Entscheidungsstichwort (Thema)

Ausschluss eines Synergieeffektes beim Anfall der Verfahrensgebühr des Rechtsanwalts im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes

 

Orientierungssatz

1. Die gebührenmindernde Vorschrift der Nr. 3103 VV RVG ist eng auszulegen. Der den Vergütungsanspruch des Rechtsanwalts mindernde Gebührentatbestand erstreckt sich nicht auf das Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes. Der erforderliche Synergieeffekt des Eilverfahrens gegenüber dem Vorverfahren ist nicht gegeben. Die zusätzliche anspruchsbegründende Voraussetzung der Eilbedürftigkeit der Entscheidung spielt weder im Verwaltungs- bzw. Widerspruchsverfahren noch im Hauptsacheverfahren eine Rolle. Damit ist eine Minderung der Rechtsanwaltsgebühr für die Verfahrensgebühr ausgeschlossen.

2. Bei Mehrvertretung ist die kombinierte Erhöhungs- und Deckelungsvorschrift der Nr. 1008 VV RVG anzuwenden.

 

Tenor

Auf die Beschwerde des Beschwerdeführers vom 21.09.2012 wird der Beschluss des Sozialgerichts Duisburg vom 11.09.2012 geändert. Die dem Beschwerdeführer aus der Staatskasse zu zahlenden Gebühren und Auslagen werden auf 827,05 EUR festgesetzt.

Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

I.

Streitig ist die Höhe der aus der Staatskasse im Rahmen bewilligter Prozesskostenhilfe zu erstattenden Anwaltsvergütung nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG).

Gegenstand des zu Grunde liegenden Eilverfahrens beim Sozialgericht Duisburg - S 45 AS 4029/11 ER - war die (Wieder-)Bewilligung von Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für die Antragstellerin und ihre drei Kinder. Das am 20.10.2011 eingeleitete Verfahren endete durch Annahme des vom Antragsgegner abgegebenen Anerkenntnisses am 15.11.2011.

Mit Beschluss vom 28.10.2011 hatte das Sozialgericht den vier Antragstellern Prozesskostenhilfe für das einstweilige Anordnungsverfahren bewilligt und Rechtsanwalt I. beigeordnet, der nach Beendigung des Verfahrens durch Kostenrechnung vom 29.11.2011 folgende Gebühren gegen die Staatskasse geltend gemacht hat:

Verfahrensgebühr, Nr. 3102, 1008 VV RVG 475,00 EUR Terminsgebühr, Nr. 3106 VV RVG 200,00 EUR Auslagenpauschale, Nr. 7002 VV RVG 20,00 EUR Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG 132,05 EUR Gesamt 827,05 EUR

Mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 06.12.2011 hat der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle die Gebühren und Auslagen wie folgt festgesetzt:

Verfahrensgebühr, Nr. 3103, 1008 VV RVG 323,00 EUR Auslagenpauschale, Nr. 7002 VV RVG 20,00 EUR Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG 65,17 EUR Gesamt 408,17 EUR

Zur Begründung hat er ausgeführt, eine fiktive Terminsgebühr könne in Eilverfahren nicht entstehen, da diese nur in Verfahren, in denen eine mündliche Verhandlung vorgeschrieben sei, anfalle. Bei einer vorherigen Tätigkeit des Rechtsanwalts im Verwaltungsverfahren des gleichen Streitgegenstandes sei zudem allein eine Verfahrensgebühr nach Nr. 3103 VV RVG zu gewähren.

Die dagegen am 14.12.2011 eingelegte Erinnerung hat das Sozialgericht durch Beschluss vom 11.09.2012 als unbegründet zurückgewiesen. Der Bevollmächtigte der Antragsteller sei mit insgesamt 408,17 EUR zutreffend entschädigt worden. Die Bestimmung der Verfahrensgebühr nach Nr. 3103 VV RVG im Rahmen von 20,00 EUR bis 320,00 EUR sei zutreffend, da der Bevollmächtigte bereits im Verwaltungs- bzw. Widerspruchsverfahren mit der Angelegenheit vorbefasst gewesen sei. Dies habe die Tätigkeit im sozialgerichtlichen Anordnungsverfahren erleichtert. Dass daneben noch der Anordnungsgrund darzulegen und glaubhaft zu machen sei, führe entgegen der Rechtsprechung des 7. Senats LSG NRW (Beschluss 17.03.2011 - L 7 AS 1658/10 B) zu keinem anderen Ergebnis, da für die Anrechnung keine volle Identität der Tätigkeit erforderlich sei. Zudem sei keine fiktive Terminsgebühr nach Nr. 3106 VV RVG angefallen, da dieser Gebührentatbestand nur in Verfahren mit obligatorischer mündlichen Verhandlung anzuwenden sei.

Dagegen hat der Erinnerungsführer am 14.12.2011 Erinnerung eingelegt und erneut ausgeführt, die fiktive Terminsgebühr sei anzuerkennen. Ebenso sei eine Verfahrensgebühr gem. Nr. 3102 VV RVG nach dem Gebührenrahmen des § 14 RVG iHv 250,00 EUR zu gewähren.

Der Beschwerdeführer beantragt schriftsätzlich,

die Prozesskostenhilfeliquidation gemäß Rechnung vom 29.11.2011 in Höhe von 827,05 EUR festzusetzen.

Der Beschwerdegegner beantragt,

die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Duisburg vom 11.09.2012 zurückzuweisen.

Er hält er den angefochtenen Beschluss für zutreffend. Eine andere Festsetzung komme nicht in Frage. Selbst bei Annahme einer - ungekürzten - Verfahrensgebühr nach Nr. 3102 VV RVG sei die Höhe der Verfahrensgebühr (Mittelgebühr 170,00 EUR zzgl. Erhöhung nach VV 1008 RVG) als zutreffend anzusehen. Die fiktive Terminsgebühr lehne die ganz überwiegende Rechtsprechung ab.

Nach Hinweis des Berichterstatters auf den Senatsbeschluss vom 03.01.2011 -L 6 AS 1399/10 B hat der Beschwerdeführer die Beschwerde bezogen auf die Ansetzung einer "fiktiven Terminsgebühr" für erledigt er...

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