Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitslosengeld. Erstattungspflicht des Arbeitgebers nach § 147a SGB III. Ermittlung des Arbeitgebers. rügelose Einlassung

 

Orientierungssatz

1. Nach der Vorschrift des § 147a Abs. 1 S. 1 SGB III a.F. erstattet der Arbeitgeber, bei dem der Arbeitslose innerhalb der letzten vier Jahre vor dem Tag der Arbeitslosigkeit mindestens 24 Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden hat, der Bundesagentur vierteljährlich das Arbeitslosengeld für die Zeit nach Vollendung des 57. Lebensjahres des Arbeitslosen. Obgleich Konzernunternehmen iSd § 18 AktG bei der Ermittlung der Beschäftigungszeiten als ein Arbeitgeber gelten, § 147a Abs. 5 S. 1 SGB III a.F., richtet sich die Erstattungspflicht tatsächlich immer nur gegen den Arbeitgeber, bei dem der Arbeitnehmer zuletzt in einem Arbeitsverhältnis gestanden hat, § 147a Abs. 5 S. 2 SGB III.

2. Die rügelose Einlassung eines Beteiligten oder die übereinstimmende Rechtsansicht beider Beteiligten binden das Gericht bei der Prüfung des gesetzlichen Tatbestandes nicht.

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin werden das Urteil des Sozialgerichts Münster vom 15.02.2007 geändert, der Bescheid vom 27.05.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 07.09.2004 sowie die Bescheide vom 05.10.2004 aufgehoben und die Beklagte verurteilt, der Klägerin 66.982,10 EUR zu erstatten. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Klägerin der Beklagten für die Zeit vom 19. Juni 2000 bis zum 18. Juni 2002 Arbeitslosengeld sowie Beiträge zur Kranken-, Renten- und Pflegeversicherung i.H.v. insgesamt 66.982,10 EUR erstatten muss.

Der im Juni 1942 geborene Industriekaufmann H F schloss am 24. Februar 1978 mit der Fa. X KG in U zum 01. April 1978 einen Anstellungsvertrag. Danach sollte die Fa. U T GmbH in O am 01. April 1978 "anstelle der Fa. X KG" in den Arbeitsvertrag eintreten. Die U T GmbH, die am 23. März 1978 in das Handelsregister eingetragen wurde, war eine 100%ige Tochtergesellschaft der Klägerin und produzierte Fahrrad- und Vorhängeschlösser. Ihren Zweiradgroß- und -fachhandel in Nordrhein-Westfalen betreute F ab dem 01. April 1978 als "Vertriebsrepräsentant". Nachdem die Geschäftsführung entschieden hatte, die Verkaufsgebiete neu zu ordnen, bot der damalige Personalleiter I T F am 15. September 1999 erfolglos die neugeschaffene Stelle des Regionalmanagers Nord an. Im Oktober 1999 kam es deshalb zu Verhandlungen über den Abschluss eines Aufhebungs- bzw. Abwicklungsvertrags. An diesen Vertragsverhandlungen nahmen T, F und dessen Rechtsanwalt Dr. S teil. Am 29. Oktober 1999 vereinbarte F mit der U T GmbH folgendes: "1. Das zwischen den Vertragsparteien bestehende Arbeitsverhältnis endet aufgrund einer betriebsbedingten Kündigung des Arbeitgebers vom 27.10.1999 wegen der beabsichtigten Umstrukturierung der bisherigen Verkaufsgebiete (Neueinteilung der Verkaufsgebiete) unter Beachtung der maßgeblichen Kündigungsfrist mit Ablauf des 30.06.2000 2. 3. Herr F erhält als Ausgleich für den Verlust seines Arbeitsplatzes eine Abfindung in Höhe von DM 355.000,- brutto 4. Herr F hat die Möglichkeit, das Arbeitsverhältnis jederzeit durch einseitige Erklärung zu einem früheren Termin als zum 30.06.2000 zu beenden, und zwar jeweils zum Monatsende ..." Nachdem die U T GmbH Anfang 2000 in die U GmbH umfirmiert worden war, kam es am 29. Januar 2001 zu einem sog. Management-Buy-Out: Der bisherige Fremdgeschäftsführer erwarb und übernahm von der Klägerin alle Gesellschaftsanteile der U GmbH. Dabei stellte die Klägerin den Erwerber im Innenverhältnis vertraglich von allen Altforderungen und Erstattungsansprüchen frei.

F bezog vom 01. Juni 2000 bis zum 16. Januar 2003 Arbeitslosengeld. Mit Anhörungsschreiben vom 26. März 2004 kündigte die Beklagte der U GmbH an, sie auf Erstattung der Arbeitslosengeldbeträge sowie der Beiträge zur Kranken-, Renten- und Pflegeversicherung in Anspruch zu nehmen, die in der Zeit vom 19. Juni 2000 bis zum 18. Juni 2002 an bzw. für F gezahlt worden seien. Die U GmbH in N reichte das Anhörungsschreiben an die Klägerin weiter. Diese meldete sich im Anhörungsverfahren und gab an, "Rechtsvorgängerin" der U GmbH zu sein. Gleichzeitig wies sie die Erstattungsforderung zurück, weil eine sozial gerechtfertigte Kündigung das Beschäftigungsverhältnis mit F "zum selben Termin" beendet hätte, wenn der Aufhebungsvertrag nicht geschlossen worden wäre. Aufgrund dieser Überlegung entfalle die Erstattungspflicht.

Mit Bescheid vom 27. Mai 2004 stellte die Beklagte fest, dass die Klägerin verpflichtet sei, ihr das Arbeitslosengeld und die Beiträge zur Kranken-, Renten- und Pflegeversicherung für den Zeitraum vom 19. Juni bis zum 30. September 2000 i.H.v. 9.342,92 EUR zu erstatten. Dagegen erhob die Klägerin am 21. Juni 2004 Widerspruch, den die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 07. September 2004 - zur Post gegeben am 08. September 2004 - zurückwies. Im Vo...

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