Entscheidungsstichwort (Thema)
Anteilige Regelleistungen zur Sicherung des Umgangsrechts
Orientierungssatz
1. Der Vater minderjähriger Kinder ist ausnahmsweise und nur zur Sicherung des Umgangsrechtes berechtigt, diese allein und ohne Zustimmung der Kindesmutter zu vertreten, so weit sie anteilige Regelleistungen im Verfahren der einstweiligen Anordnung geltend machen.
2. Minderjährigen Kindern sind durch einstweilige Anordnung nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG anteilige Regelleistungen zuzusprechen, wenn das Umgangsrecht ihres Vaters sonst nicht ausgeübt werden könnte und die Kinder keine kurzfristig realisierbare Möglichkeit haben, die notwendigen Mittel zur Ausübung des Umgangsrechtes zu erhalten.
Tenor
Auf die Beschwerden der Antragsteller wird der Beschluss des Sozialgerichts Duisburg vom 04.12.2007 geändert. Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung vorläufig für die Zeit von September 2007 bis einschließlich April 2008 verpflichtet, den Antragstellern zu 2) und 3) vorläufig anteilige Regelleistungen zu je 1/30 der monatlichen Regelleistung für vier Tage monatlich zu gewähren. Im Übrigen werden die Beschwerden zurückgewiesen. Die Antragsgegnerin hat den Antragstellern zu 2) und 3) deren außergerichtliche Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen zu erstatten. Im Übrigen findet eine Kostenerstattung nicht statt. Den Antragstellern zu 2) und 3) wird Prozesskostenhilfe für beide Rechtszüge gewährt und Rechtsanwalt I beigeordnet. Der Antrag auf Gewährung von Prozeßkostenhilfe des Antragstellers zu 1) für das Beschwerdeverfahren wird abgelehnt.
Gründe
Die Beschwerden des Antragstellers zu 1) sind zulässig, aber unbegründet. Zutreffend hat das Sozialgericht entschieden, dass der Antragsteller zu 1) nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II), auf das er sein Anspruchsbegehren beschränkt hat, keine eigenen Ansprüche bezüglich der Kosten des Umgangsrechtes (Regelleistungen für die Kinder) hat. Hierbei handelt es sich vielmehr um Ansprüche der Kinder des Antragstellers, also der Antragsteller zu 2) und 3).
Die Beschwerden der Antragsteller zu 2) und 3), denen das Sozialgericht nicht abgeholfen hat (Beschluss vom 08.01.2008), sind zulässig.
Die minderjährigen Antragsteller zu 2) und 3) sind zwar nicht prozessfähig nach § 71 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG), sie sind für das vorliegende Verfahren jedoch wirksam durch den Antragsteller zu 1) vertreten. Ihm steht insoweit - ausnahmsweise und nur zur Sicherung des Umgangsrechtes - das Recht zu, die Antragsteller zu 2) und 3) allein und ohne Zustimmung der Kindesmutter zu vertreten. Der Antragsteller zu 1) ist zwar mit dem Versuch gescheitert, die verweigerte Zustimmung der Mutter der Antragsteller zu 2) und 3) zur gerichtlichen Geltendmachung der hier streitbefangenen Ansprüche der Antragsteller zu 2) und 3) im Rahmen eines familiengerichtlichen Eilverfahrens (Amtsgericht Nettetal, Beschlüsse vom 30.11.2007 und 13.12.2007, 7 F 368/07; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 20.12.2007, II-4 WF 221/07) zu ersetzen. Würde der Antragsteller zu 1) somit nur mit Zustimmung der Kindesmutter Ansprüche die Kinder vertreten können, so würde dies im Ergebnis aber auf eine Vereitelung des durch Artikel 6 Abs. 2 S. 1 Grundgesetz (GG) geschützten Umgangsrechtes hinauslaufen. Der Senat geht jedoch davon aus, dass die Vertretungsregeln des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) im Lichte dieses Rechtes auszulegen sind (hierzu eingehend BVerfG, Urteil vom 01.04.2008, 1 BvR 1620/04, Rn. 70 f bei juris; BVerfG, Beschluss vom 25.10.1994, 1 BvR 1197/93 = NJW 1995, 1342; LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 21.06.2007, L 8 AS 491/05, Rn. 32 bei juris), wobei sich in verfassungskonformer Auslegung der §§ 1626 ff., 1687 Abs. 1 S. 2 BGB jedenfalls insoweit ein alleiniges Vertretungsrecht des Antragstellers zu 1) für die Antragsteller zu 2) und 3) ergibt (vgl. hierzu eingehend Urteil des Senates v. 21.04.2008, L 20 AS 112/06, offen gelassen im Beschluss vom 22.01.2008, L 20 B 227/07 AS ER), allerdings nur für die Zeiten, zu denen diese gemeinsam mit ihm in einer zeitweiligen Bedarfsgemeinschaft leben. Dies ist verfassungsrechtlich geboten, weil zur zusätzlichen Wertverdeutlichung des Umgangsrechts eine besondere Verfahrenssicherung erforderlich ist.
Die Beschwerden der Antragsteller zu 2) und 3) sind auch begründet.
Zu Unrecht hat das Sozialgericht es abgelehnt, eine einstweilige Anordnung zu erlassen.
Nach § 86b Abs. 2 S. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung setzt das Bestehen eines Anordnungsanspruches, d.h. des materiellen Anspruchs, für den vorläufiger Rechtsschutz begehrt wird, sowie das Vorliegen eines Anordnungsgrundes, d.h. die Unzumutbarkeit voraus, bei Abwägung aller b...