Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialhilfe. Hilfe zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten. Erhalt einer Wohnung für die Zeit nach der Haftentlassung. vorbeugende Leistung. Prognoseentscheidung

 

Orientierungssatz

1. Vorbeugende Sozialhilfeleistungen zum Erhalt einer Wohnung für die Zeit nach der Haftentlassung können grundsätzlich nach § 15 SGB 12 iVm § 67 S 1 SGB 12 beansprucht werden (vgl BSG vom 12.12.2013 - B 8 SO 24/12 R = SozR 4-3500 § 67 Nr 1).

2. Erforderlich ist hierzu eine Prognose im Hinblick auf die bei Haftentlassung zu erwartende Situation. Eine ausreichend sichere Prognose kann dann nicht erstellt werden, wenn die Umstände nach Haftentlassung schon wegen der noch bevorstehenden Haftdauer noch nicht eingeschätzt werden können (vgl BSG vom 12.12.2013 - B 8 SO 24/12 R aaO).

 

Tenor

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Düsseldorf vom 12.05.2020 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.

 

Gründe

I.

Der Antragsteller begehrt Leistungen zur Sicherung seiner Unterkunft für die Dauer seiner Inhaftierung.

Der Antragsteller bewohnte zuletzt, zumindest zeitweise - die näheren Einzelheiten sind zwischen den Beteiligten umstritten -, einen Seefrachtcontainer. Dieser steht im Eigentum des Antragstellers und ist im Garten eines Privatgrundstücks im Stadtgebiet der Antragsgegnerin abgestellt. Für den Stellplatz verlangt der Grundstückseigentümer eine Miete von monatlich 280 Euro. Der Container ist an seinem Standort nicht an die Wasser-/Abwasserversorgung angeschlossen. Auch erfolgt keine Abfallentsorgung. Nach Einschätzung der Bauaufsicht ist eine Wohnnutzung des Containers an seinem Standort nicht genehmigungsfähig.

Der Antragsteller bezog zuletzt Arbeitslosengeld II. Zum 01.03.2020 hob das zuständige Jobcenter seine Bewilligung auf, weil die Erwerbsfähigkeit des Antragstellers weggefallen sei (Bescheid vom 16.01.2020).

Am 06.02.2020 wurde der Antragsteller in der JVA C in Untersuchungshaft genommen. Zwischenzeitlich verurteilte ihn das AG C zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten (Urteil vom 27.05.2020, 00 Ls 00 Js 00/20); die Verurteilung ist bislang nicht rechtskräftig.

Nach seiner Inhaftierung beantragte der Antragsteller bei der Antragsgegnerin Sozialhilfe zur Übernahme der Kosten seiner Wohnung wegen seiner Inhaftierung. Neben der monatlichen Miete von 280 Euro begehrte er auch die Übernahme der Kosten für eine Verlagerung seines Containers "auf ein möglichst preiswertes Grundstück" mit einer baufälligen bzw. sanierungsbedürftigen Immobilie, wo er den Container als "Unterkunft für Bauarbeiter" genehmigungsfrei bewohnen könne. Die Antragsgegnerin lehnte den Antrag ab (Bescheid vom 10.03.2020). Der geltend gemachte Anspruch setze voraus, dass der Antragsteller seinen tatsächlichen Aufenthalt im Gebiet der Antragsgegnerin begründe. Nach eigenen Angaben halte der Antragsteller sich aber jeweils an dem Ort auf, an dem er Arbeit finde. Auch sei der Antragsteller nicht im Gebiet der Antragsgegnerin gemeldet. Zudem sei der Container als Wohnmöglichkeit nicht erhaltenswert, weil er nur über eine "notdürftige" Stromversorgung und keinen Anschluss an das Wasser-/Abwassernetz verfüge, die Abfallentsorgung nicht den ortsüblichen Rahmenbedingungen entspreche und das Grundstück auch nicht zu Wohnzwecken zugelassen bzw. geeignet sei. Der hiergegen erhobene Widerspruch blieb ohne Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 29.05.2020).

Am 16.04.2020 hat der Antragsteller den Erlass einer einstweiligen Anordnung bei dem Sozialgericht (SG) Düsseldorf beantragt. Er beabsichtige, seinen Ersatzwohnsitz bis zur Finanzierung eines passenden Ersatzgrundstücks wieder im Gebiet der Antragsgegnerin zu nehmen. Er habe lediglich für die Dauer von Arbeitseinsätzen Hotel- oder Pensionszimmer am Arbeitsort bewohnt, im Übrigen und auch während der Wochenenden und freien Tage in seinem Container gelebt. Der Verlust seines Hausrates und seiner persönlichen Gegenstände mit einem Wiederbeschaffungswert von min. 10.000 Euro sowie des "maßgeschneiderten" Containers mit einem Wiederbeschaffungswert von min. 90.000 Euro könne ihm nicht zugemutet werden.

Er hat sinngemäß beantragt,

die Antragsgegnerin zu verpflichten,

1. die Nutzungsentschädigung für das aktuell genutzte Grundstück von monatlich 280 Euro seit März 2020, 2. ggf. die Umzugskosten für den Transport des Containers von ca. 2000 Euro sowie 3. die Kosten für ein neues eigenes Grundstück in möglichst wirtschaftlicher Lage von maximal 10.000 Euro

als Beihilfe, hilfsweise als Darlehen, zu übernehmen.

Die Antragsgegnerin hat beantragt,

den Antrag abzuweisen.

Sie hat geltend gemacht, die im Hinblick auf die zu erwartende Situation bei Haftentlassung zwingend erforderliche Prognose könne bereits nicht angestellt werden, weil unklar sei, wie lange der Antragsteller noch in Haft verbleiben werde. Auch sei davon auszugehen, dass der Antragsteller sich nicht dauerhaft im Gebiet der Antragsgegnerin au...

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