dem seit dem 09.07.2008 anhängigen Rechtsstreit S 9 AS 208/08 Sozialgericht (SG) Detmold ist die Höhe der für den Zeitraum vom 01.04.2008 bis 30.09.2008 bewilligten Leistungen nach dem SGB II streitig. Die Beklagte hob mit Bescheid vom 10.07.2008 die Leistungsbewilligung ab dem 01.08.2008 im Hinblick auf die Anrechnung zwischenzeitlich bescheinigter Einkünfte wegen Wegfalles der Hilfebedürftigkeit auf und lehnte einen am 31.07.2008 gestellten Antrag auf Weiterbewilligung von Leistungen nach dem SGB II mit Bescheid vom 01.08.2008 ab. Beide Bescheide enthalten den Hinweis, sie könnten durch Widerspruch angefochten werden. Gegen beide Bescheide legte die anwaltlich vertretene Klägerin Widerspruch ein. Mit Widerspruchsbescheid vom 18.08.2008 verwarf die Beklagte beide Widersprüche mit der Begründung, die Bescheide vom 10.07.2008 und vom 01.08.2008 seien gemäß § 96 SGG Teil des bereits anhängigen Klageverfahrens S 9 AS 208/08 SG Detmold geworden. Die Widersprüche seien deshalb unzulässig.
Mit der am 21.08.2008 erhobenen Klage - S 9 AS 254/08 SG Detmold - begehrt die Klägerin die Feststellung der Nichtigkeit, hilfsweise Rechtswidrigkeit des Widerspruchsbescheides vom 18.08.2008, soweit dieser den Zeitraum ab dem 01.10.2008 betrifft.
Den Antrag auf Prozesskostenhilfe für das letztgenannte Verfahren hat das SG mit Beschluss vom 23.10.2008 abgelehnt. Zu Recht habe die Beklagte die Widersprüche gegen die Bescheide vom 10.07.2008 und 01.08.2008 als unzulässig verworfen, da diese vom Streitgegenstand des Verfahrens S 9 AS 208/08 bereits umfasst seien. Für Zeiten nach dem im Verfahren S 9 AS 208/08 streitgegenständlichen Bewilligungszeitraum ab dem 01.10.2008 könne die Klägerin einen Neuantrag stellen.
Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Klägerin, in der sinngemäß argumentiert wird, der Ablehnungsbescheid sei insoweit rechtswidrig und separat mit dem Widerspruch angreifbar, als er Leistungen für die Zeit nach dem 30.09.2008 ablehne.
Die zulässige Beschwerde ist begründet.
Prozesskostenhilfe steht der bedürftigen Klägerin nach §§ 73a SGG, 114 ZPO zu, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Erfolgsaussicht aufweist.
Einer Geltendmachung von Leistungsansprüchen ab 01.10.2008 steht keine anderweitige Rechtshängigkeit entgegen. Denn der Ablehnungsbescheid vom 01.08.2008 ist nach Auffassung des Senats nicht gem. § 96 SGG Gegenstand des Verfahrens S 9 AS 208/08 geworden, da er weder die angefochtenen Bewilligungsbescheide idF des Widerspruchsbescheides vom 10.06.2008 noch den Aufhebungsbescheid vom 10.07.2008 abändert oder ersetzt. Er kann nach seinem Wortlaut und Regelungsinhalt auch nicht in eine (wiederholende) Aufhebung der Leistungsbewilligung ab 01.08.2008 umgedeutet werden.
Hinreichende Erfolgsaussicht in materieller Hinsicht kann der beabsichtigten Rechtsverfolgung angesichts der komplexen Verhältnisse in einer mehrköpfigen Bedarfsgemeinschaft nicht abgesprochen werden. Dies zeigt sich schon darin, dass nach Bekanntwerden des Ausscheidens der Tochter B aus der Bedarfsgemeinschaft durch Umzug Anfang August 2008 sowie Vorlage einer aktuellen Verdienstbescheinigungen für die Tochter Z L Ansprüche der Bedarfsgemeinschaft bereits für August 2008 berechnet worden sind (vgl. Berechnung Bl. 376/377 VA).
Kosten des PKH-Beschwerdeverfahrens sind Kraft Gesetzes nicht zu erstatten, § 127 Abs. 4 ZPO.
Dieser Beschluss ist endgültig, § 177 SGG.
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